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"Für die Vereinigten Staaten ist der Hauptkommunikationsweg weiterhin die NATO"

Programmatische außenpolitische Rede des Staatssekretärs für politische Angelegenheiten im US-Außenministerium, Nicholas Burns

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede des Staatssekretärs für politische Angelegenheiten im US-Außenministerium, Nicholas Burns, im Königlichen Amt für internationale Angelegenheiten in London vom 6. April 2005. Die Rede hat ähnlich programmatischen Charakter wie sein Grundsatzartikel, den er - damals noch als US-Botschafters bei der NATO - im Juni 2004 im Electronic Journal des US-Außenministeriums veröffentlicht hatte. (Siehe: "... müssen unsere europäischen Bündnispartner mehr Geld für die Verteidigung aufwenden". Die Übersetzung stammt vom Amerika Dienst.



Eine transatlantische Agenda für das kommende Jahr

Rede des Staatssekretärs für politische Angelegenheiten, Nicholas Burns, im Königlichen Amt für internationale Angelegenheiten vom 6. April 2005, London

Zunächst möchte ich Professor Victor Bulmer-Thomas für seine freundliche Einladung danken, heute Abend bei Ihnen zu sein. Ich freue mich sehr über diese Gelegenheit, meine erste außenpolitische Rede als Staatssekretär für politische Angelegenheiten im Chatham House zu halten. Das Königliche Amt für internationale Angelegenheiten und dieses Gebäude, Chatham House, haben eine lange Tradition bedeutender intellektueller Beiträge zu den wesentlichen politischen Angelegenheiten des Tages, und die Zukunft der transatlantischen Beziehungen fällt sicherlich in diese Kategorie. Ich werde zwar als Diskussionsanregung zunächst meine Ansichten darlegen, bin aber weitaus mehr daran interessiert, danach Ihre Kommentare und Gedanken zu hören. Zweifellos werde ich ebenso viel von Ihnen lernen wie Sie möglicherweise von mir.

Ich war zuletzt acht Jahre in Europa tätig - als Amerikanischer Botschafter in Griechenland und bei der NATO - und habe jetzt eine neue Position in Washington als Staatssekretär für politische Angelegenheiten mit Verantwortung für die amerikanische Politik in allen Regionen der Welt übernommen. Es ist eine groß angelegte Agenda, die die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten sowie ihre Verantwortung für Sicherheit, Stabilität und Frieden überall auf der Welt widerspiegelt.

Als Berufsdiplomat bin ich davon überzeugt, dass unser Erfolg bei diesem anspruchsvollen Vorhaben unmittelbar von unserer Fähigkeit zur engen und produktiven Zusammenarbeit mit Europa zusammenhängt. Deshalb ist es nur angemessen, meine Amtszeit hier in Europa - unserem unverzichtbarem Partner - und insbesondere hier in Großbritannien, unserem verlässlichsten und unverzichtbaren Bündnispartner zu beginnen.

Ich bin in London, um an Treffen der G8-Länder und an einer wichtigen Zusammenkunft der Kontaktgruppe zur Zukunft des Kosovo teilzunehmen. Meine europäischen Kollegen und ich nehmen uns auch Zeit, neue Wege zum Einsatz unserer transatlantischen Partnerschaft und zur Bewältigung vieler der Herausforderungen zu sondieren, die sich uns heute auf der Welt stellen.

Ich bin davon überzeugt, dass 2005 ein besseres - produktiveres und geeinteres - Jahr für die Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Europa werden wird. Langsam aber sicher überwinden wir die durch den Irakkrieg verursachten Spannungen, Meinungsverschiedenheiten und Spaltungen. Wir debattieren nicht mehr über die Gründe für diesen Krieg, sondern beschäftigen uns mit einer sachdienlicheren Frage, die dieses Jahr beantwortet werden muss: Wie können wir gemeinsam eine neu gewählte irakische Regierung unterstützen?

