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"Als Bündnispartner müssen wir bereit sein auch dasselbe Risiko wie unsere Verbündeten zu tragen"

Bundestag beschließt Tornado-Einsatz - 157 Abgeordnete votieren dagegen - Die ganze Debatte im Wortlaut und alle Namen der "Nein"-Sager

Unter Tagesordnungspunkt 21 beriet der Deutsche Bundestag am 9. März 2006 über den Antrag der Bundesregierung, sechs Tornado-Aufklärungsflugzeuge nach Afghanistan zu entsenden. (Die erste Lesung hatte am 28. Februar 2007 stattgefunden; hier geht es zur Dokumentation dieser Debatte.)
Die Debatte am 9. März zeichnete sich dadurch aus, dass der rechtliche Rahmen sehr breit diskutiert wurde. Das hat damit zu tun, dass vorher bekannt wurde, dass die Abgeordneten Wimmer und Gauweiler von der CDU/CSU-Fraktion beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen das Tornado-Mandat einreichen würden. Außerdem kam es zu einem ZTwischenfall, von dem sich insbesodere die Fraktionen der GRegierungskoalition "peinlich" berührt zeigten: Abgeordnete der Linksfraktion hielten zu Beginn der Rede von Weiskirchen (SPD) Plakate in die Höhe, auf denen die Zahl 77 prangte - als Erinnerung an eine Umfrage, wonach sich 77 Prozent der Bevölkerung gegen eine Tornado-Entsendung ausgesprochen haben. Die Abgeordneten der LINKEN wurden des Saales verwiesen. Aus dem Stenografischen Protokoll ist nicht ersichtlich, wann die Abgeordneten wieder auf ihre Plätze zurück kehren konnten.
Eine weitere Besonderheit: Selten gab es so viele persönliche Erklärungen, die im Nachgang zur Debatte abgegeben wurden. Sie geben Auskunft über die persönliche Meinung der Abgeordneten und begründen ihr Abstimmungsverhalten. Dabei werden sehr viele Argumente vorgetragen, die in der Sitzung selbst nicht zum Zug kamen. Insofern sind diese Erklärungen ebenfalls ein wichtiges Dokument. (Wir haben sie hier dokumentiert: "Daher lehnen wir die Entsendung von acht Recce-Tornados nach Afghanistan und deren Einsatz ab".)
Im Folgenden dokumentieren wir die Reden vom 9. März, verzichten dabei allerdings soweit es geht auf Zwischenrufe und Beifallsbekundungen. Daran anschließend dokumentieren wir die Nein-Stimmen und Enthaltungen der namentlichen Abstimmung.
Die Reden (und Kurzinterventionen) erfolgten in dieser Reihenfolge:

Deutscher Bundestag - 16. Wahlperiode - 86. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. März 2007

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1413 (2002), 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005) und 1707 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
– Drucksachen 16/4298, 16/4571 –

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gestern ist der deutsche Entwicklungs- und Wiederaufbauhelfer der Welthungerhilfe Dieter Rübling im Norden Afghanistans ermordet worden. Wir alle trauern um Dieter Rübling. Wir danken ihm für sein zutiefst humanitäres Engagement. Unsere Gedanken sind bei der Familie und den Freunden des Toten. Wir trauern mit ihnen. Wir trauern mit der Welthungerhilfe, die seit über zwei Jahrzehnten so wertvolle Arbeit in Afghanistan und weltweit leistet.

Dieter Rübling ist in dieser schweren Zeit nach Afghanistan gegangen, um den Menschen dort beim Wiederaufbau selbstlos zu helfen. Afghanistan nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs, der Fremdherrschaft und des Talibanregimes wiederaufzubauen und zu stabilisieren, ist eine der schwierigsten Aufgaben, die es in diesen Tagen gibt. Die Arbeit der zivilen Helfer und Helferinnen, die unbewaffnet sind, ist mit großen Gefährdungen und Risiken verbunden. Dies wird allzu oft vergessen, wenn von zivilem Wiederaufbau gesprochen wird. Umso mehr verdienen die Aufbauhelferinnen und Aufbauhelfer in Afghanistan unser aller Hochachtung, Respekt, Unterstützung und Dank.

