Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

EU-Verfassung und Kriegsdienstverweigerung (KDV)

Aus der Sicht eines Kriegsdienstverweigerers*

Die EU-Ratstagung in Laeken (Belgien) im Dezember 2001 hatte festgestellt, dass sich die EU an einem Wendepunkt ihrer Geschichte befinde, der die Einberufung eines "Konvents zur Zukunft Europas" rechtfertige. Die Arbeit dieses Konvents sollte drei Ziele verfolgen:
  • den Bürger/innen das "europäische Projekt" und die europäischen Organe näher zu bringen,
  • das "politische Leben und den europäischen politischen Raum in einer erweiterten Union zu strukturieren" und
  • die EU zu einem "Stabilitätsfaktor und zu einem Vorbild in der neuen Weltordnung zu machen."
Die Ergebnisse des Konvents (1) wurden im Juni 2003 abgeschlossen und enthalten aus Sicht ihrer Verfasser Antworten und Vorschläge für:
  • eine "bessere Aufteilung der Zuständigkeiten der Union" und der Mitgliederstaaten,
  • eine "Zusammenfassung der Verträge und Ausstattung der Union als eigene Rechtspersönlichkeit",
  • eine "Vereinfachung der Handlungsinstrumente" der EU,
  • viele Maßnahmen für mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz in der EU, "Verbesserung der Funktionsweise europäischer Organe" und stärkere Einbeziehung der nationalen Parlamente zur Legitimierung des europäischen Projektes.
All dies soll gebündelt und sichtbar gemacht werden in dem Entwurf für eine Europäische Verfassung, der am 20. Juni 2003 in Thessaloniki dem Europäischen Rat unterbreitet wurde. Der Entwurf soll das Fundament für die künftige Verfassung Europas sein. Dem Entwurf voraus geht eine Präambel, die den Kontinent Europa als "Träger der Zivilisation" beschreibt und sich zu den - den Humanismus begründenden - Werten "Gleichheit der Menschen, Freiheit und Geltung der Vernunft" bekennt. Auch der Entwurf selbst beinhaltet viele gute zivile Ziele und Werte. Artikel 7 erkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der "Charta der Grundrechte" als dem Teil II der EU-Verfassung enthalten sind.

Diese von mir als durchaus erfreulich bewertete Gesamtentwicklung und Orientierung auf eine zivile und freiheitliche Neuordnung eines "neuen", erweiterten Europas wird allerdings durch einige kritische Aspekte sehr beeinträchtigt, wenn nicht vielleicht sogar grundsätzlich infrage gestellt.

Was den Entwurf für eine EU-Verfassung angeht, wundert mich nicht die an sich wünschenswerte Festlegung auf eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (Artikel 15), sondern vielmehr deren ersichtliche Konzentration auf die Rüstungs- und Militärpolitik. Diese erhält durch die besonderen Bestimmungen des Artikels 40 für die "Durchführung der Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik" sogar das Privileg eines mehr als fragwürdigen Verfassungsrangs. Obwohl der Artikel sich auf die Charta der Vereinten Nationen bezieht, die sich bekanntlich durch das Verbot der Androhung und Anwendung von Gewalt auszeichnet, kann dieser Artikel aus zivilem Blickwinkel nur als eine Art manifeste Gewaltandrohung verstanden werden. Denn Absatz 3 des Artikels 40 sieht unverhüllt folgende Bestimmung vor: "Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern." Dem Vorrang ziviler Konfliktbearbeitung, an deren Durchsetzung und ständiger Verbesserung der EU sehr viel mehr gelegen sein sollte, wenn sie sich tatsächlich als "Träger der Zivilisation" in der Welt profilieren will, wird ein entsprechend expliziter "Verfassungsauftrag" leider nicht gewidmet! Dem entgegengerichtet soll ebenfalls qua Verfassung ein "europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten" auf- und ausgebaut werden, zu dessen Aufgabe die "Stärkung der industriellen und technologischen Grundlage des Verteidigungssektors" gehört! Man könnte dem vielleicht noch Positives dann abgewinnen, wenn es einem wohlorganisierten und permanenten Abbau nationaler Rüstungs- und Militärinstitutionen und damit der Verhinderung von künftig 25 Ämtern mit gleicher Aufgabenstellung dienen würde - aber das genaue Gegenteil ist offensichtlich zu befürchten und liegt m.E. aufgrund aller Erfahrung sehr viel näher, auch wenn es sich dabei "nur" um die schrittweise Umwidmung von 25 nationalen Verteidigungsministerien handeln sollte. Insoweit kann ich die Bedenken, die gegen eine "Militarisierung der EU" geäußert werden, nur teilen. Ich hoffe zwar nicht, fürchte aber, dass sie - wie es im Titel einer Broschüre (2) heißt - die "Zivilmacht Europa zerstören" können. Es bleibt folglich eine wichtige Aufgabe der Friedensbewegung, dagegen Widerstand zu organisieren und stattdessen die Entwicklung europäischer "Zivilmacht" zu fördern.