Auf höchster Ebene haben die Vereinigten Staaten und Europa eine ehrgeizige strategische Agenda aufgestellt: für Frieden im Irak und in Afghanistan, Fortschritte in Bosnien und im Kosovo, bessere Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine, größere Freiheiten in der gesamten Region des Nahen Ostens, Stabilität in Südasien und eine gemeinsame amerikanische und europäische Politik in Ostasien.. Zusammen kommen wir unserer gemeinsamen Verpflichtung im Kampf gegen Armut, AIDS, Bürgerkrieg und Ungerechtigkeit in Afrika und Gesamtamerika nach.

Der Europabesuch von Präsident Bush und Außenministerin Rice im Februar, ihre erste internationale Reise während der zweiten Amtszeit des Präsidenten, untermauerte diese Agenda. Dieser erfolgreiche Besuch gab auch den neuen Ton für die transatlantischen Beziehungen vor und stellte uns neue und herausfordernde Aufgaben für das Jahr 2005 und danach.

Wir Amerikaner wissen, dass die Chancen auf Erfolg weitaus größer sind, wenn wir partnerschaftlich mit Europa zusammenarbeiten. Wir werden daher die NATO, unsere wichtigste transatlantische Brücke, weiter vorrangig auf neue Herausforderungen vorbereiten, unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie schwierige friedenserhaltende Missionen weit entfernt von der Heimat der NATO in Europa. Wir sind außerdem entschlossen, mehr mit der Europäischen Union zusammenzuarbeiten. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Vor kurzem entschieden sich die Vereinigten Staaten zur Unterstützung der EU-3 [Frankreich, Deutschland, Großbritannien] bei ihren Verhandlungen über die Abgabe objektiver Garantien seitens Irans, dass kein Atomwaffenprogramm angestrebt werde.

Im Rahmen der Vereinten Nationen arbeiten die Vereinigten Staaten eng mit Europa an der Bewältigung der humanitären Katastrophe im Sudan zusammen. In den letzten beiden Wochen unterstützten die Vereinigten Staaten erfolgreiche Resolutionen für einen Friedenseinsatz zur Vermeidung weiteren Blutvergießens im Sudan. Außerdem wurden Sanktionsmaßnahmen beschlossen. Die Vereinigten Staaten trafen vorigen Donnerstag im UN-Sicherheitsrat außerdem die schwierige Entscheidung, sich bei der französischen Resolution zur Anerkennung des Internationalen Strafgerichtshofs als zuständiges Gericht zu enthalten. Wir taten dies, um es der internationalen Gemeinschaft zu ermöglichen, bei einem überaus dringlichen humanitären Problem mit einer Stimme zu sprechen.

In der G8 wünschen die Vereinigten Staaten die Zusammenarbeit mit Großbritannien und anderen Mitgliedern zur tatkräftigen Konfrontation der Herausforderungen Armut, AIDS und Entwicklung in Afrika und andernorts.

Der neue Geist des Kompromisses

All dies sind Beispiele für einen erneuerten Geist des Kompromisses, der Zielsetzung und der Einheit in den transatlantischen Beziehungen. Ich weiß, dass es auf beiden Seiten des Atlantiks Mode war zu argumentieren, dass die Differenzen bezüglich des Irakkriegs, des Kyotoprotokolls und des Internationalen Strafgerichtshofs zur Trennung oder sogar zur Scheidung unserer langen transatlantischen Ehe führen würden. Offen gesagt, glaube ich das einfach nicht. Wir haben zu viel gemeinsame Geschichte, zu viele gemeinsame Werte, zu viele wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Kerninteressen, um unterschiedlicher Weg zu gehen. Präsident Bush sagte am 21. Februar in Brüssel, für die Vereinigten Staaten und Europa "ist unsere starke Freundschaft unerlässlich für weltweiten Frieden und Wohlstand - und keine vorübergehende Debatte, keine zeitweiligen Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungen, keine Macht der Erde wird uns jemals auseinander bringen."