Wir fordern alle afghanischen Behörden auf, die Mörder zu stellen und der gerechten Strafe zuzuführen. Noch immer wissen wir nicht genug über die Hintergründe dieses Mordes. Aber ich will sagen: Unser Land hat seit 2001 allergrößte Anstrengungen unternommen, um den Menschen in Afghanistan zu helfen. Entwicklungshelfer und Entwicklungshelferinnen sowie Soldaten haben ihr Leben riskiert, um den geschundenen Menschen in Afghanistan beim Aufbau ihres Landes zu helfen. Wir bauen Schulen, wir sorgen für die Wasserversorgung, wir helfen vor allem den Frauen und Kindern. Die Menschen in Afghanistan, die auf uns hoffen, können sich darauf verlassen, dass wir sie auch in Zukunft nicht im Stich lassen und uns nicht zurückziehen werden. Das sind wir ihnen schuldig. Das sind wir aber auch dem Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe schuldig, um den wir heute trauern. Das sind wir all denen schuldig, die Aufbauarbeit leisten.
Ich danke Ihnen.

Dr. Werner Hoyer (FDP):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Namens der FDP-Fraktion danke ich Ihnen, Frau Bundesministerin, dafür, dass Sie diese Debatte eröffnet haben, und für die Worte, die Sie gefunden haben. Ich denke, der ganze Deutsche Bundestag teilt das Bedauern und die Betroffenheit, die Sie zum Ausdruck gebracht haben.

Meine Damen und Herren, es wäre vielleicht auch sonst gar nicht schlecht gewesen, dass die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung diese Debatte eröffnet; denn an diesem furchtbaren Ereignis von gestern ist deutlich geworden, wie gefährlich die Lage ist und dass wir uns nicht in eine Situation begeben sollten, in der wir insofern zwischen Nord und Süd, Zivilem und Militärischem, Aufbau und Schutz sowie Deutschen und Amerikanern, Kanadiern oder Italienern unterscheiden. Jeder Tote ist einer zu viel.

Im Zentrum unserer Debatte steht aber zunehmend die Notwendigkeit des Aufbaus in Afghanistan – das kommt in allen Anträgen der Fraktionen des Deutschen Bundestages zum Ausdruck –, die Notwendigkeit, diesen Aufbau voranzutreiben, effektiv zu machen und schnell wirksam werden zu lassen. Ich würde es begrüßen, wenn es vielleicht durch Überweisung in die Ausschüsse gelingen würde, diese Anträge der Fraktionen – zumindest von Schwarz/Rot sowie von Grün und Gelb – zu einem gemeinsamen Antrag zusammenzuführen. Es wäre ein starkes Signal, wenn der Deutsche Bundestag die Notwendigkeit dieses Umsteuerns gegenüber der Regierung gemeinsam kraftvoll zum Ausdruck bringen würde.

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion wird dem Antrag der Bundesregierung mit großer Mehrheit zustimmen. Es gibt bei uns aber kein Hurra. Ich habe Ihnen in der letzten Woche die außerordentlich schwierige Abwägung, die wir vorgenommen haben, hier ausführlich vortragen können und will mich nicht wiederholen. Es ist klar, dass viele Kolleginnen und Kollegen die schiefe Ebene fürchten. Deswegen ist es wichtig, deutlich zu machen, dass wir aufpassen werden, dass wir nicht weiter in etwas hineinrutschen, was wir dann nicht mehr beherrschen können.