Der Umgang mit dem Recht der Kriegsdienstverweigerung (KDV) im Rahmen der Vorarbeiten (= Erarbeitung der Charta der Grundrechte der EU) für den EU-Verfassungsentwurf zeigt m.E. beispielhaft, wie wenig entwickelt die "Zivilmacht" Europa bisher ist. Zugleich sei konzediert, dass Europa in dieser Hinsicht durchaus etwas weiter fortgeschritten sein mag als andere Regionen dieser Welt und dass sich die deutschen Mitglieder des Konvents für die Charta der Grundrechte der EU - überparteilich (!) - zugunsten der Aufnahme dieses zivilen Freiheitsrechts redlich eingesetzt haben.

Zur Zwiespältigkeit oder Doppelbödigkeit im Umgang mit dem Recht auf KDV in der europäischen Politik möchte ich - um den historischen Kontext wenigstens anzudeuten - mit einigen Anmerkungen etwas weiter ausholen:
  1. Als ein Freiheitsrecht ist die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in nord- und westeuropäischen Staaten "eigentlich" schon seit langer Zeit eingeräumt und im Nachgang zum 1. Weltkrieg auch materiell-rechtlich geregelt worden: In England 1916, den nordeuropäischen Staaten (DK 1917, S 1920; SOU 1922) und in den Niederlanden 1923. Seitdem ist dieses Recht - zumindest als Recht für weltanschauliche Minderheiten - bekannt.
  2. In Deutschland wird das in der NS-Zeit verfemte Recht erst nach dem 2. Weltkrieg im Rahmen des Grundgesetzes anerkannt. Als Bestandteil der Gewissensfreiheit wird mit ihm im Parlamentarischen Rat die Hoffnung auf eine "große pädagogische Wirkung" gegen den vorangegangenen "Massenschlaf der Gewissen" verbunden. Der Menschenrechtscharakter dieses Freiheitsrechtes ist damit eindrücklich unterstrichen und dieses Recht erstmals auf nationaler Ebene als "Grundrecht" in einer Verfassung verankert worden.
  3. Im "Kalten Krieg" ist das Recht auf KDV stets ein "Reizwort" im Rahmen der Menschenrechtsdiskussion gewesen. 1967 forderte eine Entschließung des Europarates (Resolution 337) die Anerkennung dieses Rechts als Bestandteil der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Zuvor hatte die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, 1950) dieses Recht implizit insoweit anerkannt, als nach Artikel 4 Abs. 3 b der EMRK "Dienstleistungen militärischen Charakters" und im Falle der Verweigerung aus Gewissensgründen "anstelle der militärischen Dienstpflicht tretende Dienstleistungen" ausdrücklich nicht als Verstoß gegen das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit nach Artikel 4 der EMRK bewertet werden dürfen.
  4. Bis zum Ende des Kalten Krieges, vor allem seit Beginn der Entspannungspolitik und des Helsinki-Prozesses, der zu den KSZE-Verträgen führte, ist das Recht auf KDV als eine Art Zuspitzung der Gewissensfreiheit ein besonders brisantes Thema für Politik und Diplomatie gewesen. Eine Art Stachel des Westens gen Osten, der aber auch im Westen ein umstrittenes Bürgerrecht ist, an dem sich die Geister scheiden: Die Angst der bewaffneten Staatsmacht vor Menschen, die unbewaffnet leben wollen, hat auch im 'freien Westen' erstaunliche Blüten getrieben, wie die Vorenthaltung oder Blockierung dieses Rechtes z.B. durch mangelnde Akzeptanz oder Ablehnung, fehlende Information, Gewissensprüfungen, Organisation "lästiger" Alternativdienste u.a.m. bis heute belegen. Eine freiheitliche Handhabung dieses Rechtes gilt - bis heute - weithin als bedrohlich für die militärgestützte Staatspolitik. Vielleicht hat gerade deshalb dieses zivile Freiheitsrecht Eingang in fast alle neuen Länderverfassungen gefunden, die unmittelbar nach der politischen Wende ab 1990 in den osteuropäischen Staaten entstanden sind. Bringt dieses Recht doch wie kein anderes das Verhältnis von Bürger und Staat auf den zentralen Punkt: Wie ergeht es dem zivilen Einzelnen im 'ohnmächtigen' Gegenüber zur militärgewaltigen Macht des Staates? Eine bis heute spannende Frage, die in vielen Staaten Europas wie anderenorts höchst unterschiedlich beantwortet wird.
  5. Bis zur politischen Wende 1990 wird die Legitimation dieses Freiheitsrechts in Europa dennoch immer breiter: Es bleibt nicht auf Staaten nordeuropäisch- protestantischer Prägung beschränkt, sondern auch zunehmend mehr Länder katholischer Prägung und Südeuropas regeln dieses Recht mehr oder weniger freiheitlich: Frankreich 1963, Belgien 1964, Italien 1972, Österreich 1974, Portugal 1976 und Spanien 1978, wobei die Einrichtung ziviler Alternativdienste meist erst später folgt, wie z.B. in Spanien 1984. In den 80er Jahren verabschieden der Europarat und das Europaparlament im Wechsel mehr oder weniger ‚verbindliche' Empfehlungen zu ‚KDV und zivilem Alternativdienst', insbesondere um Defizite an freiheitlicher Gestaltung in einzelnen Ländern anzumahnen und zugleich auf eine Harmonisierung unterschiedlicher Standards hinzuwirken. In diesem Sinne lässt die UN-Menschenrechtskommission 1985 einen umfassenden Bericht (3) erstellen und mahnt 1987 mit einer Resolution (E/CN.4/Res/1987/46) die Kriegsdienstverweigerung ausdrücklich als "Bestandteil der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit" nach Artikel 18 der UN-Charta und nach Artikel 18 des Pakts über bürgerliche und zivile Rechte an. In den Folgejahren erinnert die UN - Menschenrechtkommission in zweijährigen Abständen - mit "biennalen Empfehlungen", zuletzt: E/CN.4/Res/2002/45 v. 23.04.02 - die Mitgliedsstaaten der UNO daran, diesem Recht eine verbindliche materiell-rechtliche Grundlage zu geben, soweit dies noch nicht geschehen ist.

