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Ferngesteuerte Killer

Hintergrund. Drohnen und "gezielte Tötungen" sind aus der US-Kriegsführung nicht mehr wegzudenken. Auch die Bundeswehr strebt die Anschaffung unbemannter, bewaffneter Luftfahrzeuge an

Ferngesteuerte Killer Drohnen sind aus der US-Kriegsführung nicht mehr wegzudenken. Auch die Bundeswehr möchte unbemannte, bewaffnete Luftfahrzeuge anschaffen. Von Michael Haid Von Michael Haid *

General James N. Mattis vom Zentralkommando der US-Streitkräfte bestätigte im August 2010 auf eine entsprechende Anfrage im Senat, daß sich der Schwerpunkt der offiziellen NATO-Strategie, durch massive Truppenpräsenz Aufstände wie in Afghanistan niederzuschlagen, hin zu gezielten Tötungen (im Englischen »Targeted Killings« genannt) verschoben habe (vgl. german-foreign-policy.com, 18. August 2010). Seit 2002 avancieren bewaffnete Drohnen zum bevorzugten Instrument für »gezielte Tötungen« im Kontext des »Krieges gegen den Terror«. Bisher wurden Drohnenangriffe durch das US-Militär und die CIA in Irak, Afghanistan, Somalia, Jemen und dem Nordwesten Pakistans dokumentiert. Bemerkenswert ist, daß sich die USA mit den letzteren drei Staaten nicht im Krieg befinden oder dort offiziell Krieg führen.

Ein Beleg für die steigende Relevanz von »gezielten Tötungen« durch unbemannte Luftfahrzeuge (Unmanned Aerial Vehicles, UAV) in der US-Kriegsstrategie ist die Zunahme ihrer Häufigkeit. In den 21 Monaten seit der Amtsübernahme von Barack Obama als US-Präsident, wurden allein für Pakistan, das derzeit am heftigsten betroffen ist, unter Mißachtung der pakistanischen Souveränität über 120 Drohnenangriffe gezählt. Amtsvorgänger George W. Bush hatte in acht Jahren mit rund 60 Einsätzen nur etwa die Hälfte autorisiert (vgl. Der Spiegel, 41/2010, S.108).

Die Praxis gezielter Tötungen wurde bereits in einer Studie des UN-Sonderberichterstatters für extralegale Hinrichtungen, Philip Alston, vom 28. Mai 2010 als im Ergebnis (völker-) rechtswidrig bewertet; vor allem die USA wurden in diesem Gutachten für ihre Drohnen-Kriegsführung heftig kritisiert. Aber nicht nur die USA, auch Israel und Rußland werden von Alston als »Trendsetter« benannt, die extralegale Hinrichtungen zum Gegenstand ihrer politischen Praxis erhoben haben.

Die Schweizer Rechtsexpertin Helen Keller klassifiziert in der Baseler Zeitung (vom 14. Mai 2010) ein solches Vorgehen außerhalb von direkten Kampfgebieten ebenfalls eindeutig als illegal und mit dem Völkerrecht unvereinbar. Die Autorin im Wortlaut: »Die gezielte Tötung außerhalb von Kampfzonen kommt einer Exekution gleich. Das heißt, der Staat bedient sich des Gewaltmonopols, um illegal Menschenleben zu vernichten. In jedem Rechtsstaat wäre das nur unter den sehr strengen Voraussetzungen eines finalen Rettungsschusses (etwa in einem Entführungsfall) zulässig. Eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür ist, daß alle anderen Mittel, um der Zielperson habhaft zu werden, ausprobiert worden sind oder völlig aussichtslos erscheinen. Das scheint mir bei der Erschießung eines Terrorverdächtigen im Jemen a priori nicht gegeben zu sein. Wie die Situation in Somalia zu beurteilen ist, das ich als ›gescheiterten Staat‹ qualifizieren würde, ist schwierig zu sagen. Aber auch da sollten die Hürden hoch genug angesetzt werden, um den Regierungen keinen Freipaß zum gezielten Töten zu geben. Das humanitäre Völkerrecht würde wohl auch in einem solchen Fall gebieten, einen Verdächtigen primär gefangenzunehmen, statt ihn einfach umzubringen.«