Sicherlich hatten wir in den letzten Jahren einige Meinungsverschiedenheiten. Mir scheint, wir haben im Durchschnitt eine wirklich ernsthafte transatlantische Auseinandersetzung pro Jahrzehnt. Denken Sie nur an Suez 1956, Vietnam in den sechziger und siebziger Jahren, die Streitigkeiten über Pershing-Raketen und sowjetische Pipelines in den Achtzigern sowie bittere Auseinandersetzungen über Bosnien Anfang der Neunziger. Während jeder dieser Krisen stritten wir uns leidenschaftlich, oft in der Öffentlichkeit und sagten manchmal Dinge, die wir vielleicht lieber nicht gesagt hätten. Wir haben alle diese Stürme überlebt. Unser Bündnis war vielleicht manchmal Spannungen ausgesetzt, aber es brach nie auseinander. Tatsächlich glaube ich, dass uns jede Auseinandersetzung stärker gemacht und die dauerhaften Bande, die uns zusammenhalten, gestärkt hat. Und so wird es meines Erachtens auch mit dem Irak sein.

Globale diplomatische Agenda 2005

Es ist sicherlich richtig, dass wir nicht zurückblicken dürfen, sondern eine zukunftsweisende Agenda brauchen, über die sich Europa und die Vereinigten Staaten einig sind und die sie partnerschaftlich verfolgen. Unsere diplomatische Agenda für das Jahr 2005 ist für die Kerninteressen Europas und der Vereinigten Staaten gleichermaßen entscheidend. Ich möchte kurz auf acht der zahlreichen Herausforderungen zu sprechen kommen, denen wir uns dieses Jahr gegenüber sehen werden.

1. Ganz oben auf unserer Liste steht die Notwendigkeit, eine effektivere Partnerschaft der täglichen Zusammenarbeit zwischen Europa und den Vereinigten Staaten zu schaffen.

Es gab in letzter Zeit viele Diskussionen über die Notwendigkeit verbesserter transatlantischer Kommunkationswege. Für die Vereinigten Staaten ist der Hauptkommunikationsweg weiterhin die NATO. Präsident Bush sagte in Brüssel: "Die NATO ist das erfolgreichste Bündnis der Geschichte der Welt" und "... dank der NATO ist Europa ungeteilt, geeint und friedlich." Die Vereinigten Staaten möchten die NATO intensiver und effektiver als wichtigstes transatlantisches Forum für strategische Erörterungen der entscheidenden aktuellen Probleme nutzen. Der Besuch von Präsident Bush und Außenministerin Rice beim NATO-Hauptsitz als Kernstück ihres Brüsselaufenthalts diente als Beweis hierfür. Und erst vor zwei Tagen traf sich der Stellvertretende Außenminister Robert Zoellick dort auch mit dem Nordatlantikrat.

Unser Bekenntnis zur NATO ergänzt die Bedeutung, die wir einem verstärkten Dialog mit der Europäischen Union beimessen, wobei wir auf dem ersten Treffen zwischen einem US-Präsidenten und der Europäischen Kommission aufbauen. Auf den Vorschlag von Javier Solana hin haben wir uns zum Ausbau unserer strategischen Verbindungen mit der EU entschlossen. Nächste Woche werde ich einer der Vorsitzenden des Dialogs zwischen den Vereinigten Staaten und der EU auf hochrangiger Ebene (U.S.-EU Senior Level Dialogue) sein. Wir hoffen, dieses Forum für einen regelmäßigen hochrangigen politischen Dialog über das gesamte Spektrum politischer und strategischer Fragen zu nutzen. Wir freuen uns auf die enge Zusammenarbeit mit Großbritannien, wenn es im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.

2. Zusammenarbeit bei der Reform der Vereinten Nationen

Die Reform der Vereinten Nationen stellt eine zweite Herausforderung dar. Die Vereinigten Staaten und Europa sind sich der Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der Vereinten Nationen bewusst. Noch nie benötigte die Welt effektive Vereinte Nationen dringender. Generalsekretär Kofi Annan hat eine ernst zu nehmende Analyse der Herausforderungen für die Vereinten Nationen und jene, die ihnen Erfolg wünschen, dargelegt. Wie bei jeder so umfassenden Studie finden die Vereinigten Staaten einige Dinge, mit denen sie übereinstimmen, und einige, die sie nicht unterstützen können. Lassen Sie mich zwei Themenbereiche herausgreifen: die vorgeschlagene Kommission für Frieden und die Reform des UN-Sicherheitsrats.