Es ist wichtig, dass wir respektieren, dass es Kolleginnen und Kollegen gibt, die befürchten und Sorge haben, dass wir vielleicht vergessen, warum wir überhaupt dort sind, welche Verantwortung wir für das Leben der Menschen in Afghanistan und für unsere eigenen Entwicklungshelfer, Soldaten und andere haben, die sich um den Aufbau Afghanistans bemühen. Es gibt übrigens auch solche, die Sorge haben, dass wir vergessen, dass wir Teil eines Bündnisses sind, das für uns ein Teil der Staatsräson ist, und dass wir der Renationalisierung unserer Sicherheitspolitik ein für alle mal abgeschworen haben.

Das ist keine leere Floskel. Was heißt denn Bündnisfähigkeit? – Bündnisfähigkeit heißt doch nicht, einem anonymen Organ oder den amerikanischen Freunden zu gefallen. Bündnisfähigkeit bedeutet, in der Lage zu sein, auf politische und militärische Strategie, Taktik und Operationsführung aktiv Einfluss zu nehmen, gemeinsam getroffene Entscheidungen solidarisch zu tragen, gegebenenfalls dort, wo ein Veränderungsbedarf gegeben ist, gemeinsam umzusteuern und gegebenenfalls – auch das kann niemand ausschließen – eines Tages gemeinsam herauszugehen.

Meine Damen und Herren, die Notwendigkeit der Umsteuerung ist evident. Es ist dringend geboten, das Politische vor das Militärische und den Aufbau vor den Aufmarsch zu setzen sowie die Priorität der Politik zu gewährleisten. Das muss sich auch in der Rhetorik widerspiegeln. Wir bringen uns doch unnötig in ein falsches Licht, wenn wir immer von dieser Offensive reden, ohne dabei zu sagen, dass sie dazu dient, den Aufbau zu schützen. Es würde nämlich die Arbeit unserer Entwicklungshelfer unmöglich machen, wenn zum Beispiel von den Taliban, wie angekündigt, der riesige Staudamm, der fast eine halbe Million Menschen mit Wasser versorgen soll, zerstört würde. So macht das ja alles Sinn. Aber sich selbst rhetorisch in die Situation des Aggressors zu bringen, ist nicht sonderlich klug.

Auch hier ist Umsteuerung und damit rhetorische Abrüstung geboten.

Nun, meine Damen und Herren, zur großen Sorge, die viele von uns haben: Stehen wir möglicherweise vor dem Scheitern? Helfen uns da Durchhalteparolen? Hilft es uns, wenn wir markig sagen: Afghanistan ist erst verloren, wenn wir es verloren geben? Nein, meine Damen und Herren, das wird den Risiken und der Komplexität der Aufgabe nicht gerecht. Wir brauchen eine realistische Definition unserer Ziele. Wenn wir daran gehen, müssen wir Abstriche machen, nicht bei der Aufbauarbeit, Frau Bundesministerin, nicht bei der konkreten Hilfe für die Menschen – diese ist notwendig –, sondern bei der Vorstellung, wir könnten innerhalb kürzester Zeit eine Westminsterdemokratie entwickeln und wären in der Lage, innerhalb kurzer Zeit die Errungenschaften der Aufklärung über das Land zu bringen.

Wenn es uns in Erinnerung an das, was vor dem 11. September in Afghanistan los war und was danach geschaffen wurde, gelingt, die Menschen besser vor eklatanten Menschenrechtsverletzungen zu schützen, wenn es gelingt, uns selber hier in Europa und anderswo den Terror vom Leibe zu halten, dann haben wir sehr viel gewonnen. Dazu können die Aufklärer der Bundeswehr einen Beitrag leisten. Denn sie leisten natürlich auch einen wichtigen Beitrag zum Schutz der eigenen Soldaten, zum Schutz unserer Verbündeten und zum Schutz der Menschen in Afghanistan vor so genannten Kollateralschäden, das heißt vor der Einbeziehung unschuldiger Zivilisten in Kriegshandlungen. Nach schwieriger Abwägung werden wir deshalb dem vorgelegten Antrag der Bundesregierung mit großer Mehrheit zustimmen.
Ich danke Ihnen.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Ministerin Wieczorek-Zeul, auch im Namen meiner Fraktion möchte ich Ihnen herzlich für Ihre einfühlsamen Worte danken, die Sie zum Tode von Dieter Rübling gefunden haben. Sein Tod sollte uns allen eine Mahnung sein, dass die Lage in Afghanistan gefährlich ist, unser Engagement dort wichtig ist und wir Afghanistan eben nicht verloren geben dürfen.

