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South Stream: EU hängt am Energie-Tropf Russlands

Während des Bulgarien-Besuchs von Russlands Präsident Wladimir Putin wurden mehrere Abkommen im Energiebereich unterzeichnet

Igor Tomberg *

Während des Bulgarien-Besuchs von Russlands Präsident Wladimir Putin wurden mehrere Abkommen im Energiebereich unterzeichnet.

Zu den wichtigsten Vereinbarungen gehören der Bau der Ölpipeline Burgas - Alexandropoulis und die Errichtung des AKW im bulgarischen Belene. Trotz pessimistischer Prognosen kam auch ein Vertrag über die Gasrohrleitung South Stream zustande. Sie wird aus Russland durch das Schwarze Meer nach Bulgarien führen und sich dann in zwei Abzweigungen teilen, eine nördliche und eine südliche. Das Projekt wird die Gasversorgung vieler europäischer Länder ermöglichen, darunter von Rumänien, Ungarn, Tschechien, Italien, Österreich und Serbien. Den Meeresabschnitt der Pipeline wird Gasprom gemeinsam mit dem italienischen Energiekonzern Eni, die Abschnitte auf dem Festland mit Gasunternehmen interessierter Länder bauen. Die Leistung von South Stream wird 30 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr erreichen, die Lieferungen sollen 2013 anlaufen.

Über die Routen von South Stream antwortete Gasprom-Chef Alexej Miller in Sofia auf die Fragen der Medien wie folgt: "Zur Zeit liegen mehrere Varianten vor, und unsere gemeinsame Arbeit wird zeigen, welche davon auszuwählen ist." Vorläufig steht fest, dass als wichtiges Transitgebiet Serbien in dem Projekt betrachtet wird, mit welchem Gasprom ebenfalls die Verhandlungen über den Bau einer Gaspipeline abschließt. Miller fügte hinzu: "Ein Regierungsabkommen ist vorbereitet worden, die Verhandlungen treten ins Abschlussstadium."

Als Gasprom Serbien die Beteiligung am Projekt anbot, äußerte der russische Gasmonopolist den Wunsch, den serbischen Staatsölkonzern NIS zu privatisieren. Aus diesem Anlass entbrannte dort ein erbitterter politischer Kampf zwischen Anhängern und Gegnern des Energie-Bündnisses mit Russland. Gasprom bietet Serbien für 51 Prozent der NIS-Aktien 400 Millionen Euro und Direktinvestitionen in Höhe von 500 Millionen Euro. Zudem verpflichten sich die Russen, die Schulden des Konzerns (600 Millionen Euro) zu begleichen, einen Abschnitt der South-Stream-Pipeline nach Serbien zu verlegen, die Kapazität des Gasspeichers Banatski Dvor von 800 Millionen auf drei Milliarden Kubikmeter auszubauen und den Balkan-Staat zu einem Knotenpunkt der Gasverteilung in Südosteuropa zu machen. Laut Serbiens Botschafter in Russland, Stanimir Vukicevic, könnte sein Land wegen dem Gastransit mit einer Jahreseinnahme von 100 bis 150 Millionen Euro rechnen.

Für das Geschäft mit Gasprom setzt sich Ministerpräsident Vojislav Kostunica ein. Die Konkurrenten - die australische OMV und die ungarische MOL - hatten einen höheren Preis für das Paket versprochen. Gegen das Abkommen ist die EU-Kommission, in der Befürchtungen geäußert werden, South Stream werde die Gasabhängigkeit der EU von Russland verstärken und Serbien zu seinem Vorposten auf dem Balkan machen. Serbiens Wirtschaftsminister Mladjan Dinkic, der eindeutig mit OMV und MOL sympathisiert, schlägt vor, die 51 Prozent der NIS-Aktien bei einer Ausschreibung für zwei Milliarden Euro anzubieten. Dabei schätzte die serbische Regierung zuvor die gesamten NIS-Aktien auf nur 800 Millionen Euro.

Im Ergebnis konnte Serbien vorige Woche Russland in Bezug auf NIS und auch auf South Stream keine endgültige Antwort geben. Zugleich fand bei NIS vergangene Woche ein Wechsel im Management seinen Auftakt: Die Anhänger von Kostunica haben bereits mehrere Anhänger von Tadic auf Führungsposten ersetzt. Das ist ein indirektes Zeichen dafür, dass der Verkauf des Kontrollpakets von NIS an Gasprom doch zustande kommen könnte. Die Präsidentenwahl in Serbien hat Gasprom die Aufgabe erschwert, doch sieht es ganz danach aus, als wären die Anhänger des Energie-Bündnisses in der Mehrheit. Zudem ist angesichts der Situation im Kosovo wohl kaum zu erwarten, dass die Serben mit Brüssel und seiner Gaspolitik ausdrücklich sympathisieren werden.

In Sofia betonte Gasprom-Chef Alexej Miller, dass der Start der praktischen Realisierung der South-Stream-Pipeline bereits freigegeben worden ist. Wie er sagte, wird es dieses Projekt ermöglichen, den Gasbedarf der südosteuropäischen Länder voll zu decken. Dennoch erklärte die Europäische Union erneut, sie unterstütze das alternative "Nabucco"-Projekt von Aserbaidschan, Georgien, der Türkei, Bulgarien, Ungarn, Rumänien und Österreich.

Das ist nicht ganz verständlich, zieht man in Betracht, dass Europa heute keine Alternative zu russischem Gas hat. Von "Nabucco" ist kaum viel zu erwarten. Die Gasleitung, die für den Transport von 30 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr bestimmt ist, kann bestenfalls zur Hälfte (zwölf bis 15 Milliarden Kubikmeter) ausgelastet werden. Zudem sehen die Initiatoren des Projektes hauptsächlich turkmenisches Gas als seine Ressourcenbasis an. Das löst Besorgnisse aus.

Turkmenistan hält gemeinhin die Angaben über seine Vorräte streng geheim, und ernsthafte Teilnehmer des Gasmarktes trauen den Erklärungen seiner führenden Politiker über die unermesslichen Reserven nicht so ganz. Indirekt wurden Turkmenistans "Vorkommen-Probleme" durch den diesjährigen kalten Winter bestätigt, als Aschchabad den Export nach Iran und Russland drosselte. Während im Fall Iran das Streben nach Preiserhöhung als Grund betrachtet werden könnte, sind die ausgefallenen Lieferungen von täglich 40 Millionen Kubikmeter an Russland, das gerade einer Preiserhöhung zugestimmt hat, ein besorgniserregendes Signal für all jene, die mit dem zentralasiatischen "blauen Brennstoff" rechnen.

Am Freitag (18. Jan.) wurde außerdem ein Abkommen über die Gründung einer internationalen Gesellschaft unterzeichnet, die sich mit der Machbarkeitsstudie für die Ölrohrleitung Burgas - Alexandropoulis (unter Umgehung der türkischen Meerengen Bosporus und Dardanellen) befassen wird. Zusammen mit dem Beginn der Vorbereitungsetappe des South-Stream-Projektes zeugt diese Vereinbarung von einem Erfolg bei der Aktivierung der russischen

Energie-Diplomatie in Südeuropa und auf dem Balkan. Russland hat einen abermaligen Schritt zu neuen Transportaktiva in der Region getan und so erneut sein Streben gezeigt, nicht nur die Öl- und Gasvorräte, sondern auch das Transportnetz zu kontrollieren.

* Igor Tomberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Energiestudien am Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften und Professor an der Moskauer Staatlichen Hochschule für Internationale Beziehungen (MGIMO).

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti; http://de.rian.ru


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