Es gibt breite Unterstützung seitens der amerikanischen Regierung für eine Friedenskommission, die die Fähigkeiten der Vereinten Nationen zum Friedensaufbau nach Konflikten verbessern soll. Wir möchten mit Europa zusammenarbeiten, um dies zu einem Kernstück der Aufgabe der Vereinten Nationen zu machen. Die Vereinigten Staaten erkennen die Notwendigkeit dieser Art von Wiederaufbau- und Stabilisierungsfähigkeiten und erarbeiten in Absprache mit den Vereinten Nationen eine ergänzende Initiative im Außenministerium.

Die Reform des UN-Sicherheitsrats ist eine besonders schwierige Herausforderung. Wir werten die verschiedenen Vorschläge aus und werden denjenigen unterstützen, der am besten unserem Ziel der verbesserten Effektivität des Sicherheitsrats entspricht. Während wir voranschreiten sollten wir versuchen, Spaltungen zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu vergrößern. Ziel dieser Reform ist eine Stärkung der Vereinten Nationen, keine Schwächung.

3. Dauerhafter Frieden und Stabilität auf dem Balkan

Im kommenden Jahr müssen die Vereinigten Staaten und Europa auch die letzte Phase des gemeinsamen Feldzugs beginnen, der dauerhaften Frieden, dauerhafte Stabilität und Demokratie für die Menschen in Bosnien und im Kosovo unterstützen und sicherstellen soll, dass alle Nationen in Südosteuropa die Aussicht auf eine Zukunft in Verbindung mit der NATO und der Europäischen Union haben.

Die Europäische Union hat die Herausforderung, die Friedensmission der NATO in Bosnien zu übernehmen, gemeistert. Mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft hat Bosnien-Herzegowina seine blutige Vergangenheit hinter sich gelassen und steht bereit, den vor zehn Jahren bei den Friedensgesprächen von Dayton begonnenen langen Prozess des Friedensaufbaus abzuschließen.

Für den Kosovo ist 2005 ein Jahr der Entscheidungen. Heute haben meine Kollegen und ich in der Kontaktgruppe betont, wie wichtig es ist, dass der Kosovo die Standards einhält. Wir hoffen, dass dies Ende des Jahres einen Prozess zum endgültigen Status einleiten wird. Unseres Erachtens müssen allen Kosovaren, einschließlich der Albaner und Serben, einen Dialog führen und auf ein demokratisches, multiethnisches Kosovo hinarbeiten, in dem die Rechte und Sicherheit aller respektiert werden.

Wir sehen die Zukunft Südosteuropas als Teil eines ungeteilten, freien und friedlichen Europas. Aber bevor dies geschehen kann, müssen berüchtigte Kriegsverbrecher wie Ratko Mladic, Radovan Karadzic und Ante Gotovina gefangen genommen, ausgeliefert und vor dem internationalen Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) angeklagt werden. Die Massaker von Srebrenica, die schlimmsten in Europa seit dem Holocaust, jähren sich bald zum zehnten Mal. Wir dürfen die tausenden Opfer dieser und anderer Gräueltaten nicht vergessen. Es muss für alle Völker auf dem Balkan Gerechtigkeit geben.

4. Transatlantischer Dialog mit Russland und der Ukraine

Wir wissen auch, dass wir das strategische Ziel eines "ungeteilten, freien und friedlichen Europas" nicht ohne einen erfolgreichen amerikanischen und europäischen Dialog mit Russland und der Ukraine erreichen können, in den Ländern des Kaukasus und Zentralasiens. Der Aufbau engerer strategischer Beziehungen mit der Ukraine und Russland gehört zu den wichtigsten Zielen der NATO im kommenden Jahr. Die Vereinigten Staaten unterstützen die Fortsetzung der Arbeit der NATO mit Russland bei der Bekämpfung des Terrorismus, der Weiterverbreitung von Waffen und dem Schutz unserer Bevölkerung vor chemischen und biologischen Angriffen. Wir wünschen uns Fortschritte bei den Beziehungen zwischen der NATO und Russland. Gleichzeitig werden die Vereinigten Staaten nicht zögern, sich für demokratische Freiheiten in Russland und den Rückzug des russischen Militärs aus Georgien und Moldawien einzusetzen.