Wenn wir uns die gesamte Lage in Afghanistan vor Augen führen, dann ergibt sich, wie der Kollege Hoyer zu Recht geschildert hat, ein differenziertes Bild. Es gibt gute und es gibt schlechte Nachrichten. Eine gute ist, dass Afghanistan heute kein sicherer Hafen für global agierende Terroristen mehr ist, dass die Taliban von der Macht vertrieben sind und dass die Terrorcamps von al-Qaida in Afghanistan zerschlagen sind.

Eine schlechte Nachricht ist, dass insbesondere das letzte Jahr, in dem die Zahl der Selbstmordattentate um das Fünffache zugenommen hat und der Drogenanbau enorm angestiegen ist, für Afghanistan und die internationale Gemeinschaft ein schwieriges Jahr gewesen ist. Es bleiben uns realistischerweise nur noch 18 bis 24 Monate, um den Trend zur Destabilisierung zu stoppen und die Trendumkehr zu bewerkstelligen. Wenn uns das nicht gelingt, besteht die Gefahr, dass Afghanistan erneut zu einem Rückzugsraum für islamische Fundamentalisten wird, die in ihrem Hass auf alles Westliche und Liberale die Welt erneut mit transnationalem Terrorismus überziehen wollen. Es handelt sich deshalb bei Afghanistan eben nicht um irgendein Entwicklungsland am Hindukusch, sondern unser Erfolg dort ist von geopolitischer Bedeutung. Deswegen hat Peter Struck auch völlig recht, wenn er davon spricht, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt wird.

Wir setzen mit unserer Afghanistanpolitik, sowohl was die Ziele als auch was die Prinzipien angeht, das fort, was unter der rot-grünen Bundesregierung begonnen wurde. Wir müssen heute darüber nachdenken, wie wir unsere Maßnahmen der veränderten Lage anpassen; aber es gibt ausdrücklich weder bei den Zielen noch bei den Prinzipien eine Veränderung. Deswegen finde ich es wenig glaubwürdig, wenn ehemalige Mitglieder der rotgrünen Bundesregierung heute gegen den Einsatz stimmen oder wenn die Menschenrechtsbeauftragte der früheren Bundesregierung sich gegen diesen Einsatz ausspricht.

Außerdem ist der militärische Einsatz unter Rot-Grün deutlich gefährlicher gewesen als heute; denn unter Rot- Grün haben wir Bodentruppen im Süden gehabt, haben deutsche Spezialkräfte gegen al-Qaida gekämpft.

Wir brauchen eine nüchterne Analyse der kritischen Lage. Wir müssen erkennen, dass die Entwicklung der Lage nicht allein eine Folge der Ausweitung des ISAFEinsatzes in den Süden und den Osten des Landes ist.

Zur Herstellung der Stabilität im Süden und im Osten des Landes muss ISAF – nicht im völkerrechtlichen, aber im militärischen Sinne – Krieg führen. Es geht um asymmetrische Kriegsführung. Dazu werden die Tornados einen erforderlichen Beitrag leisten. Es ist eine Illusion, zu glauben, man könne die Operationen ISAF und OEF strikt voneinander trennen. Beide Operationen werden immer weiter miteinander verschränkt. Es gelten dieselben Einsatzregeln. Deutschland hat – auch bereits unter Rot-Grün – beide Operationen mandatiert. Die Erfolge von OEF und ISAF sind eng miteinander verknüpft.

