LINKE bleibt "im Kerker des Israel-Hasses"
Präsident des Zentralrates der Juden erkennt mehr als nur antisemitische Züge in der Linkspartei
Von Fabian Lambeck und Robert Meyer *
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Dieter Graumann, hält die Resolution
der Linksfraktion gegen Antisemitismus für »spektakulär missglückt«. Derweil
wurde bekannt, dass sich mindestens ein Mitglied der LINKEN an der umstrittenen
Gaza-Flottille beteiligen will. Die einflussreiche Parteiströmung »Forum
Demokratischer Sozialismus« hat sich nun auch mit einer »Erklärung zur
Antisemitismus-Debatte« zu Wort gemeldet.
War alles umsonst? Der Fraktionsbeschluss gegen Antisemitismus stößt bei Teilen
der eigenen Partei auf Ablehnung und auch die Resonanz außerhalb der LINKEN
bleibt verhalten. So schrieb der Präsident des Zentralrates der Juden, Dieter
Graumann, in der Montagsausgabe der »Süddeutschen Zeitung«, eine »Reihe von
Äußerungen und Taten« von Mitgliedern der LINKEN wiesen »mehr als nur
antisemitische Züge auf«. Da reiche auch »kein Fraktionsbeschluss gegen
Antisemitismus«. Als Beleg für den angeblichen Antisemitismus führte Graumann
jene Bundestagsabgeordneten an, die sich geweigert hatten, dem
Fraktionsbeschluss zuzustimmen. Zudem verwies Graumann auf einen Schal der
Abgeordneten Inge Höger, der die Nahost-Region ohne den Staat Israel gezeigt
habe. Zudem kritisierte Graumann die Teilnahme einiger Linkspolitiker an der
Gaza-Flottille und Boykottaufrufe gegen israelische Waren.
Es gebe zwar »ehrenwerte Stimmen« wie Katja Kipping, Petra Pau oder Gregor Gysi,
die ihre Partei »aus dem Kerker des Israel-Hasses« befreien wollen, doch sei der
große Befreiungsschlag »einstweilen spektakulär missglückt«, resümierte Graumann.
Heftige Kritik an der Resolution kommt nun von israelischen Linken. In einem
Offenen Brief an die Fraktion der LINKEN weisen die mehr als 100 Unterzeichner
darauf hin, dass »die Solidarität mit dem palästinensischen Kampf für
Unabhängigkeit und Gerechtigkeit auch im Interesse israelischer Staatsbürger« sei.
Doch Beteiligung an Gaza-Flottille?
In den kommenden Tagen soll eine zweite Resolution verabschiedet werden, die den
Kritikern des Fraktionsbeschlusses etwas entgegenkommt. Unter anderem soll es
darin heißen, dass es jedem Linksparteimitglied freistehe, die israelische
Regierung zu kritisieren.
Hingegen ist es Fraktionsmitgliedern laut Resolution nicht gestattet, sich an
der diesjährigen Fahrt der Flottille zu beteiligen, die die israelische Blockade
des Gazastreifens brechen soll. Dies hat nun den Bundesarbeitskreis der LINKEN
»Gerechter Frieden in Nahost« auf den Plan gerufen. Nach Angaben des
Arbeitskreises vom Montag wird sich »zumindest eines seiner Mitglieder« an der
Gaza-Flottille »beteiligen«. Die Kosten für die Teilnahme sollen durch
Spendenaktionen unter Mitgliedern der Linkspartei aufgebracht werden. Den Namen
des Mitglieds konnte ND trotz Nachfrage nicht in Erfahrung bringen. »Eventuell
wird sich auch noch ein zweites Parteimitglied an dem Hilfskonvoi für Gaza
beteiligen«, betonte Henning Hintze vom Bundesarbeitskreis gegenüber ND.
An der ersten Hilfsflottille hatten sich die beiden Bundestagsabgeordneten Inge
Höger und Annette Groth sowie der ehemalige Linksparlamentarier Norman Paech
beteiligt.
In die Debatte um die Resolution hat sich nun mit dem »Forum Demokratischer
Sozialismus« (FDS) auch eine Strömung zu Wort gemeldet, deren politisches
Gewicht innerhalb der LINKEN nicht zu unterschätzen sein dürfte – werden ihr
doch bekannte Vertreter wie Bundesgeschäftsführerin Caren Lay oder der
Parlamentarier Stefan Liebich zugerechnet. Auf ihrem Bundestreffen am
vergangenen Sonntag im fränkischen Lichtenfels verabschiedete das FDS eine zehn
Punkte umfassende Erklärung zum Nahostkonflikt.
In den ersten beiden Punkten schließt sich der reformorientierte Parteiflügel
dem Beschluss der Bundestagsfraktion an, wonach man eine Einstaatenlösung im
Nahostkonflikt ablehne, da dies unweigerlich zur Auflösung Israels und damit die
»Zerstörung des geschichtlich bisher einzigen Schutzes für die Existenz des
jüdischen Volkes« bedeuten würde.
Allerdings unterstützt das FDS laut Erklärung »uneingeschränkt das Recht des
palästinensischen Volkes auf Gründung eines eigenen Staates« in den Grenzen von
1967. Dieses Recht solle, so das FDS weiter, auch nicht von der »Zustimmung
Israels abhängig« gemacht werden. Allerdings erklärt der Beschluss gleichzeitig
unter Punkt sieben, dass »jede Form einer einseitigen Auflösung dieses
Konflikts« abgelehnt werde, da dies »beiden Kontrahenten« keinen Frieden bringen
würde.
FDS lehnt Einstaatenlösung ab
Dieser Passus kann als deutliches Zeichen des FDS in Richtung der
palästinensischen Führung gewertet werden, welche im September einen Antrag zur
Gründung eines eigenen Staates in den Grenzen von 1967 in die UN-Vollversammlung
einbringen will, was von israelischer Seite allerdings klar abgelehnt wird. Wie
eine Lösung im Sinne des FDS-Beschlusses in der Realität aussehen könnte, verrät
das Papier nicht.
Neben dieser Frage nimmt das Forum außerdem Stellung zu den
Antisemitismusvorwürfen, welchen sich in der Vergangenheit immer wieder
verschiedene LINKEN-Politiker in der Öffentlichkeit ausgesetzt sahen. »Man ist
kein Antisemit, wenn man einer Aktion gegen die Blockade des Gazastreifens
teilnimmt [...]. Man ist auch nicht zwangsläufig ein Antisemit, wenn man dazu
aufruft, den Verkauf von israelischen Waren, die in den unrechtmäßig besetzten
Gebieten produziert wurden, zu boykottieren«, heißt es unter Punkt acht des
Beschlusses. Gleichzeitig schreibt das FDS, dass es derartige Aktionsformen
nicht nur für ungeeignet hält, sondern diese auch zukünftig zum Tabu im
israelisch-palästinensischen Konflikt erklärt – zumindest für Linke aus Deutschland.
* Aus: Neues Deutschland, 21. Juni 2011
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