Bezüglich der Ukraine sind die Vereinigten Staaten überzeugt von der Notwendigkeit, die Unterstützung für Präsident Juschtschenko zu verstärken und die Beziehungen der Ukraine mit der NATO weit über das auszuweiten, was wir mit seinem Vorgänger, Leonid Kutschma, hatten. Präsident Bush sagte am Montag in Washington, als er neben Präsident Juschtschenko stand, er "befürworte die Idee einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine". Der Präsident merkte an, dass die ukrainische Regierung bestimmte Maßnahmen zur Erfüllung der Bedingungen ergreifen müsse und dass wir der Ukraine behilflich sein wollen, diesen Weg so schnell wie möglich einzuschlagen. Wir hoffen, dass sich alle unsere europäischen Bündnispartner unserer Ansicht anschließen, dass die Zukunft der Ukraine in der fest verankerten Verbindung mit der NATO wie auch der EU liegt.

5. Frieden und langfristige Umgestaltung im Nahen Osten

Die Unterstützung der Menschen im Nahen Osten bei der Erlangung von Frieden, Freiheit und Wohlstand ist unsere dringlichste Herausforderung im Jahr 2005. Wir haben heute die beste Chance seit Jahren und vielleicht die beste Chance, die sich für viele Jahre bieten wird, um den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern beizulegen - einen Konflikt den viele als Ursache der Instabilität in der Region sehen. Die Vereinigten Staaten und Europa unterstützen eine Zweistaatenlösung: einen unabhängigen und demokratischen palästinensischen Staat, der in friedlicher Koexistenz mit Israel lebt. Wir unterstützen zur Erlangung dieses Ziels einen Friedensplan, der erhebliche Anstrengungen sowohl seitens der Palästinenser als auch der Israelis erfordert. Die historischen Wahlen am 9. Januar haben dem Reformprozess der palästinensischen Autonomiebehörde neue Impulse verliehen. Wir haben uns der Unterstützung dieses Prozesses verpflichtet, insbesondere bei der Konferenz am 1. März hier in London, deren Gastgeber Premierminister Blair war. Beide Parteien tragen Verantwortung, der sie nachkommen müssen. Hierzu zählt unter anderem die Beendigung der Terrorangriffe, die Zusammenarbeit für den Aufbau einer gesunden Volkswirtschaft sowie die Einstellung der Siedlungsaktivitäten. Beide Seiten unternehmen wichtige Schritte in diese Richtung, wie etwa die Bestrebungen von Ministerpräsident Scharon zum Abbau der Siedlungen im Gazastreifen. Und wir, die Vereinigten Staaten und Europa, werden ihre Bestrebungen gemeinsam unterstützen.

Vertreter der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Großbritanniens und anderer europäischer Länder stehen in täglichem Kontakt, um zu erörtern, wie wir die bevorstehenden Wahlen im Libanon unterstützen. Die Vereinigten Staaten unterstützen die Rolle der EU bei der Beobachtung dieser Wahlen. Besonders eng haben wir mit Frankreich und Großbritannien an der Verabschiedung von UN-Resolution 1559 gearbeitet um sicherzustellen, dass syrische Truppen und Nachrichtendienstmitarbeiter den Libanon vor den Wahlen verlassen und dem libanesischen Volk eine freie Entscheidung für die eigene Zukunft ermöglicht wird.

Im Rahmen der beim G8-Gipfel 2004 auf Sea Island verabschiedeten Initiative für den Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika (Broader Middle East and North Afrika Initiative - BMENA) streben wir langfristig auch eine Förderung erfolgreicher und friedlicher demokratischer und wirtschaftlicher Reformen im Nahen Osten an.

Präsident Bush sagte im Februar in Europa: "Unsere Aufgabe besteht in der Unterstützung dieser Fortschritte, indem wir die Pflichten großer Demokratien übernehmen. Wir müssen an der Seite demokratischer Reformer stehen, demokratische Bewegungen bestärken und den Übergang zu Demokratie auf praktische Art und Weise fördern." Wir blicken in Bezug auf die Unterstützung der Menschen im Nahen Osten beim Aufbau einer demokratischen Grundlage in ihren Ländern auf die großen Demokratien Europas.

Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union arbeiten enger zusammen, um zu gewährleisten, dass ihrer Bestrebungen im Nahen Osten - der Barcelona-Prozess und die Nachbarschaftspolitik der EU sowie unsere eigene Partnerschaftsinitiative für den Nahen Osten - einander ergänzen und vervollständigen. Die NATO, die Organisation, in der die Vereinigten Staaten und Europa buchstäblich als Eins zusammenarbeiten, leistet ihren Beitrag im Rahmen der Kooperationsinitiative von Istanbul durch den Aufbau von Partnerschaften mit Kuwait und Katar, Bahrain und Israel sowie Marokko und Algerien. Unter der Federführung von Außenministerin Rice und dem Stellvertretenden Außenminister Zoellick planen die Vereinigten Staaten als dauerhafte Einrichtung der amerikanischen Politik in der Region ein breit angelegtes und maßgebliches Programm zur Unterstützung der Menschen im Nahen Osten bei der Gestaltung einer sicheren und demokratischen Zukunft.

Der Irak bleibt ein zentrales Anliegen. Großbritannien und viele andere europäische Länder nahmen an den Bestrebungen zur Befreiung des Irak teil, aber die Meinungsverschiedenheiten in Europa bezüglich dieses Themas waren eine wesentliche Ursache für die transatlantischen Spannungen der letzten beiden Jahre. Aber wie diese Meinungsverschiedenheiten auch aussahen, die wahrlich mutigen Taten des irakischen Volks bei den Wahlen im Januar haben dazu beigetragen zu unterstreichen, dass jetzt alle Länder ein Interesse und sogar die Pflicht haben sicherzustellen, dass das irakische Volk die demokratische Regierung hat, die es verdient, und die Stabilität und den Wohlstand, nach denen es sich sehnt.

Ist es nicht an der Zeit für die europäischen Staaten, die sich 2003 nicht an der militärischen Operation beteiligten, der irakischen Regierung jetzt zu helfen, indem sie Truppen und finanzielle Mittel zur Friedenserhaltung im Irak beitragen? Eine Möglichkeit der Unterstützung für die europäischen Bündnispartner ist die Bereitstellung einer weitaus größeren Zahl von Sicherheitskräften für die Unterstützung der Ausbildungsmission der NATO in Bagdad.

Die Menschen im Irak wissen die Opfer, die unsere Frauen und Männer in den letzten beiden Jahren gebracht haben, zutiefst zu schätzen. Sie sind auch dankbar für die finanzielle und anderweitige Hilfe, die wir angeboten haben, einschließlich der Millionen von Dollar, die die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zur Förderung des Wiederaufbaus im Irak zugesagt haben. Als greifbares Zeichen unserer gemeinsamen Unterstützung kündigte Ministerpräsident Juncker während seiner Pressekonferenz mit Präsident Bush am 22. Februar an, dass die Europäische Union und die Vereinigten Staaten zur gemeinsamen Veranstaltung einer Konferenz bereit seien, bei der Unterstützung für die neue irakische Übergangsregierung mobilisiert werden soll, sollte dies gewünscht werden. Wir hoffen, dass dieser Schritt ebenso wie die Geberkonferenz von Amman für den Wiederaufbau des Irak, die darauf folgen wird, den Weg für wirkliche Sicherheit, Stabilität und wirklichen Wohlstand für das Land ebnet.

Wir engagieren uns auch in einer langfristigen konzertierten transatlantischen Bestrebung zur Umkehr der atomaren Ambitionen Irans. Ich erwähnte bereits, dass die Vereinigten Staaten sich zur Unterstützung der EU-3 Verhandlungen mit Iran entschieden hatten, um dies zu gewährleisten. Wir können uns nicht mit einer Aussetzung der atomaren Aktivitäten Irans zufrieden geben. Die EU-3 und die Vereinigten Staaten sind sich einig, dass die einzig akzeptable Garantie, dass der Iran nicht den Besitz von Atomwaffen anstrebt, die vollständige Aufgabe aller sicherheitsempfindlicher, den Kernstoffkreislauf betreffender Bestrebungen ist. Wir müssen Iran dazu bewegen, Programme abzubauen, die in Zukunft zu einer Atomwaffenfähigkeit führen könnten. Aber unsere Bedenken in Bezug auf Iran sind umfassender. Europa muss sich auch gegen die iranische Unterstützung des Terrorismus, insbesondere durch die Hisbollah, sowie gegen die vielfältigen Beschränkungen der Freiheit der Iraner aussprechen.