Hemmschwelle sinkt

Die Bedeutung der Kriegsführung mit Drohnen hat für die US-Regierung in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen. Sie ist Teil einer gegenwärtig stattfindenden »Revolution in Military Affaris« [Revolution in Militärangelegenheiten – d.Red.]. Der Kongreß der Vereinigten Staaten hatte 2001 die schrittweise Umstellung der Streitkräfte auf unbemannte Technik beschlossen. Die Folge davon ist, daß 2010 bereits ein Drittel der Flugzeuge der US-Armee unbemannte Flugkörper sind, und in den Vereinigten Staaten mehr Drohnenoperateure als Kampf- und Bomberpiloten ausgebildet werden. Diese Umstrukturierung zu automatisierten Armeen mit Hilfe von Drohnen- und Robotertechnologien findet ebenfalls in den Armeen anderer NATO-Staaten statt. Aber auch die Streitkräfte von Ländern wie China, Rußland oder Pakistan nehmen an diesem Rüstungswettlauf teil. Der Politologe Peter Singer, Koordinator für Verteidigungspolitik im Wahlkampfteam von Barack Obama und Leiter der 21th Century Initiative beim Washingtoner Think-tank »Brookings Institution«, hält die Automatisierung von Armeen für eine Revolution in der Kriegsführung, die er in ihrer Bedeutung mit der Erfindung des Schießpulvers oder der Atombombe gleichsetzt – aus der sich allerdings auch viele äußerst problematische rechtliche, ethische und soziale Fragen ergäben (vgl. Süddeutsche Zeitung, 12. August 2010).

Der Ausdruck »gezielte Tötung« ist im internationalen Recht nicht definiert. Im allgemeinen wird darunter die tödliche Gewalt durch Staaten (Armee, Geheimdienste) oder diesen zurechenbare Organisationen (private Sicherheitsfirmen) verstanden, die mit der ausschließlichen Absicht durchgeführt wird (im Gegensatz zu Tötungen als sog. »zivile Kollateralschäden«), individuell ausgewählte Personen ohne rechtskräftiges Urteil eines zuständigen Gerichts (und zumeist auf fremdem Territorium) zu töten.

Gegenwärtig setzen nur die USA und Israel Kampfdrohnen dafür ein. Dieser Zustand wird sich aber rasch ändern. Zwischen 40 und 50 andere Staaten verfügen über UAV als Aufklärungsmittel. Einige von ihnen – darunter Rußland, die Türkei, China, Indien, der Iran, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – besitzen entweder bereits oder streben nach Drohnen, die auch Raketen abschießen können.

Neu an dieser Technologie ist, daß mit ihrer Hilfe erstmals in der Kriegsgeschichte über riesige Distanzen, nahezu ohne Risiko des eingesetzten Personals und praktisch ohne Zeitverlust als feindlich betrachtete Individuen identifiziert und fast im selben Moment »eliminiert« werden können. Diese Tatsache vereinfacht im Vergleich zu früheren Methoden das Töten beträchtlich und dürfte die Hemmschwelle zur Autorisierung der Gewaltanwendung bei politischen Entscheidungsträgern erheblich senken. Drohnen fungieren hierbei als »luftgestützte Scharfschützensysteme« (Center for Security Studies Analysen zur Sicherheitspolitik Nr.78, Juli 2010, S.2), die einzelne Personen über längere Zeiträume verfolgen und schließlich umbringen können. Für die nahe Zukunft ist also zu erwarten, so die Analyse weiter, daß Drohnen vor allem in der sogenannten Aufstands- und Terrorismusbekämpfung eine bedeutende Rolle spielen werden, da sie eine politisch einfachere und finanziell günstigere Alternative zur Entsendung von Bodentruppen darstellen würden. Zusätzlich dürften sie deshalb für die westliche Kriegsführung attraktiv sein, da die Öffentlichkeit und parlamentarische Gremien ihnen bislang kaum Aufmerksamkeit geschenkt haben und eine Rechtfertigung, die häufig beim Einsatz von Kampfflugzeugen oder gar von Bodentruppen erforderlich wird, bislang unnötig war.

Rechtliches Vakuum

Drohnenflüge werden nicht nur vom US-Militär, sondern auch von der CIA, dem Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten, durchgeführt. Für die Drohnenprogramme ist Intransparenz durch ein absichtlich äußerst kompliziert gehaltenes Verfahren für die Zuständigkeiten kennzeichnend, das intern »plausible Dementierbarkeit« (Wissenschaft & Frieden, 3/2010, S.42) genannt wird und faktisch nichts anderes ist als eine gezielte Auflösung von Rechenschaftspflichten und damit letztendlich von Sanktionierbarkeit.

