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Migration ohne Menschenrechte?

Martin Glasenapp über den "Migrationspakt" zwischen EU und Afrika / Der 44-Jährige ist Nahost- und Migrationskoordinator der Hilfsorganisation medico international *



Frage: Was will die EU mit dem Konzept der »zirkulären Migration« erreichen?

Glasenapp: Das Ziel der zirkulären Migration ist es, ausländische Arbeitskräfte nach Bedarf in die EU einreisen zu lassen, ihnen aber die eine persönliche Perspektive und gesellschaftliche Integration nicht oder nur konditioniert zuzugestehen. Es ist die Wiederauflage des alten, bundesrepublikanischen »Gastarbeitermodells« auf europäischer Ebene. Schließlich sieht das Konzept auch vor, nicht verwertbare Arbeitskräfte wahlweise auch wieder legal aus der EU abzuschieben.

In welchem Rahmen und welchem Umfang sollen Kooperationsabkommen mit afrikanischen Staaten abgeschlossen werden?

Die EU-Staaten verhandeln bilateral mit den afrikanischen Staaten, sowohl über die Rücknahme von Migranten als auch über die Vereinbarungen zur Erdöl- und Erdgasförderung oder über Fischereirechte. Die Strategie der EU-Staaten ist es, Entwicklungshilfe, Freihandelsverträge und Rücknahmeabkommen aneinander zu koppeln. Das heißt, nur die Länder, die ihre »überflüssigen« Flüchtlinge aus Europa zurücknehmen und ihre Märkte öffnen, werden in den Genuss einer verstärkten Entwicklungshilfe kommen.

Welche afrikanischen Staaten werden sich voraussichtlich bereit erklären, auf solche bilateralen Abkommen entsprechend einzugehen?

Es gibt einige westafrikanische Staaten, wie Tunesien, Marokko und Mauretanien, die das bereits getan haben. Auch mit Libyen wird gesprochen, um die auf der italienischen Insel Lampedusa gestrandeten oder im Mittelmeer aufgegriffenen Flüchtlinge über Libyen als Transitstaat abschieben zu können. Frankreich übt Druck auf Mali aus, um zu erreichen, dass Mali als wichtiges Transitland für Flüchtlinge ausgeschaltet wird und über den Flughafen Bamako zentral Flüchtlinge aus der EU nach Afrika abgeschoben werden können. Seit Oktober besteht dort ein europäisches Migrationszentrum, um abgeschobene Flüchtlinge zu beraten und auf die malische Zivilgesellschaft einzuwirken, damit diese sich stärker dafür engagiert, dass weniger Menschen das Land verlassen.

Welche Auswirkungen wird eine solche Vorverlagerung der Außengrenze der EU auf die Situation der Flüchtlinge in Afrika haben?

Für die Flüchtlinge, die an der malischen Nordostgrenze entlang in Richtung Libyen und Algerien nach Europa gelangen wollen, ist die Situation in den Maghrebstaaten unglaublich schwierig geworden. Das liegt sowohl am Rassismus der maghrebinischen Bevölkerung gegenüber der subsaharischen schwarzen Bevölkerung, als auch wesentlich an der massiven Verfolgung von Flüchtlingen in dieser Region, die von verschiedenen EU-Einheiten indirekt gefördert wird. Diejenigen, die über den Atlantik zu den Kanarischen Inseln gelangen wollen, werden durch die Rücknahmeabkommen und den Einsatz von Patrouillenbooten immer weiter in Richtung Süden gedrängt, so dass die Boote zum Teil 2000 Kilometer unterwegs sind.

Welche Rolle spielen die Menschenrechte und die Fluchtursachen bei den Verhandlungen?

Formal spielen die Menschenrechte natürlich immer eine Rolle, weil die europäische Charta ihre Mitgliedstaaten darauf verpflichtet. Aber real sind sie nicht von Bedeutung. Der von Seiten der EU mit den afrikanischen Staaten verhandelte »Migrationspakt« berührt auch die Frage der Fluchtursachen nicht, da die bestehenden politischen Abhängigkeiten und ungerechten Freihandelsabkommen nicht thematisiert werden.

