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Neu erschienen: Seevölkerrecht

Von Franz-Karl Hitze *

Eine vertragliche Regelung des internationalen Seerechts wurde notwendig, nachdem einige Staaten das Gewohnheitsrecht aus dem 17. Jahrhundert, wonach nationale Küstengewässer auf eine Breite von drei Seemeilen begrenzt wurden, nicht mehr anerkannten. Zwischen 1946 und 1950 vergrößerten z.B. Argentinien, Chile, Peru und Ecuador ihre Küstengewässer auf 200 Seemeilen. Andere Nationen erweiterten ihren Meeresstreifen auf zwölf Seemeilen. Bis 1967 behielten nur drei Länder die alte Dreimeilenzone bei, 66 beanspruchten einen zwölf Seemeilen breiten Meeresstreifen und acht Staaten einen 200 Seemeilen breiten Streifen.

Der Autor des vorliegenden Heftes, Gunter Görner, gilt als einer der Väter des »Seerechtsübereinkommens« der UNO vom 10. Dezember 1982. Dem Abkommen gehören inzwischen 157 Vertragsparteien an. Görner war seit 1973 Mitglied der DDR-Delegation zur 3. Seerechtskonferenz der UNO. Sein hohes internationales Ansehen veranlaßte die Regierung der BRD, ihn 1994 als Berater hinzuzuziehen.

Er analysiert in der vorliegenden Arbeit einen äußerst wichtigen Problemkreis der internationalen Politik. Das Seerechtsabkommen wurde vom früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan immerhin »zu den größten Errungenschaften der Vereinten Nationen« gezählt. Der Autor untersucht in vier Kapiteln die Haltung der DDR zum Seevölkerrecht, die Konferenz der Vereinten Nationen dazu, die Arbeit der Vorbereitungskommission und das »Seerechtsübereinkommen«. Der promovierte Jurist befaßt sich u.a. mit den Verträgen zur Einschränkung des Wettrüstens auf den Meeren und dem Meeresboden, den Meerengen, die der internationalen Schiffahrt dienen, dem Recht der Binnenstaaten auf Zugang zum und vom Meer, auf Transitfreiheit sowie mit dem Schutz und der Bewahrung der Meeresumwelt. Nach seiner Ansicht haben sich die Institutionen des Übereinkommens in der Praxis bewährt. Eine wichtige Publikation, die ihresgleichen sucht.

Gunter Görner: Die DDR und das Seevölkerrecht. Verband für Internationale Politik und Völkerrecht e.V., Berlin 2009, 124 Seiten, Unkostenbeitrag 5 Euro für Druck und Versand. Bestellung per E-Mail: VorstandVIP@aol.com

* Aus: junge Welt, 8. Juni 2009


Vorwort von Prof. Dr. Siegfried Bock

Die "Blaue Reihe" gibt dem Verband für Internationale Politik und Völkerrecht die Möglichkeit, sich mit Hilfe zahlreicher Autoren in die allgemeine Debatte zu außenpolitischen Problemen unserer Zeit einzubringen und damit einen Beitrag zur Meinungsbildung, ohne im Entferntesten einen Anspruch auf die alleinige Deutungshoheit erheben zu wollen, zu leisten.

Es verdient hohe Anerkennung, dass sich Dr. Gunter Görner der Aufgabe unterzogen hat, einen wichtigen Problemkreis internationaler Politik zu analysieren, das weltweit wirkende Seevölkerrecht mit seinem Kern, dem 1994 in Kraft getretenen Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen[1], das vom damaligen Generalsekretär der Weltorganisation, Kofi Annan, in seiner Rede anlässlich der Einweihung des neuen Amtssitzes des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg am 3. Juli 2000 als eine der größten Errungenschaften der Vereinten Nationen bezeichnet wurde[2]. Wenn auch die langwierigen und komplizierten Sachverhandlungen auf der 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen eingebettet waren in die Systemauseinandersetzung, so lag die Grenze der beiden sich gegenüberstehenden Hauptgruppierungen weniger zwischen "Ost" und "West", sondern eher zwischen den großen Langküstenstaaten mit ihrem Streben nach Einverleibung riesiger Gebiete der Hohen See in ihren Hoheitsbereich, allen voran die Großmächte mit ihren weit reichenden Ambitionen um Hegemoniestellung auf den Weltmeeren, und jenen kleinen und mittleren Staaten, die nur über kurze oder keine Meeresküsten verfügen. Die DDR gehörte zu der letzteren Gruppe. Aus dieser Konstellation erwuchs Dr. Görner bei den Verhandlungen zum Seerechtsübereinkommen die Rolle eines der Wortführer der geografisch benachteiligten Staaten.

