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"Kampfhubschrauber statt Spitäler"

Im abgelaufenen Jahrzehnt sind die Umsätze der vier größten EU-Rüstungskonzerne um 170 Prozent gestiegen

Im abgelaufenen Jahrzehnt sind die Umsätze der vier größten EU-Rüstungskonzerne um 170% gestiegen. Auch in der Krise brummt der Rüstungsmotor. In einer Studie des EU-Rats wird ein „eiserner politischer Wille“ eingefordert, um eine Politik durchzusetzen, die „Steuermittel für Kampfhubschrauber statt für Spitäler verwendet“.

Die vor kurzem vom schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI veröffentlichen Daten zur globalen Rüstungsproduktion sprechen eine klare Sprache. Das abgelaufene Jahrzehnt war ein El Dorado für die Rüstungsindustrie, vor allem die der USA und Westeuropas.

Die Rüstungsumsätze der 100 größten Kriegswaffenproduzenten (ohne China) stiegen im Zeitraum 2000 bis 2010 von 157 Milliarden auf 410 Milliarden US-Dollar, eine Zunahme von 160%. Auch inflationsbereinigt entspricht noch einer Steigerung von rd. 100%. Von diesen 100 Top stammen 44 aus den USA (Umsatzanteil an den Top 100 von 60%) und 30 aus Westeuropa (Umsatzanteil 29%). D.h. die NATO-Rüstungsschmieden zusammen schaffen es auf fast 90%.

Rüstungsaufträge übertreffen des BIP von Portugal

Auch innerhalb der Top 100 gibt es eine enorme Konzentration: Alleine die Top 11 vereinen 58% des gesamten Rüstungskuchens der Top 100 auf sich, sieben davon kommen aus den USA vier aus den EU-Staaten: BAE-Systems (brit.), EADS (deutsch-franz.), Finmeccanica (ital.) und Thales (franz.). Diese vier größten EU-Rüstungsschmieden konnten im abgelaufenen Jahrzehnt ihre Rüstungsumsätze um fast 170% steigern, von 27 auf knapp 74 Milliarden US-Dollar. Auch die tiefe Wirtschaftskrise seit 2008 konnte dem Geschäft von BAE, EADS, Thales und Finmeccanica nicht schaden. Von 2008 bis 2010 sind ihre Umsätze um 18% gewachsen. Die Auftragsbücher dieser Rüstungskonzerne sind randvoll.

Auftragsbestände (in Mrd. Euro, Stand Ende 2010)

Unternehmen Auftragsbestände
EADS (Mil-Sparte) 58,3 Mrd.
BAE-Systems 46,8 Mrd.
Finmeccanica 46,5 Mrd.
Thales 25,0 Mrd.


In Summe ergibt das 176,6 Mrd. an Rüstungsaufträgen in den Büchern alleine dieser vier europäischen Rüstungsfirmen. Zum Vergleich: Das übertrifft deutlich das Bruttoinlandsprodukt von Ländern wie Portugal oder Irland. Alleine der militärische Auftragsbestand von EADS entspricht mehr als dem 1 ½-fachen des Bruttoinlandsprodukts von Ländern wie Bulgarien oder Slowenien. Es sind vor allem die großen EU-Rüstungsprojekte, die die Kassen dieser Rüstungsfirmen klingeln lassen: Die Kampfbomber Eurofighter und Rafale, der Militärtransporter A400M, der Kampfhubschrauber Tiger, das Atomraketenprogramm M51, usw.

EU-Lissabon-Vertrag plus Fiskalpakt = Aufrüstung und Sozialabbau

Während über den EU-Fiskalpakt den öffentlichen Haushalten eine rigide Sparpolitik aufgezwungen werden soll, die insbesondere den Sozial- und Gesundheitsbereich trifft, darf in EU-Europa der Rüstungsmotor weiter kräftig brummen. Darf? Nein, er muss brummen, denn der im Jahr 2009 in Kraft getretene EU-Vertrag von Lissabon verpflichtet die EU-Staaten ausdrücklich dazu, „ihrer militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ (Art. 42, Vertrag über die Europäische Union). Um diese Aufrüstungspflicht besser zu exekutieren, wurde sogar ein eigenes Rüstungsamt ins Leben gerufen, die sog. „Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung.“ Der frühere Chef dieser Rüstungsagentur Nick Witney hat im Auftrag des EU-Rates dargelegt, wozu diese EU-Institution dient: „Wenige Nationalratsabgeordnete wollen vor ihrer Wählerschaft begründen, warum deren Steuern für Kampfhubschrauber statt für Spitäler verwendet werden soll … Militärische Operationen kosten Geld und riskieren Menschenleben. … Nur ein eiserner politischer Wille, untermauert von klarem Zielbewusstsein, kann dafür sorgen, dass sich diese strategische Orientierung gegen kurzfristige Unannehmlichkeiten durchsetzt.“ [1]