Fragen: Patrick Widera

* Aus: Neues Deutschland, 27. November 2008


D o k u m e n t i e r t

Auszug aus dem Dokument der MITTEILUNG DER KOMMISSION "Zirkuläre Migration und Mobilitätspartnerschaften zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten" vom 16. Mai 2007 *

III. Zirkuläre Migration

A. Einführung

Die Aufforderung des Europäischen Rates, nach Wegen zur Erleichterung der zirkulären Migration zu suchen, erging vor dem Hintergrund sich global verändernder Migrationsmuster und angesichts der Notwendigkeit für die Europäische Union, eine glaubwürdige Alternative zur illegalen Zuwanderung anzubieten. Die zirkuläre Migration wird zunehmend als wichtige Wanderungsform anerkannt, die, gut gesteuert, Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften weltweit in Übereinstimmung bringen und dadurch zu einer effizienteren Verteilung der verfügbaren Ressourcen und zum Wirtschaftswachstum beitragen kann.

Allerdings birgt die zirkuläre Migration auch Schwierigkeiten: Eine ursprünglich als zirkuläre Migration konzipierte Wanderung kann, wenn sie nicht ordnungsgemäß konzipiert und gesteuert wird, leicht dauerhaft werden und so ihr Ziel verfehlen.

In diesem Kapitel sind eine Reihe von Themen aufgeführt, mit denen die EU und ihre Mitgliedstaaten sich auseinander setzen müssen, um die vorteilhaftesten Möglichkeiten zur Erleichterung der zirkulären Migration zu ermitteln. Zunächst muss eine gemeinsame Definition des Konzepts der zirkulären Migration festgelegt werden. Außerdem müssen die verschiedenen Formen der zirkulären Migration, die für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten am relevantesten sind, ermittelt werden. Dabei könnte zwischen der Schaffung des rechtlichen Rahmens zur Erleichterung der zirkulären Migration und dem möglichen Ausbau der Programme für zirkuläre Migration unterschieden werden. Im Rahmen derartiger Programme könnten Migranten zu Arbeits- oder Studienzwecken oder zur Ausübung anderer Tätigkeiten innerhalb eines festgelegten Zeitraums in die EU einreisen und sich dort aufhalten. Schließlich müssen die Voraussetzungen und Garantien festgelegt werden, durch die sichergestellt werden kann, dass die Migration tatsächlich zirkulär ist.

B. Definition und Formen der zirkulären Migration

Die Europäische Union muss eindeutig festlegen, welche Art von zirkulärer Migration sie erleichtern will. Zirkuläre Migration kann definiert werden als eine Form der Migration, die so gesteuert wird, dass sie einen gewissen Grad an legaler Mobilität (Hin und Zurück) zwischen zwei Ländern zulässt.

Im EU-Kontext dürften vor allem zwei Formen zirkulärer Migration relevant sein:

(1) Zirkuläre Migration von in der EU ansässigen Drittstaatsangehörigen

Diese Kategorie der zirkulären Migration bietet Menschen die Möglichkeit zur Ausübung einer Tätigkeit in ihrem Herkunftsland (z.B. Geschäftstätigkeit, Berufstätigkeit, Freiwilligentätigkeit ) und der Beibehaltung ihres Hauptwohnsitzes in einem Mitgliedstaat. Unter diese Kategorien fallen verschiedene Gruppen wie
  • Geschäftsleute, die in der EU arbeiten und sich mit einer Geschäftstätigkeit in ihrem Herkunftsland (oder einem anderen Drittland) selbständig machen wollen; und
  • Ärzte, Professoren und Angehörige anderer Berufsgruppen, die ihr Herkunftsland unterstützen wollen, indem sie einen Teil ihrer Berufstätigkeit dort ausüben.
(2) Zirkuläre Migration von in einem Drittstaat aufhältigen Personen

Zirkuläre Migration könnte in einem Drittstaat aufhältigen Personen die Möglichkeit bieten, für einen befristeten Zeitraum zu Arbeits-, Studien-, Ausbildungszwecken oder einer Kombination von diesen in die EU einzureisen und sich dort aufzuhalten, sofern sie nach Ablauf der ihnen gewährten Genehmigung ihren Hauptwohnsitz und ihre Haupttätigkeit in ihr Herkunftsland zurück verlegen. Die zirkuläre Migration kann verstärkt werden, indem in ihr Herkunftsland zurückgekehrten Migranten die Möglichkeit einer privilegierten Mobilität zwischen ihrem Herkunftsland und dem Mitgliedstaat, in dem sie zuvor ihren Wohnsitz hatten, gewährt wird (z.B. in Form von vereinfachten Zulassungsverfahren und Verfahren für eine mehrfache Einreise).

