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"Wir wollen vollständige Akteneinsicht"

Die Journalistin Andrea Röpke wurde bespitzelt – jetzt wird der Verfassungsschutz verklagt. Ein Gespräch mit Sven Adam


Sven Adam ist Rechtsanwalt in Göttingen.


Im September wurde bekannt, daß Journalisten, eine Grünen-Politikerin sowie ein Anwalt vom niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet wurden. Die Journalistin Andrea Röpke hat dagegen geklagt – vertreten durch Sie. Grundlage dafür ist ein Dossier, das der Verfassungsschutz über sie angelegt hat. Was steht darin?

Das Dossier ist eine wilde Zusammenstellung öffentlicher Auftritte von Frau Röpke, wie zum Beispiel über Informationsveranstaltungen gegen Rechtsextremismus, aber auch über Versammlungen, Demonstrationen oder Kundgebungen.

Was sind denn die »verfassungsfeindlichen Aktivitäten« Frau Röpkes?

Das ist ja genau der Punkt: Es gibt keinen Vorwurf gegenüber Frau Röpke. Es gibt auch nichts, was man ihr vorwerfen könnte. Es ist einfach nur eine Aufzählung der Gelegenheiten, bei denen der Verfassungsschutz meinte, daß sie anwesend gewesen sei. Und wenn sie tatsächlich dort war, geschah das ausschließlich aus beruflichen Gründen. Mit Verfassungsfeindlichkeit hat das nichts zu tun.

Was erhoffen sie sich von der eingereichten Klage?

Wir wissen durch den Verfassungsschutz selbst, daß er noch weitere Informationen über Frau Röpke gespeichert hat. Aus dem vorliegenden, ominösen Dossier läßt sich das herauslesen, genauere Angaben werden uns allerdings vorenthalten. Es gibt darin einen »Sperrvermerk«, den wir aber entfernen lassen wollen. Wir verlangen eine vollständige Akteneinsicht und die lückenlose Auskunft über die personenbezogenen Daten, die der Verfassungsschutz über Frau Röpke archiviert hat.

Heißt dies auch, daß die Beobachtung von Andrea Röpke beendet werden soll?

Frau Röpke selbst wird nicht mehr beobachtet, der Verfassungsschutz hat bereits eingeräumt, daß das rechtswidrig war. Uns geht es mit der Klage nicht darum, daß das Gericht die Rechtswidrigkeit der Beobachtung feststellt – der Verfassungsschutz hat ja bereits eingesehen, daß dem so war und daß die Daten auch gelöscht werden müssen.

Das soll aber erst dann geschehen, sobald unser Auskunftsverfahren abgeschlossen ist. Im Augenblick müssen wir vielmehr darauf drängen, daß nicht weiter Datenbestände gelöscht werden. Uns geht es also darum, daß die gespeicherten Daten erhalten bleiben, aber zugleich für eine weitere Nutzung durch den Verfassungsschutz gesperrt werden. Das ist – soweit uns mitgeteilt wurde – auch geschehen, die Daten sind für diese Behörde also nicht mehr zugänglich. Wir wollen jetzt die vollständige Einsicht in alles, was gespeichert wurde.

Wie kann geprüft werden, ob der Verfassungsschutz seine Zusagen auch einhält?

Gar nicht. Zumindest können wir Otto-Normal-Bürger das nicht. Wichtig für uns ist: Je mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit es in diesem Verfahren gibt, umso mehr Sicherheit kann für den Bürger geschaffen werden. Es geht darum, daß der Verfassungsschutz ausschließlich das macht, wozu er gesetzlich ermächtigt ist. Und das muß demokratisch kontrollierbar sein.

Streben auch andere der Beobachteten eine Klage an?

Ursprünglich hieß es, acht Personen seien beobachtet worden, von diesen vertrete ich neben Frau Röpke drei weitere Personen. Bei einer lag lediglich eine Namensverwechslung vor. Einer der beiden anderen ist Politiker der Linkspartei, bei der Einsicht in seine Akte wurde ebenfalls deutlich, daß die Beobachtung und die Informationen, die über ihn gespeichert wurden, lachhaft waren. In diesem Fall gibt es auch keinen Sperrvermerk, weitere Informationen liegen nicht vor. Somit gibt es auch keinen Grund für uns, weitere Schritte zu ergreifen – ähnlich sieht es derzeit auch für den dritten von mir vertretenen betroffenen Journalisten aus.

Letztlich ist Frau Röpke wohl wegen ihrer exponierten Stellung und wegen ihres Bekanntheitsgrades für den Verfassungsschutz ein besonders wichtiges Objekt der Beobachtung gewesen. Das liegt wahrscheinlich auch an ihrem Spezialwissen über die rechtsextreme Szene. Nur weil jemand anders mehr weiß, darf diese Person aber noch lange nicht von einem Geheimdienst beobachtet werden.

Interview: Roland Zschächner

* Aus: junge Welt, Freitag, 31. Januar 2014

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