Philip Alston kritisiert diesen Punkt eindeutig: »Es scheint (…) eine Übereinkunft darüber zu geben, daß Geheimdienste in einem rechtlichen Vakuum operieren, daß es also per Definition keine Verantwortlichkeit gibt, folglich Immunität. Wenn man das zuläßt, kann man künftig bei jedem kontroversen Programm sagen: Laßt es uns doch in die Hände der CIA geben« (Der Spiegel, 41/2010, S.111).

Neben diesem Gesichtspunkt liegt die Attraktivität von »gezielten Tötungen« mittels Drohnen für die politisch Verantwortlichen wohl darin begründet, daß jemanden umzubringen einfacher ist als ihn gefangenzunehmen. So ist die CIA zunehmend zu dieser Praxis übergegangen, wie ein Beitrag zweier Spiegel-Redakteure treffend auf den Punkt bringt: »Obamas CIA entführt nicht mehr, sie tötet. Sie hat damit militärische Aufgaben übernommen, sie führt einen Krieg jenseits von Kriegs- und Völkerrecht, sie führt ihn in Afghanistan, aber auch in Pakistan oder im Jemen, dort wo es keinen Krieg gibt, offiziell. Der Vorteil: Gefangene muß man irgendwann freilassen oder wenigstens vor Gericht stellen, vielleicht gibt es Untersuchungsausschüsse, vielleicht fragen Journalisten nach. Töten ist einfacher.« (Der Spiegel, 41/2010, S.108 f.) Weiter heißt es im selben Artikel, der eine Aussage des Ex-CIA-Agenten Robert Baer wiedergibt: »Gezielte Tötungen sind einfacher für das Militär oder die CIA, als wenn sie sich mit Gefangenen herumschlagen müssen. (…) Wir handeln nach einer Logik, die zu mehr und mehr gezielten Tötungen führt«.

Dieses blutige Geschäft ist schwer in Zahlen zu fassen, da präzise Angaben zur Anzahl der Getöteten (und vor allem zum Verhältnis von Zielpersonen und Unbeteiligten) von öffentlicher Seite nicht bekanntgegeben werden, zumal die Existenz dieser Drohnenprogramme von seiten des US-Militärs und besonders der CIA lange Zeit geleugnet wurde. Strittig ist vor allem der Anteil der zivilen Opfer. Schätzungen reichen von beinahe 100 Prozent, über rund ein Drittel bis zu unter zehn Prozent (vgl. HSFK-Standpunkt Nr.5/2010, S.8). Nach der New America Foundation, die Medienberichte auswertet, seien in absoluten Zahlen durch Drohnenangriffe im Nordwesten Pakistans von 2004 bis zum 29. Oktober 2010 zwischen 1218 und 1879 Individuen getötet worden. Davon würden in den Pressemeldungen 897 bis 1344 als »Militante« beschrieben. Demnach sind laut einer Studie derselben Stiftung von Ende Februar 2010 der Forscher Peter Bergen und Katherine Tiedemann rund zwei Drittel der Getöteten »Militante« und weniger als ein Drittel seien unbeteiligte Opfer gewesen.

Das pakistanische Onlineforum »Pakistan Body Count«, das auch die lokale Presse und Krankenhausberichte analysiert, zählte bis zum 24. September dieses Jahres 32 tote Al-Qaida-Mitglieder sowie 1778 ermordete und 514 verletzte Zivilisten durch 173 mit Zeit- und Ortsangabe dokumentierte Angriffe. Nach dieser Auflistung würden auf einen getöteten Verdächtigen mehr als 50 Unschuldige kommen. Dies wäre eine Verletzung des völkerrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips. Zu dieser fürchterlich großen Anzahl an getöteten Unschuldigen kommt es einerseits, weil häufig Raketen mit großer Sprengkraft benutzt werden, um ganz sicher zu gehen, daß die Zielperson auch getroffen wird. Das bedeutet aber auch, daß die Verantwortlichen der angeblichen Präzision und damit »Sauberkeit« ihrer Waffensysteme selbst nicht vertrauen. Andererseits werden Attacken von UAV trotz der Kenntnis angeordnet, daß sich in unmittelbarer Nähe der zur Tötung bestimmten Person Unbeteiligte (Familienangehörige, Nachbarn, Passanten, Angestellte etc.) aufhalten, oder obwohl sich die Zielperson an einem Ort befindet, an dem es fast zwangsläufig zu Zivilopfern kommen muß (zum Beispiel in Wohngebieten).