    Nach Jahren mehr oder weniger wirksamer Appelle ist im Nachgang zur Resolution des Jahres 2000/34 erstmals über das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte der ein UNO-Bericht erstellt worden, der "die besten Verfahrensweisen im Zusammenhang mit der Anerkennung dieses Rechts zusammenstellt und analysiert". Dieser erste Bericht der Hohen Kommissarin, der 2002 der Menschenrechtskommission vorgelegt wurde (E/CN.4/2002/WP2), lässt einerseits auf eine anhaltende Aufmerksamkeit und auf eine systematische Weiterarbeit zugunsten dieses Menschenrechtes hoffen, andererseits zeigen die dort festgestellten Defizite zugleich, dass das Ziel einer freiheitlichen Regelung dieses Rechts in vielen Mitgliedsstaaten der UNO noch fern ist: Nur rd. 30 der zur Zeit 191 UNO-Mitgliedsstaaten, von denen etwa 90 ihre Soldaten auf Grundlage der Wehrpflicht rekrutieren, haben bisher überhaupt rechtliche Regelungen für die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen.
  6. Wer nun erwartet hatte, bei der Erarbeitung einer von ihrem Anspruch her höchst zivilen "Charta der Grundrechte der EU" im Jahr 2000 würde ein deutliches und klares Signal gegeben worden sein, dass in Europa die Gewissensfreiheit zur Kriegsdienstverweigerung als ein inzwischen selbstverständliches ziviles Freiheitsrecht verstanden wird, der irrt. Schon der gewundene Wortlaut des - erfreulicherweise und immerhin - bei Artikel 10 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) verorteten und damit unstreitigen Menschenrechts zeigt, wie stark eingeschränkt die Staaten ihren Bürgern dieses Recht einräumen oder - in vielen Fällen wohl zutreffender - vorenthalten wollen. Artikel 10 Absatz 2 der Charta der Grundrechte, die Bestandteil der künftigen Verfassung für Europa sein wird, lautet: Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nach den einzelstaatlichen Gesetzen anerkannt, welche die Ausübung dieses Rechts regeln. Diese Formulierung ist freiheitlichen Wertvorstellungen erkennbar unverdächtig, auch wenn die direkte Zuordnung zur Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit als menschenrechtlich weiterführend bilanziert werden kann. Ein erster Kommentar (4) stellt zum Inhalt dieses Wortlauts lapidar fest: Es handelt sich um "ein Recht zur Disposition des nationalen Gesetzgebers … Einführung und Ablehnung dieses Rechts sind gleichermaßen chartagemäß." Es fällt nicht leicht, den Wortlaut dieses Absatzes anders zu bewerten, auch wenn Sinnzusammenhang, Entstehung und die Einordnung in den Kontext europäischer Menschenrechtspolitik durchaus andere Interpretationen zulassen. Auch deshalb darf diese nüchterne juristische Einschätzung nicht den Blick für eine zivile, freiheitliche Perspektive dieses Menschenrechts verstellen.
Eine Erinnerung: Die Proteste der EAK gegen diesen "missglückten" Charta-Wortlaut unmittelbar nach dessen Bekanntwerden noch im Vorfeld der Annahme der Charta sind erfolgt, aber unberücksichtigt geblieben. Mit E-Mail-Schreiben vom 18.09.2002 hatte die EAK die deutschen Mitglieder des Konvents für die EU-Charta gebeten, sich für die entschieden kürzere und klarere Formulierung "Das Recht auf Wehrdienstverweigerung wird anerkannt." einzusetzen. Soweit uns bekannt, ist dies durchaus auch geschehen, soll aber im Konzert divergierender nationaler Interessen nicht durchsetzbar gewesen sein. Eine eher problematische Rolle hat dabei die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK/CEC) gespielt, deren Konsensbereitschaft in dieser Frage ähnlich weit auseinander klaffte wie bei den staatlichen Delegierten. Dieser Zusammenschluss europäischer Kirchen kann somit durchaus als "mitschuldig" für das Zustandekommen dieser restriktiven Formulierung angesehen werden: Im Spannungsfeld zwischen friedensethisch engagiertem Protestantismus und süd-osteuropäischer militär- und nationalstaatsfixierter Orthodoxie war im September 2000 eine dem Chartaentwurf fast wortgleiche "Kompromissformulierung" für diesen erst am Ende der Beratungen durchsetzungsfähigen Grundrechtsartikel entstanden und dem Chartakonvent als offizielle Empfehlung der Konferenz Europäischer Kirchen übermittelt worden. Deren Textvorschlag für Artikel 10 Absatz 2 lautete in deutscher Fassung: "Das Recht der Unionsbürger auf Wehrdienst (Kriegsdienst-)verweigerung aus Gewissensgründen bei Leistung eines Ersatzdienstes nach den einzelstaatlichen Regelungen wird gewährleistet." Stellungnahme der KEK/CEC: "Working Group on Human Rights and Religion" (Genf 16./17. 09.2000) (5).