Als Mentoren dieser Politik des „eisernen Willens“ benennt Witney den französischen Imperator Napoleon und den preußischen General Clausewitz. Wir ahnen, was die EU-Machteliten von Demokratie halten.

Quelle:
[1] Re-energising Europe`s Security and Defence Policy, Nick Witney , Policy Paper im Auftrag des European Council on Foreign Relations (ecfr.eu), Juli 2008


EU ist Weltmeister beim Geschäft mit dem Tod

Die jüngsten vom Friedensforschungsinstitut SIPFI veröffentlichen Zahlen zeigen, dass die EU beim Rüstungsexport zur globalen Nr. 1 aufgestiegen ist. Besonders viel westliches Kriegsgerät geht an die Feudaldiktaturen am Golf. Die Mächtigen in der EU interessiert ihre Menschenrechtsrethorik kein bisschen, sobald es um Geschäft und Machtpolitik geht.

Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI listet jährlich die weltweiten Rüstungsexporte auf. Die vor kurzem erschienen bis 2011 aktualisierten Daten über das Geschäft mit dem Tod sprechen eine deutliche Sprache:
  • Im Zeitraum 2007-2011 kam es im Vergleich zum Zeitraum 2002-2006 zu einer Zunahme der Kriegsmaterialausfuhren um 24% (real, also inflationsbereinigt).
  • Im letzten Jahrzehnt sind die EU-Staaten zur Nr. 1 beim Rüstungsexport aufgestiegen. Sie liegen mit fast einem Drittel aller weltweiten Waffengeschäfte knapp vor den USA mit rd. 31% und Russland mit 25%. In den 90er Jahren lagen die USA noch klar in Führung beim Geschäft mit dem Tod. USA und EU vereinigen auf sich zusammen rd. 63% der globalen Rüstungsexporte.
  • Innerhalb der EU ist Deutschland auch beim Kriegswaffenexport zum Euro-Champion aufgestiegen und hat mittlerweile Frankreich überflügelt. Der Zuwachs der deutschen Waffenausfuhren im Fünfjahresvergleich 2002-2006 zu 2007-2011 beträgt satte 37%. Die drei Großen der EU – BRD, Frankreich und Großbritannien – vereinigen auf sich zwei Drittel der EU-Waffenexporte.
  • Aufschlussreich ist auch, an wen die EU-Staaten die todbringenden Güter liefern: Rd. 55% der europäischen Waffenexporte gehen in Länder der sog. „3. Welt“. Ganz weit vorne finden sich Diktaturen wie Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Katar – also Staaten, in denen gefoltert wird, freie Wahlen verboten sind, Gewerkschaften verfolgt und Frauenrechte mit Füßen getreten werden. Die Mächtigen in der EU interessiert ihre Menschenrechtsrethorik kein bisschen, sobald es um Geschäft und Machtpolitik geht.
Johanna Weichselbaumer, Aktivistin der Solidar-Werkstatt und Verfasserin einer Anklageschrift gegen die NATO-Kriegstreiber beim Libyen-Krieg, resümiert angesichts der Ergebnisse von SIPRI: „Auch beim Rüstungsgeschäft sieht man: Die Hauptgefahr für den Frieden geht von den westlichen Großmächten aus. Dass die EU mittlerweile Rüstungsexporteur Nr. 1 in der Welt ist, zeigt einmal mehr, dass die Propaganda von der angeblichen „Friedensmacht EU“ wohl zu den dreistesten Lügengeschichten von Politik und Medien gehört.“

Quelle: www.sipri.org

* Beide Artikel aus: WERKSTATT-Blatt (früher: "guernica"), Österreich; http://www.werkstatt.or.at


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