Diese Kategorie umfasst eine breite Palette von Situationen, die das gesamte Migrantenspektrum abdecken:
  • Drittstaatsangehörige, die befristet in der EU arbeiten möchten (z.B. als saisonale Arbeitskräfte)
  • Drittstaatsangehörige, die in Europa studieren oder eine Ausbildung absolvieren wollen, bevor sie in ihr Heimatland zurückkehren
  • Drittstaatsangehörige, die nach Abschluss ihres Studiums in der EU arbeiten möchten (z. B. als Trainee), um Berufserfahrung zu sammeln, bevor sie in ihr Heimatland zurückkehren
  • Drittstaatsangehörige, die als Forscher arbeiten und ein Forschungsprojekt in der EU durchführen möchten
  • Drittstaatsangehörige, die an einem interkulturellen Austausch oder anderen kulturellen Veranstaltungen in den Bereichen aktive Bürgerschaft, Bildung und Jugend (z.B. Weiterbildungskurse, Seminare, Studienbesuche, einschlägige Veranstaltungen) teilnehmen möchten
  • Drittstaatsangehörige, die einen unentgeltlichen Freiwilligendienst absolvieren wollen, der den allgemeinen Interessen der EU dient.
C. Schaffung eines rechtlichen Rahmens der EU zur Förderung der zirkulären Migration

Die bestehenden Zuwanderungsgesetze zahlreicher Mitgliedstaaten enthalten bereits Regeln, die die zirkuläre Migration fördern, indem sie allen oder bestimmten Kategorien von rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen das Recht gewähren, das Land für einen bestimmten Zeitraum zu verlassen ohne ihren Rechtsstatus zu verlieren; allerdings sind die Voraussetzungen und jeweils erfassten Situationen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich. Die zirkuläre Migration bestimmter Kategorien von Migranten könnte allerdings durch die Angleichung der einschlägigen Rechtsvorschriften weiter erleichtert werden.

Maßnahmen zur Förderung der zirkulären Migration könnten insbesondere in einige der künftigen Rechtsinstrumente aufgenommen werden, die im Strategischen Plan zur legalen Zuwanderung bereits angekündigt sind:

- Vorschlag für eine Richtlinie über die Zulassung hochqualifizierter Migranten:
  • Vorbehaltlich weiterreichender Prüfung könnten Maßnahmen zur Förderung der zirkulären Migration die Zulassungsverfahren für Migranten, die sich bereits für einen bestimmten Zeitraum rechtmäßig in der EU aufgehalten haben (zur Ausführung hochqualifizierter Arbeit, Studien oder sonstiger Ausbildungsformen) weiter erleichtern.
- Vorschlag für eine Richtlinie über die Zulassung saisonal beschäftigter Migranten:
  • Die wichtigste Maßnahme zur Förderung der zirkulären Migration wäre die Einführung einer mehrjährigen Aufenthalts- bzw. Arbeitsgenehmigung für saisonal beschäftigte Migranten, dank derer sie mehrere Jahre in Folge Saisonarbeit leisten dürfen.
- Vorschlag für eine Richtlinie über die Zulassung bezahlter Auszubildender:
  • Die Möglichkeit für Drittstaatsangehörige, für einen zuvor festgelegten Zeitraum zur Ausbildung nach Europa zu kommen, dürfte die Mobilität von Fachkräften fördern und zum Transfer von Know-how beitragen. Um die zirkuläre Bewegung zu verstärken, könnte der Vorschlag für ehemalige Auszubildende die Möglichkeit vorsehen, für begrenzte Zeiträume erneut nach Europa zu kommen, um ihre Ausbildung zu vervollständigen und ihre Kenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen.
Die Kommission wird auch prüfen, ob die Einführung harmonisierter Zulassungsverfahren für andere Kategorien legaler Migranten der zirkulären Migration förderlich wäre.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Kommission zu gegebener Zeit Änderungen an den bestehenden Rechtsinstrumenten vorschlagen wird, um die zirkuläre Migration weiter zu fördern. Sie wird sich dabei in erster Linie an den nachstehenden Rechtsinstrumenten orientieren:

- Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen:
  • In Artikel 9 dieser Richtlinie ist festgelegt, dass einem Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten entzogen wird, wenn er sich während eines Zeitraums von 12 aufeinanderfolgenden Monaten nicht im Hoheitsgebiet der Gemeinschaft aufgehalten hat. Dieser Zeitraum könnte auf zwei oder drei Jahre erweitert werden.
- Richtlinie 2004/114/EG über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst und Richtlinie 2005/71/EG über ein besonderes Zulassungsverfahren für Drittstaatsangehörige zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung:
  • Eine mögliche Änderung wäre die Einführung von Aufenthaltsgenehmigungen für mehrfache Einreisen, die es ihrem Inhaber ermöglichen, sich während längerer Zeiträume nicht im Hoheitsgebiet der EU aufzuhalten ohne seine Aufenthaltsberechtigung zu verlieren [1].
  • Eine andere Möglichkeit bestünde darin, die optionalen Klauseln dieser Richtlinien, die es den Mitgliedstaaten anheim stellen, vereinfachte oder beschleunigte Zulassungsverfahren für Migranten vorzusehen, die sich zuvor als Forscher oder Studenten in der EU aufgehalten haben, in ein Recht auf beschleunigte Zulassungsverfahren für diese Kategorie von Migranten umzuwandeln, sofern sie nach Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung in ihr Heimatland zurückgekehrt sind.
  • Schließlich könnte es möglich sein, die beiden Richtlinien miteinander zu verknüpfen und für Drittstaatsangehörige, die sich zuvor als Studenten in der EU aufgehalten haben und nach Abschluss ihres Studiums ordnungsgemäß in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, die für Forscher geltenden Zulassungsverfahren (d.h. an weniger Bedingungen geknüpft) vorzusehen. Dieses Konzept könnte dahingehend erweitert werden, dass Studenten einen Zulassungsantrag stellen können, während sie sich noch in dem Mitgliedstaat aufhalten, in dem sie ihr Studium absolvieren; dies wäre aller nur unter der Voraussetzung möglich, dass der Antrag vor Ablauf der Aufenthaltsgenehmigung zu Studienzwecken gestellt wird.
D. Gewährleistung einer wirklich zirkulären Migration

Um sicherzustellen, dass die mit der zirkulären Migration angestrebten Ziele und der langfristige Nutzen tatsächlich erreicht werden, müssen praxisrelevante Bedingungen und Garantien vereinbart werden. Die Kommission beabsichtigt, auf der Grundlage dieser Mitteilung eine Debatte zu dem Thema zu führen und sich insbesondere mit den Mitgliedstaaten mit der Frage zu befassen, welche Maßnahmen zur Gewährleistung einer echten zirkulären Migration erforderlich sind.

(1) Anreize zur Förderung der zirkulären Migration

Eine Reihe von Anreizen könnten in die politischen Instrumente der EU zur Förderung der zirkulären Migration aufgenommen werden, z.B.
  • Die Aussicht auf künftige Möglichkeiten der legalen Migration in die EU: Die Zusage fortdauernder Mobilität im Gegenzug zur Einhaltung der einschlägigen Regeln und Bedingungen wird die Versuchung einer nicht fristgemäßen Rückkehr in das Herkunftsland reduzieren. Die Palette der anzubietenden Optionen muss geprüft werden. Obwohl sie wahrscheinlich je nach Kategorie der Migranten unterschiedlich sein wird, muss das Ziel darin bestehen, Bona-fide-Migranten zu „belohnen“. Die vorstehend genannten Anreize könnten näher in Betracht gezogen werden (z.B. Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für mehrfache Einreise, Möglichkeit mehrerer befristeter Rückkehren ins Herkunftsland, vereinfachte und beschleunigte Zulassungsverfahren für Migranten, die sich bereits während eines bestimmten Zeitraums in der EU aufgehalten haben und nach Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung freiwillig in ihr Heimatland zurückgekehrt sind usw.).
  • Möglichst reibungslose (insbesondere berufliche) Wiedereingliederung der in ihr Heimatland zurückkehrenden Migranten: Darunter könnte die Unterstützung der Rückkehrer bei der Arbeitssuche und/oder beim Aufbaus eines Geschäfts fallen; Unterstützung der Herkunftsländer bei der Anerkennung nicht unmittelbar beschäftigungsrelevanter Kenntnisse, die die Rückkehrer während ihres Auslandsaufenthalts erworben haben; eine Wiedereingliederungsprämie, steuerbegünstigte Sparkonten in den Heimatländern der Migranten, besondere Wohnungsbauprogramme, Unterstützung, damit in ihr Heimatland zurückkehrende Forscher ihre Forschungsarbeit fortsetzen können oder – im Falle von Studenten – ihr Stipendium einige Jahre nach ihrer Rückkehr weiterhin gültig ist. Die Gemeinschaft und/oder interessierte Mitgliedstaaten könnten vereinbaren, derartige Maßnahmen, insbesondere im Rahmen der Mobilitätspartnerschaften (s. Kapitel II) zu fördern.
(2) Gewährleistung der tatsächlichen Rückkehr

Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, dass die Migranten nach Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung in ihr Heimatland zurückkehren. Es wird ein Verzeichnis aller Maßnahmen aufgestellt werden, mit denen die Rückkehr gewährleistet oder gefördert werden kann. Eine Maßnahme, die in Betracht gezogen und in den rechtlichen Rahmen aufgenommen werden könnte, wäre die schriftliche Verpflichtung der Migranten, nach Auslaufen ihres Vertrags freiwillig in ihr Heimatland zurückzukehren. Falls Migranten ihren Aufenthalt im Hoheitsgebiet der EU unrechtmäßig verlängern anstatt nach Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung freiwillig in ihr Heimatland zurückzukehren, müsste die Rückübernahme durch das Herkunftsland erfolgen. Dies wäre leichter durchzuführen, wenn es Rückübernahmeabkommen zwischen der EG oder dem betreffenden Mitgliedstaat und dem Herkunftsland gäbe.

(3) Kontrolle der zirkulären Migration

Programme für zirkuläre Migration müssten sorgfältig kontrolliert werden – und zwar sowohl in Bezug auf ihre Konzeption als auch auf ihre Umsetzung in der Praxis, um sicherzustellen, dass die angestrebten Ziele – Reaktion auf den Arbeitsmarktbedarf in der EU und Beitrag zur Entwicklung der Herkunftsländer - erreicht werden und dass die zirkuläre Migration nicht dauerhaft wird. Es sollten Kriterien für die Kontrolle der Programme festgelegt werden. Außerdem sollte im Rahmen der Evaluierung der Umsetzung der einschlägigen EGRichtlinien bewertet werden, welchen Beitrag diese Richtlinien zur zirkulären Migration leisten.

(4) Reduzierung der Gefahr der Abwanderung von Fachkräften

Zahlreiche Entwicklungsländer leiden unter der Abwanderung von spezifischen Kategorien von Migranten, bei denen es sich in der Regel um hoch oder mittelmäßig qualifizierte Fachkräfte handelt. Wenn diese Abwanderung in für die Entwicklung der Bevölkerung wichtigen Bereichen wie dem Bildungs- oder Gesundheitswesen konzentriert ist, kann dies katastrophale Auswirkungen auf die Fähigkeit des Landes haben, seine Bevölkerung mit den grundlegenden Diensten zu versorgen. Gleichzeitig ist die Braindrain-Gefahr nicht weltumfassend und muss gegen die möglichen positiven Auswirkungen der Auswanderung auf die Entwicklung in den Herkunftsländern abgewogen werden.

Bis zu einem gewissen Grad kann die zirkuläre Migration die langfristige Gefahr des Braindrain eindämmen, allerdings sind dazu noch weitere Maßnahmen erforderlich9.

Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Braindrain sollten auf die Situation des betreffenden Landes zugeschnitten sein. Sie könnten folgende Elemente umfassen: Verpflichtung seitens der EU-Mitgliedstaaten, keine Arbeitskräfte aus den Berufsgruppen, bei denen in dem betreffenden Land Abwanderung droht, einzustellen; Verfahren, um es den in das betreffende Drittland zurückkehrenden Fachkräften zu erleichtern, ihr Arbeitsleben zwischen zwei Ländern zu gestalten; oder Unterstützung des Partnerlandes durch die Gemeinschaft und/oder Mitgliedstaaten, um im Land ausreichend attraktive Berufsmöglichkeiten, insbesondere für Hochqualifizierte zu schaffen und damit eine Alternative zur Auswanderung zu bieten.