Aufweichung des Völkerrechts

Das Thema »gezielte Tötungen« hat in Deutschland medial erstmals große Aufmerksamkeit durch die Äußerungen von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bei der Bundespressekonferenz vom 4. August 2010 erfahren. Die Rechtslage sei »eindeutig«, behauptete der Außenminister damals zur Frage eines Journalisten, ob er die Praxis von »gezielten Tötungen« für rechtmäßig erachte: »Wir müssen wissen, daß gegnerische Kämpfer in einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt in dem vom humanitären Völkerrecht gesteckten Rahmen gezielt bekämpft werden können und auch dürfen«. Guido Westerwelle erklärt folglich, daß dieses Vorgehen mit dem Völkerrecht vereinbar sei. Völlig zu Recht entlarvte Heribert Prantl den Wert dieser Aussage mit den Worten: »In dieser Pauschalität ist das nicht Aufklärung, sondern schlechte Propaganda.« Der Autor führt weiter aus: »Ein pauschales Einverständnis mit ›zielgerichteten Tötungen‹, wie es der Außenminister formuliert, ist rechtswidrig. So infiziert sich die deutsche Politik mit dem Extralegalen« (Süddeutsche Zeitung, 11.8.2010). Ersichtlich ist, daß die Bundesregierung mit solchen Äußerungen den Anschluß an die US- und NATO-Praxis sucht.

Das Bundesverteidigungsministerium geht noch einen Schritt weiter als der Außenminister. Auf seiner Homepage ist ein Eintrag vom 18. August 2010 mit dem Titel »Zum Thema ›gezielte Tötungen‹ im Rahmen eines nichtinternationalen bewaffneten Konfliktes« einzusehen, in dem steht: »In einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt dürfen die Regierungstruppen und die sie unterstützenden Truppen feindliche Kämpfer gegebenenfalls auch außerhalb [!] der Teilnahme an konkreten Feindseligkeiten auf der Grundlage des humanitären Völkerrechtes gezielt bekämpfen, was auch den Einsatz tödlich wirkender Gewalt einschließen kann.«

Nach dem Völkerrecht ist die Tötung von Aufständischen nur dann rechtmäßig, wenn sie sich unmittelbar im fraglichen Moment an den Kampfhandlungen beteiligen. Sonst nicht! Jedoch hat sich seit kurzem an diesem klaren Rechtsstandard eine Debatte unter deutschen Völkerrechtlern entzündet, mit der im Ergebnis das Völkerrecht an diesem Punkt ausgehöhlt werden soll. Beispielsweise halten die Rechtsprofessoren Claus Kreß und Georg Nolte in einem viel beachteten Beitrag für die FAZ (vom 31. Dezember 2009, S.9) das »gezielte Töten« von als Taliban bezeichneten Personen auch unter Inkaufnahme von sogenannten zivilen Begleitschäden für grundsätzlich erlaubt, sogar wenn sie keine Bedrohung der NATO-Truppen darstellen. Diese Einschätzung ist abzulehnen und stieß zu Recht auf deutlichen Widerspruch seitens anderer Völkerrechtler. So entgegnete der Bochumer Rechtswissenschaftler Joachim Wolf: »Targeted killings (…) stellen strafbare Tötungen dar, bei niederen Beweggründen wie Rache oder Heimtücke handelt es sich nach deutschem Strafrecht um Mord. Zu Strafbarkeitsausschlüssen im bewaffneten Konflikt nach humanitärem Völkerrecht fehlt die erforderliche sachverhaltsmäßige Verbindung. Auch die ›gezielte Tötung‹ von Taliban-Kämpfern außerhalb jeden militärischen Konfliktzusammenhangs fällt unter dieses Verdikt« (Bofaxe, No. 331D, 28. Januar 2010).

Der wesentliche Grund, weshalb sich die Bundesregierung so eindeutig für die angebliche Rechtmäßigkeit von »gezielten Tötungen« positioniert, dürfte darin zu sehen sein, daß sie selbst für die Bundeswehr die Anschaffung von Drohnen, die auch zum Abschuß von Raketen und nicht nur zur Aufklärung ausgelegt sind, verfolgt. Bis Anfang letzten Jahres wurde noch offiziell verkündet, daß bewaffnete Drohnensysteme nicht angestrebt würden. Auf einem Forum der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DGW) in Bad Godesberg wurde dann von einem Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums das Gegenteil offenbart (vgl. Welt 0nline, 23.2.2009).