6. Erfolg in Afghanistan

Der Nahe Osten ist natürlich nicht die einzige Region der Welt, in der es Konflikte und Instabilität gibt. Im Verlauf der letzten vier Jahre haben die NATO, die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und unsere anderen Partner maßgebliche Beiträge zum Frieden in Afghanistan geleistet. Am deutlichsten wurde dies, als acht Millionen Menschen vorigen Oktober den Drohungen der Taliban und schlechtem Wetter trotzten und eine neue Regierung wählten. Es ist offensichtlich, dass wir noch mehr tun müssen, um das Wirtschaftswachstum zu fördern und den heimtückischen Drogenhandel zu bekämpfen, der in einem Großteil des Landes wieder stattfindet. Wir sind für die Führungsrolle Großbritanniens in dieser dringlichen Sache dankbar. Präsident Bush hat in diesem Haushaltsjahr 773 Millionen Dollar für die Bekämpfung aller Aspekte des Drogenproblems beantragt.

Die transatlantische Unterstützung ist für die afghanische Regierung bei der Einrichtung demokratischer Institutionen von entscheidender Bedeutung. Die NATO hat bei der Übernahme des Kommandos über die Mission der internationalen Streitkräfte zur Förderung der Sicherheit in Afghanistan (ISAF) eine wichtige Rolle gespielt. Jetzt, da die NATO ihre Einsätze in den Westen und Süden des Landes ausdehnt, ist es an der Zeit, dass die europäischen Bündnispartner ihre Truppen aufstocken. Die Vereinigten Staaten befürworten außerdem die Überlegung, die ISAF mit der Operation Dauerhafte Freiheit zusammenzulegen und beide unter ein gemeinsames NATO-Kommando zu stellen.

7. Vermehrte gemeinsame Konzentration der Vereinigten Staaten und Europa auf Asien

Asien ist eine Region zweier aufstrebender Mächte, Indien und China, der zwei bevölkerungsreichsten Länder der Welt. Die Vereinigten Staaten haben ihren Blick auf Asien neu justiert. Dies erklärt das Ziel von Außenministerin Rice, die Beziehungen zu Indien und Pakistan neu zu gestalten. Für diese Bestrebungen benötigen wir die Unterstützung Europas.

Die Vereinigten Staaten versuchen außerdem, ihre historische Rolle als Hauptgarant des Friedens und der Stabilität in der asiatisch-pazifischen Region zu bewahren. Wir streben friedliche und konstruktive Beziehungen zu China an. Wir sind Partner Chinas bei den Sechsparteiengesprächen. Wir haben unsere Beziehungen zu China verbessert. Allerdings waren wir bestürzt über die Aufstockung der chinesischen Streitmacht, insbesondere über die Stationierung von ballistischen Flugkörpern gegenüber von Taiwan. Wir begrüßen Bestrebungen zur Veränderung des militärischen Gleichgewichts in der Meerenge in keiner Weise. Der Präsident äußerte sich in Europa eindeutig: Aufgrund von Menschenrechts- und regionalen Sicherheitsbedenken ist die Aufhebung des EU-Waffenembargos eine schlechte Idee. Wir werden die Bestrebungen der EU in dieser Hinsicht nicht unterstützen. Dies hätte, wie der Stellvertretende Außenminister Zoellick vor kurzem sagte, Auswirkungen auf unsere transatlantische Partnerschaft, insbesondere falls der US-Kongress ein Gesetz zur Einschränkung des Verkaufs bedeutender amerikanischer Technologie an EU-Länder verabschieden sollte. Ganz eindeutig ist es jetzt an der Zeit, dass die Vereinigten Staaten und die Europäische Union einen ernsthaften strategischen Dialog über ihre gemeinsamen Interessen in Asien und im Pazifik führen.

8. Schwerpunkt Afrika

Abschließend beglückwünschen wir Großbritannien für die Hervorhebung Afrikas während seiner G8-Präsidentschaft und möchten gewährleisten, dass der G8-Aktionsplan für Afrika aus dem Jahr 2002weiter umgesetzt wird.