(5) Partnerschaft mit Drittländern

Dialog und Zusammenarbeit mit Drittländern – im Bereich Migration und den damit verbundenen Bereichen Beschäftigung, Sozialpolitik und allgemeine bzw. berufliche Bildung – ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass die zirkuläre Migration ordnungsgemäß verläuft und für beide Seiten fruchtbar ist. Möglichst auf der Grundlage der bestehenden institutionellen Rahmen für Dialog und Zusammenarbeit sollten eine Reihe Drittländer, die an der Förderung der zirkulären Migration, möglicherweise als Bestandteil der Mobilitätspartnerschaften, interessiert sein könnten, konsultiert werden. Bei der Entwicklung von Strategien ist den Interessen der Drittländer im allgemeinen und der Braindrain-Gefahr im besonderen (obwohl eine gut gesteuerte Migration dieser Gefahr grundsätzlich entgegenwirken sollte) sowie möglichen Maßnahmen zur Eindämmung derartiger Gefahren Rechnung zu tragen. Die Drittländer sollten ermuntert werden, rechtliche und administrative Regelungen zur Erleichterung der zirkulären Migration festzulegen. Partnerländer sollten sich insbesondere verpflichten, die Beschäftigungschancen zu erhöhen und einen besseren Ausgleich zwischen der Nachfrage nach Arbeitskräften und dem Arbeitskräfteangebot herzustellen; ferner sollten sie dafür sorgen, dass die Berufs- und Sprachausbildung, die Fähigkeit, den Bedarf und die Nachfrage nach Fertigkeiten vorherzusehen, und die Bereitstellung von Informationen über die Arbeitskräftenachfrage im Ausland verbessert werden. Die Partnerländer könnten auch Unterstützung erfahren, indem die rückkehrenden Migranten befähigt werden, einen effektiven Beitrag zu ihrer Heimatgesellschaft zu leisten. Die Partnerländer müssten sich auch zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der irregulären Migration und des Menschenhandels verpflichten und garantieren, dass ihre an zirkulären Migrationsprogrammen teilnehmenden Staatsangehörigen nach Auslaufen oder Beendigung ihres Vertrags in ihr Heimatland zurückkehren können und zugelassen werden. Die Partnerländer sollten sich auch bemühen, Anreize für die Rückkehr und die Wiedereingliederung zu schaffen, einschließlich aktiver Maßnahmen zur Förderung produktiver Beschäftigung und menschenwürdiger Arbeitsbedingungen.

(6) Bilaterale Abkommen zur Förderung einer sicheren zirkulären Migration

Zusätzlich zum allgemeinen Rahmen und den Strategien auf EU-Ebene könnten bilaterale Abkommen zwischen Aussendeländern und interessierten EU-Mitgliedstaaten ein nützliches Mittel zur Förderung und Erleichterung der zirkulären Migration sein, wobei allerdings den Zuständigkeiten der Gemeinschaft in vollem Umfang Rechnung getragen werden muss. Die Abkommen können dazu beitragen, das Angebot und die Nachfrage nach Arbeitskräften in Einklang zu bringen, insbesondere im Falle von Partnerschaften zwischen den Arbeitsvermittlungsdiensten und Arbeitsmarktagenturen auf beiden Seiten, und somit eine rasche Reaktion auf das Arbeitskräfteerfordernis des betreffenden EU-Mitgliedstaats ermöglichen. Derartige Abkommen können die Handhabung einiger der flexibleren Anreize für zirkuläre Migration, z.B. Stipendien für „zirkuläre“ Studenten, Trainees oder Teilnehmer an interkulturellem Jugendaustausch, stark erleichtern. Schließlich können bilaterale Abkommen auch dazu beitragen, dass durch zirkuläre Migrationsprogramme den Sektoren, die für die Herkunftsländer am wichtigsten ist, Priorität eingeräumt und einem möglichen Braindrain entgegengewirkt wird. Die Verknüpfung des EU-Rahmens mit bilateralen Abkommen könnte Synergien erzeugen, die für alle Betroffenen von Nutzen wären und ausführlicher erörtert werden müssen.