Ausblick:
Wir müssen nun mit diesem Ergebnis der EU-Grundrechte Charta leben, das Bestandteil der Europäischen Verfassung wird. Die Gewissensfreiheit zur Kriegsdienstverweigerung kann aber sowohl durch freiheitliche einzelstaatliche Praktiken, als auch durch die Rechtssprechung des EU-MRGH, die auch die Empfehlungen und Entschließungen der UNO-Menschenrechtskommission, des Europarates und Europäischer Gremien zur Beurteilung heranzieht, durchaus noch rechtlich positiv ausgestaltet werden. Auch werden die Beitrittsstaaten, wie auch die Mitgliedsstaaten von EU und Europarat an den "freiheitlichen Standards" gemessen, die im Rahmen der allgemeinen Überprüfung der Menschenrechtslage in den Mitgliedsstaaten angelegt werden. Das ist zur Zeit der Fall, dank der Verortung dieses Rechts als Bestandteil der Gewissensfreiheit! Auch im Rahmen der OSZE-Menschenrechtsarbeit und der UN-Menschenrechtskommission ist das Menschenrecht Kriegsdienstverweigerung ein Kriterium der Gedanken- und Gewissensfreiheit. Solange Staaten daran festhalten, junge Menschen zum Militärdienst zu zwingen, dürfte zudem eine relativ große öffentliche Aufmerksamkeit für dieses Thema und auch staatlicherseits Regelungsbedarf vorhanden sein. Letzteres - diese Klarstellung erscheint mir wichtig, um Illusionen vorzubeugen - weniger um den persönlichen Gewaltverzicht und zivilgesellschaftliche Entwicklungen zu fördern, sondern vor allem um dem Militär und den Armeen (Einsatz-)Probleme durch den Umgang mit Verweigerern zu ersparen bzw. um diese außen vor zu halten.