Die Unterstützung der Entwicklungsbestrebungen Afrikas hat für die Vereinigten Staaten höchste Priorität. Die US-Entwicklungshilfe für Afrika wurde in den letzten vier Jahren vervierfacht. Acht der 17 Länder, die sich für Unterstützung aus dem Konto für die Herausforderung des Jahrhunderts (Millennium Challenge Account) qualifiziert haben, liegen im Afrika südlich der Sahara. Afrika ist außerdem ein wichtiger Begünstigter des Fünfjahresnotfallplans in Höhe von 15 Milliarden Dollar des Präsidenten für die Bekämpfung von AIDS und der 660-Millionen-Dollar-Initiative zur weltweiten Unterstützung von Friedenseinsätzen zum Aufbau der Fähigkeiten anderer Länder, zur internationalen Friedenserhaltung beizutragen.

Wir begrüßen das Engagement der EU in Afrika, insbesondere die Friedensbestrebungen in der Region der Großen Seen. Die Vereinigten Staaten initiierten voriges Jahr durch eine Reihe von Treffen, das letzte davon im Februar in Washington, einen Dreiparteienprozess. In diesem Rahmen haben wir die Demokratische Republik Kongo, Ruanda und Uganda und EU-Beobachter zusammengebracht, um Lösungen für die Probleme der Region der Großen Seen zu finden. Wir werden weiterhin eng mit unseren Kollegen in der EU zusammenarbeiten, um unsere gemeinsamen Ziele zu verwirklichen.

Außenministerin Rice hat dem Sudan aufgrund der Notsituation dort beträchtliche Zeit gewidmet: erstens, um zur Festigung des Nord-Süd-Friedensabkommens vom 9. Januar beizutragen und zweitens, was sehr wichtig ist, um mit dem Rest der internationalen Gemeinschaft die furchtbaren Menschenrechtsverletzungen in Darfur anzusprechen. Die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft müssen diesen Problemen dringend ihre Aufmerksamkeit widmen. Wir werden zur Unterstützung des Friedens im Sudan bei der Geberkonferenz nächste Woche in Oslo einen beträchtlichen Beitrag leisten.

Zum Abschluss meiner Darstellung möchte ich kurz auf den großen Erfolg "Europa" zu sprechen kommen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Großteil Europas von Diktatoren regiert oder besetzt, und nur eine Hand voll Länder waren frei. Heute ist jedes europäische Land außer Weißrussland auf die eine oder andere Art frei. Seit dem Fall der Berliner Mauer hat die Aussicht auf Mitgliedschaft in der NATO und der Europäischen Union zu einem Zeitalter dramatischer Reformen in Mittel- und Osteuropa geführt, Nationen wurden umgestaltet und wir kamen unserem langfristigen strategischen Ziel eines einzigen, ungeteilten, freien und friedlichen Europas viel näher. Vor kurzem haben wir die Rosenrevolution in Georgien und die orangefarbene Revolution in der Ukraine erlebt. Jetzt haben wir sehr reale Aussichten auf demokratischen Wandel in Kirgisien.

Sollten Europa und die Vereinigten Staaten, nachdem sie so viel in ihrer Heimat erreicht haben, nicht gemeinsam eine Strategie der Ausdehnung der Freiheit über das euroatlantische Gebiet hinaus betreiben? Mein Land vertritt diese Meinung. Wir können damit beginnen, uns weniger auf das zu konzentrieren, was uns trennt, und mehr auf das, was uns eint, unsere Werte, unsere Interessen und unsere Liebe zur Freiheit. Wenn sie an einer gemeinsamen Sache zusammenarbeiten, sind die Vereinigten Staaten und Europa eine beachtliche Kraft für das Gute. Das ist meines Erachtens der beste Grund dafür, uns wieder dem Primat der NATO und aktiveren Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zu widmen, die sich auf die großen Herausforderungen des Tages konzentrieren. Eine täglich stärker werdende transatlantische Partnerschaft wird uns - und der Welt - in den kommenden Jahren zu Gute kommen.

Vielen Dank.

Originaltext: Undersecretary of State Burns Outlines Trans-Atlantic Agenda
siehe http://usinfo.state.gov



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