Die Absicht der Bundesregierung, sich Kampfdrohnen anzuschaffen, dürfte sicherlich auch vor dem Hintergrund der Verabschiedung des neuen strategischen Konzepts auf dem NATO-Gipfeltreffen in Lissabon vom 19. bis 21. November 2010 sowie im Kontext der Reform der Bundeswehr zu sehen sein. Da angesichts des offensichtlichen Scheiterns des massiven NATO-Truppeneinsatzes in Afghanistan die künftige Strategie des Bündnisses darauf hinauslaufen dürfte, die eigenen Truppen sukzessive aus diesem Krieg herauszulösen und im Gegenzug die dortige Regierung von Hamid Karsai durch finanzielle, nachrichtendienstliche, ausbildungstechnische und punktuelle Spezialoperationen auch militärisch zu unterstützen, gewinnt die Möglichkeit, über Drohneneinsätze einzugreifen, enorm an Attraktivität. Diese Fähigkeit dürfte deshalb von der Bundesregierung auch hinsichtlich ihrer machtpolitischen Bedeutung im Rahmen des Bündnisses von gewaltigem Interesse sein, um sich damit als attraktiver Partner der USA im »Kampf gegen den Terror« anbieten zu können und ihren Anspruch auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu untermauern.

Bundeswehr will Kampfdrohnen

Den entscheidenden Kurswechsel hin zu der Beschaffung von Drohnen für Kampfaufgaben legte die Bundesregierung in den »Konzeptionellen Grundvorstellungen (KGv) zum Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge in der Bundeswehr« (vom 21. Februar 2008) nieder, das als Grundsatzdokument dazu gilt und in dem erstmalig als Einsatzoption auch die Bewaffnung von UAV aufgeführt wird. Bisher kam den Drohnen in der Bundeswehr ausschließlich die Funktion des Aufklärens seit den 1990er Jahren in ihren Auslandseinsätzen zu. »Die Nutzung von unbemannten Luftfahrzeugsystemen oder Unmanned Aircraft Systems (UAS) gewinnt vor dem Hintergrund aktueller und zukünftiger Einsätze der Bundeswehr erheblich an Bedeutung« (Europäische Sicherheit, 8/2010, S.20), stellt ein Autorenduo des Luftwaffen-Führungsstabes die Wichtigkeit von Drohnen im Kontext der Bundeswehrreform heraus.

In der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen vom 26. März 2009 gibt sie dann bereits an, daß sie im Datenwerk zum Bundeswehrplan (BwPlan) 2009 beginnend für das Jahr 2016 einen Planungsvorbehalt für eine »Mehrzweckplattform Luftwaffe Unmanned Combat Aircraft Vehicle« (UCAV), sprich Kampfdrohnen, eingestellt habe (vgl. Bundestagsdrucksache 16/12481, Antwort auf Frage Nr.16).

In Militärzeitschriften häufen sich derzeit Beiträge von Offizieren, die diese Pläne konkretisieren. Danach stelle das Prinzip der »Vernetzten Operationsführung« in der Konzeption der Bundeswehr »den zentralen Weiterentwicklungsschritt für die Streitkräfte der Zukunft« (Europäische Sicherheit, 10/2010, S.40) dar, in denen die Drohnentechnologie als ein wesentliches Element fungiere. Das bedeutet genauer, daß unbemannte Luftfahrzeuge in den zukünftigen Kampfszenarien der Bundeswehr eine nicht mehr wegzudenkende Rolle zugewiesen bekommen, wie folgender Beitrag eines Redakteurs einer anderen Militärzeitschrift offenlegt: »Die klassischen Aufgabenfelder für UAV werden in der Zukunft in den Bereichen Aufklärung (zivil und militärisch), Waffeneinsatz und als Mikro/Mini-Sensorenträger bei verdeckten Operationen liegen. (…) UAV eignen sich grundsätzlich als Waffenplattform zum Bekämpfen von Zielen an Land, in der Luft und im Wasser sowie zum Wirken im Informationsraum« (Wehrtechnik, V/2010, S.108).

Die Praxis von extralegalen Hinrichtungen mittels Drohnen ist völkerrechtswidrig und mißachtet das Recht Unschuldiger auf Leben in extremer Weise. Leider zeichnet sich bei politischen und militärischen Entscheidungsträgern von immer mehr Staaten ein Trend ab, genau diese Praxis zu forcieren. Es ist notwendig, dieses Vorgehen überall und ständig zu skandalisieren und zu kritisieren.

* Michael Haid ist Mitarbeiter der Informa­tionsstelle Militarisierung e.V. Informationen unter: www.imi-online.de

Aus: junge Welt, 12. November 2010



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