IV. Schlussfolgerung: Weiteres Vorgehen

Das Thema „Erleichterung der legalen Wanderungen zwischen Drittstaaten und der EU und insbesondere der zirkulären Migration“ ist wichtig und vielschichtig. Bei angemessener Behandlung dieser Problematik könnte dies dazu beitragen, dass der Arbeitsmarktbedarf der EU-Mitgliedstaaten gedeckt werden kann und die Herkunftsländer die Vorteile der Migration optimal nutzen, ihre negativen Auswirkungen eindämmen und gleichzeitig zahlreiche Anreize für illegale Migration reduzieren können.

Um das Konzept der zirkulären Migration und seiner praxisbezogenen Anwendung weiter zu entwickeln, wird die Kommission zunächst ein Konsultationsverfahren auf der Grundlage dieser Mitteilung starten, um die Ansichten und Erfahrungen anderer Gemeinschaftsorgane, der Mitgliedstaaten und der Interessenvertreter kennenzulernen. Das Konsultationsverfahren könnte sich auf einen Zeitraum von mindestens drei Monaten erstrecken. Die zu behandelnden Themen könnten Zuständigkeitsbereiche der EG berühren und Änderungen der EG Rechtsvorschriften über die Zulassung für bestimmte Kategorien von Migranten erfordern. Sie werden voraussichtlich auch nationale Zuständigkeitsbereiche berühren, z.B. bei Entscheidungen über die Zulassung einzelner Migranten.

Darüber hinaus wird die Kommission Sondierungsgespräche mit einer begrenzten Anzahl von Ländern führen, die an Mobilitätspartnerschaften potenziell interessiert und bereit sind, sich zur aktiven Zusammenarbeit mit der EU bei der Steuerung von Migrationsströmen, einschließlich der Bekämpfung der illegalen Migration in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der EU, insbesondere in den Bereichen Rückübernahme und Rückkehr, zu verpflichten.

Vor diesem Hintergrund erfordert die Entwicklung wirksamer Strategien zur Förderung der zirkulären Migration und zur Entwicklung von Mobilitätspartnerschaften eindeutig eine größere Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, um optimale Synergien zwischen den Tätigkeiten auf EG-Ebene und denen auf nationaler Ebene zu erzeugen und um die Achtung der jeweiligen Zuständigkeiten zu gewährleisten. Um mehr Erfahrung zu gewinnen, könnte finanzielle Hilfe für Pilotvorhaben zur Förderung der zirkulären Migration in Sektoren oder Berufen, die für die Herkunftsstaaten und die Mitgliedstaaten von gleich großem Interesse sind, bereitgestellt werden.

Die Kommission beabsichtigt auch, diese Themen, insbesondere die Themen,, die unter den Gesamtansatz zur Migrationsfrage fallen bzw. fallen werden, in den politischen Dialog und in ihre Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich Migration und damit verbundenen Bereichen einzubringen. Sie hofft, dass die skizzierten Leitlinien einen Beitrag zur globalen Debatte über Möglichkeiten der wirksameren Steuerung der internationalen Migration und insbesondere zu den Diskussionen im Rahmen des Globalen Forums für Internationale Migration und Entwicklung leisten werden.

Fußnoten
  1. Der Inhaber wäre berechtigt, sich während eines festgelegten Zeitraums, der in mehrere Zeiträume aufgeteilt werden könnte, zwischen denen er in sein Herkunftsland zurückkehrt, in der EU aufzuhalten und gegebenenfalls zu arbeiten.
  2. Weitere Informationen zum Thema "Abwanderung von Fachkräften" in der Mitteilung der Kommission zu Migration und Entwicklung. Diese Mitteilung und die Mitteilung “EU-Strategie über Maßnahmen zur Bekämpfung des akuten Fachkräftemangels im Gesundheitswesen der Entwicklungsländer” - KOM(2005) 642 - enthalten praxisrelevante Antworten auf die Braindrain- Gefahr. Eines der Ziele der regelmäßig aktualisierten Migrationsprofile besteht darin, für jedes interessierte Entwicklungsland die Sektoren und Berufskategorien zu ermitteln, bei denen eine Abwanderung der Fachkräfte droht.
Quelle: KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN;
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2007/com2007_0248de01.pdf
Seite 9-16



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