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Konflikt um Ressourcen

EU-Initiative will Handel mit Rohstoffen aus Kriegsgebieten eindämmen

Von Peter Dörrie *

Ein Wort treibt derzeit Politiker, Lobbyisten, Anwälte, Pressesprecher und Aktivisten von Washington bis Brüssel und von Kinshasa bis Kigali um: »Konfliktressourcen«. Intel, bekannt als Hersteller von Computer-Mikrochips, gab vor kurzem stolz bekannt, daß von nun an alle seine integrierten Schaltkreise »konfliktfrei« seien. In Europa streiten derweil Industrieverbände und Menschenrechtsorganisationen über eine EU-Initiative, die verhindern soll, daß europäische Konsumenten und Firmen mit ihren Einkäufen bewaffnete Rebellengruppen in Afrika und Südamerika finanzieren.

Ausgelöst wurde die aktuelle Debatte in der Demokratischen Republik Kongo. Dort, vor allem im Osten des Landes, ist ein erheblicher Teil der weltweiten Reserven an Coltan zu finden. Das aus dem Erz gewonnene Tantal ist essentieller Bestandteil von Smartphones, Computern und Tablets – praktisch jeder trägt es heute in der Tasche. In der umkämpften Region im Grenzgebiet zu Uganda, Ruanda und Burundi dient der Ressourcenreichtum Rebellengruppen zur Finanzierung. Im Moment fließt mit großer Sicherheit auch europäisches Geld in die Hände kongolesischer Milizen, die mit Coltan, Wolfram, Zinn oder Gold handeln. Das möchte Karel de Gucht, als EU-Kommissar zuständig für das Ressort Handel, zukünftig verhindern und hat darum eine Gesetzesinitiative gestartet.

Inspiriert ist diese von einer US-amerikanischen Vorschrift, dem Dodd-Frank-Act. Er verpflichtet alle börsennotierten Unternehmen seit 2010 dazu zu veröffentlichen, ob sie möglicherweise Ressourcen aus den Konfliktgebieten des Kongo oder seiner Nachbarländer in ihrer Wertschöpfungskette verwenden. Für Sophia Pickles von der britischen Organisation Global Witness ist das allerdings zu wenig. »Wir fordern die EU-Kommission auf, einen breiten geographischen Ansatz zu wählen. Unternehmen müssen verpflichtet werden, Bezüge von Rohstoffen aus allen konfliktgefährdeten Gebieten zu überprüfen«, erklärte sie im Gespräch mit junge Welt. Der Kongo sei schließlich bei weitem nicht das einzige Gebiet, in dem Ressourcen von bewaffneten Gruppen gehandelt werden würden.

In der deutschen Industrie regt sich derweil Widerstand gegen die Gesetzesinitiative. Immerhin ein Drittel des in die EU importierten Zinns, Coltans und Wolframs, der drei wichtigsten »Konfliktmineralien«, landet bei deutschen Unternehmen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte gegenüber jW darum vor einer Regulierung, die nur Sinn mache »wenn sie für die Unternehmen praktikabel und händelbar« sei. »Uns erscheint es sinnhafter, vor Ort anzusetzen«, also beispielsweise im Kongo selbst, sagte Matthias Wachter, beim BDI zuständig für Sicherheit und Rohstoffe. Besonders den Endproduzenten, die meist selbst schon fertige Produkte geliefert bekommen, soll der bürokratische Aufwand erspart werden, ihre Wertschöpfungskette im Zweifel bis zur Mine zurückzuverfolgen.

Aber Erkundungsmissionen eines württembergischen Familienunternehmens in den Kongo will auch Global Witness nicht. Doch »jede Firma muß Verantwortung für ihre Rohstoffe übernehmen«, so Sophia Pickles. Sie schlug vor, daß jeder Betrieb seinen Teil der Wertschöpfungskette überprüft. Ob die Mine, aus der das Erz ursprünglich kommt, »konfliktfrei« ist, läge also im Verantwortungsbereich der Schmelze. Weiterverarbeitende Betriebe in Deutschland müßten dann nicht mehr den Erzabbau selbst, sondern nur die Vertrauenswürdigkeit der Schmelze überprüfen.

Da ein Großteil der Erzausbeute aus entsprechenden Gebieten nicht in Europa, sondern in Südostasien verhüttet wird, würde eine rein auf die Schmelzen ausgerichtete EU-Verordnung auch nur eine geringe Wirkung haben. Welchen Anreiz hat ein solches Werk in Malaysia oder ein Minenbetreiber im Kongo, sich dafür einzusetzen, daß bewaffnete Gruppen nicht von den Handelsströmen profitieren, wenn der Endabnehmer in Europa keinen Druck macht? Die EU-Verordnung verkäme dann zu einem bloßen Feigenblatt. Sie würde in den Konfliktgebieten selbst keine Wirkung entfalten.

Aktuell liegt die Gesetzesinitiative de Guchts zur Abstimmung bei den anderen EU-Kommissaren, deren Ressorts von ihr ebenfalls betroffen wären. Das sind unter anderem die Außen-, Entwicklungs- und Industriekommission. Öffentlich komplett bekannt wird der Inhalt der Gesetzesvorlage wohl erst Anfang März, dann wird auch das EU-Parlament in die Diskussion einsteigen.

* Aus: junge Welt, Montag, 3. Februar 2014


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