Es bleibt eine wichtige Aufgabe, unbeirrt darauf hinzuarbeiten, dass die materiell-rechtliche Verankerung der Gewissensfreiheit zur KDV auf nationaler Ebene wie im internationalen Recht auch weiterhin so stabilisiert und ausgebaut wird, dass dieses Recht als selbstverständliches ziviles Bürgerrecht für alle gilt, also auch für Soldatinnen und Soldaten, wo immer sie eingesetzt werden. Die freiheitliche Regelung dieser wichtigen Detail-Frage sollte eine klare Antwort darauf sein bzw. werden, dass sich Europa als Zivilmacht versteht bzw. in der Welt profilieren will. Wenn das eingangs genannte Ziel verwirklicht werden soll, dass die erneuerte und erweiterte EU "Stabilitätsfaktor und Vorbild in einer neuen Weltordnung" sein will, dann kann dies nur gelingen, wenn sie sich überzeugend für die Förderung friedlicher Streitbeilegung und damit auch für die Förderung persönlichen Gewaltverzichts als Bestandteil der Gewissensfreiheit engagiert.

Fußnoten
  1. Europäischer Konvent, Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa - Dem Europäischen Rat überreicht auf seiner Tagung in Thessaloniki am 20. Juni 2003, hrsg. Vom Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2003: ISBN 92-78-40169-2, Internet - Bestelladresse/Server Europa: (http://europa.eu.int).
  2. "EU-Militarisierung zerstört die ‚Zivilmacht Europa'", lautet der zugespitzte Titel einer Veröffentlichung des Komitees für Grundrechte und Demokratie, Aquinostraße 7-11, 50670 Köln (1. Auflage Februar 2004). Weitere Beiträge zur kritischen Auseinandersetzung mit dem "Entwurf für eine EU-Verfassung", dessen Annahme gemessen an den eigenen bescheidenen repräsentativ-demokratischen Ansprüchen kaum als demokratisch legitimiert angesehen werden kann, bietet die Homepage des Friedenspolitischen Ratschlags Kassel (www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Europa/welcome.html.) Dort u.a. empfehlenswert Ulrich Duchrow, Der Gott der EU-Verfassung, aus: Zeitschrift Entwicklungspolitik, Heft 5-6/2004. Auch die Zeitschrift "Wissenschaft und Frieden" (w&F) enthält in der Ausgabe 2/2004 einen sehr empfehlenswerten Themenschwerpunkt: "EU - Zivil- oder Militärmacht?", 23. Jgg., S. 6 - 46). Darin zum Thema KDV auch: Gernot Lennert, Kriegsdienstverweigerung in der EU und den Beitrittsländern, S. 43-46.
  3. A. Eide und C.L.C. Mubanga-Chpoya, Conscious Objection to Military Service, Veröffentlichung der Vereinten Nationen, Nr. E.85.XIV.I
  4. Norbert Bernsdorff, Kommentar zu Artikel 10 Gedanken-, Gewissen- und Religionsfreiheit, Absatz 2, in: Jürgen Meyer (Hrsg.), Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Baden-Baden (Nomos) 2003, S. 173 - 182
  5. Per Brief vom 19.09.00 zur Kenntnis übermittelt an die EAK, Eingang: 22.09.00.
* Verfasser: Günter Knebel, Bremen, Geschäftsführer der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK).
Beitrag zur Konferenz der Beauftragten für Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende der Evangelischen Kirche von Westfalen in Dortmund am 22. März 2004. Der Text wurde nach dem mündlichen Vortrag erstellt. Die zitierten jüngeren Dokumente zur Kriegsdienstverweigerung sind präsent auf der EAK-Homepage: www.eak-online.de"


Quelle: www.ekd.de/eak/stellungnahme/stellungnahme.html
Mit bestem Dank an die EAK für die Überlassung des Textes.



Zurück zur Seite "Wehrpflicht-Zivildienst-Kriegsdienstverweigerung"

Zur Seite "Europäische Union"

Zurück zur Homepage