Dr. Görner war über Jahrzehnte hinweg als Jurist im Außenpolitischen Dienst der DDR tätig. Seine Wahl in verantwortliche Funktionen in UN-Organen, darunter zum Vorsitzenden des Rechtsausschusses der UN-Vollversammlung im Jahr 1984, war Ausdruck der hohen Wertschätzung, die er als Völkerrechtsexperte und Diplomat international genoss. Man kann ihn auch zu Recht als einen der "Väter" des 1982 von der Seerechtskonferenz mit überwältigender Mehrheit angenommenen Seerechtsübereinkommens bezeichnen. Auf Beschluss der Seerechtskonferenz hat im Jahr 1983 die Vorbereitungskommission für die Internationale Meeresbodenbehörde und den Internationalen Seegerichtshof ihre Arbeit aufgenommen. Von diesem Gremium wurde Dr. Görner zum Vorsitzenden der für die Vorbereitungsarbeiten für den Internationalen Seegerichtshof zuständigen Kommission gewählt. In dieser Funktion hatte er einen hohen Anteil daran, dass der Seegerichtshof, den Kofi Annan in seiner Hamburger Rede als den Grundpfeiler des Seerechtsübereinkommens und einen zentralen Baustein der internationalen Friedens- und Sicherheitsordnung bezeichnete, seine Tätigkeit reibungslos und ohne Zeitverzug aufnehmen konnte. Es war auch Ausdruck des Ansehens, das Dr. Görner als internationaler Seerechtsexperte genoss, dass er als einer der wenigen Diplomaten der DDR nach deren Beitritt zur BRD bis zum erfolgreichen Abschluss der Arbeit der Vorbereitungskommission für die Internationale Meeresbodenbehörde und den Internationalen Seegerichtshof 1994 Mitglied und Berater der Delegation des vereinigten Deutschland in dieser Kommission war.

Bei den Verhandlungen zur Ausarbeitung des Seerechtsübereinkommens vertrat Dr. Görner als Delegationsleiter einen Staat, der sich konsequent für die friedliche internationale Zusammenarbeit und die Konfliktverhütung auch im maritimen Bereich, für die weitgehende Aufrechterhaltung der Freiheit der Meere und gegen die Aneignung großer Seegebiete und ihrer Ressourcen durch einige wenige mächtige Langküstenstaaten eingesetzt hat. Das Seerechtsübereinkommen kam in einer weltpolitischen Phase zustande, in der die Elemente der Entspannung überwogen. Es kennzeichnet den Charakter der DDR, dass in dieser Phase ihr Anteil an der Lösung internationaler politischer und völkerrechtlicher Probleme am nachhaltigsten war. Vieles, was damals an langfristig wirkenden multilateralen Regelungen herbeigeführt wurde, trägt auch die Unterschrift der DDR. Wenn heute von manchen die völkerrechtliche Legitimation der DDR in Zweifel gezogen wird, dann kann mit gutem Grund ihr Ansehen in den Vereinten Nationen im Allgemeinen und ihr Verhalten bei der Neugestaltung des Seevölkerrechts als Teil ihrer Legitimation ins Feld geführt werden.

Das Seerechtsübereinkommen vom 10. Dezember 1982 bildet auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts den rechtlichen Rahmen für die Durchführung aller die Ozeane und Meere betreffenden Tätigkeiten und hält gleichermaßen Lösungen für neu auftretende Probleme und Konflikte, z. B. im gegenwärtig anstehenden Streitfall zwischen den Anliegerstaaten der Arktis über die Abgrenzung des Festlandsockels in diesem Gebiet, bereit. Dies zeugt von der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit dieses universellen Rechtsinstruments an die neuen Herausforderungen, für dessen Zustandekommen sich die DDR und ihre Vertreter aktiv eingesetzt haben.

Prof. Dr. Siegfried Bock, April 2009

Fußnoten
  1. BGBl. 1994 II, S. 1799
  2. UN-Informationszentrum Bonn (UNIC)/272 vom 3.7.2000



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