Deswegen wäre es falsch, den Begriff „restriktiv“ im Antrag der Regierung so zu verstehen, dass ISAF prinzipiell OEF Informationen vorenthalten würde. „Restriktiv“ bedeutet, dass die militärische Führung über die Weitergabe der Informationen entscheidet. Aber, wie gesagt, die Erfolge beider Operationen hängen eng miteinander zusammen.

Auch eine Illusion ist, dass es im Rahmen der NATO unterschiedliche Strategien geben kann. Es gibt unterschiedliche Verantwortungsbereiche; aber wir haben nur gemeinsam Erfolg oder würden gemeinsam scheitern. Von der Entwicklung in der nächsten Zeit wird abhängen, ob die bisherigen und die mittlerweile zusätzlich bereitgestellten militärischen und zivilen Mittel ausreichen. Deswegen ist es heute aus meiner Sicht nicht viel mehr als eine vage Hoffnung, dass wir, wie einige glauben, mit der Zustimmung zum Tornadoeinsatz von weiteren Anforderungen in Bezug auf den Süden und Osten des Landes verschont bleiben. Als Bündnispartner müssen wir bereit sein, nicht nur dieselben Lasten, sondern auch dasselbe Risiko wie unsere Verbündeten zu tragen. Das ist das Wesen eines Bündnisses. Nur so wird es uns auch gelingen, den erforderlichen Einfluss auf die Gesamtstrategie der NATO auszuüben.

Wenn ich davon gesprochen habe, dass wir uns viel mehr anstrengen müssen als bisher, dann gilt das nicht nur in militärischer, sondern auch und vor allem in ziviler Hinsicht. Weite Teile der afghanischen Bevölkerung empfinden keine Verbesserung ihrer Lebensgrundlagen. In der Wahrnehmung der afghanischen Bevölkerung – nur die ist entscheidend – ist die bisherige Entwicklungsbilanz nicht überzeugend. Dabei gibt es sicherlich überzogene subjektive Wahrnehmungen; aber wir müssen dafür sorgen, dass wir die Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen und Verbesserungen erreichen, die die Menschen in Bezug auf ihre Lebenswirklichkeit auch als solche empfinden.

Ohne Entwicklung gibt es keine Sicherheit, aber ohne Sicherheit eben auch keine Entwicklung. Dazu muss die internationale Gemeinschaft in allen Bereichen – beim Aufbau der Polizei, beim Aufbau der Rechtsstaatlichkeit, beim Aufbau der Verwaltung, bei der Bekämpfung des Drogenanbaus und der Förderung von Anbaualternativen –, die wir gemeinsam übernommen und in internationalen Konferenzen festgelegt haben, ihre Anstrengungen wesentlich erhöhen.

Wir brauchen bereits in den nächsten Monaten einen „Big Push“ beim Aufbau des Landes. Es geht um eine Konzentration der Kräfte und einen rascheren Mittelabfluss in die prioritären Bereiche. Wir brauchen Leuchtturmprojekte, die der Bevölkerung in Afghanistan deutlich machen, dass wir auf ihrer Seite sind und dass sich unser Engagement für sie lohnt.

Zwischenfrage Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Herr Kollege von Klaeden, Ihre Redezeit geht zu Ende, aber Sie haben bis jetzt mit keinem Wort die schwerwiegenden verfassungs- und völkerrechtlichen Bedenken, die aus Reihen Ihrer Fraktion vorgebracht werden, erwähnt. Sie wissen, dass nach der Abstimmung einige Mitglieder Ihrer Fraktion eine Verfassungsklage in Karlsruhe einreichen.

Meine Frage lautet: Ist Ihnen nicht bewusst, dass das, was Sie hier vortragen, eine Aufforderung zu einem schweren Völkerrechtsbruch ist? Ich will zur Begründung drei Punkte anführen.

Erster Punkt. Sie schicken die Tornados in einen Krieg im Süden Afghanistans, der nach übereinstimmender Meinung von Kollegen nicht nur des Europaparlaments, sondern auch dieses Parlaments schon lange die Genfer Konvention verletzt.

Zweiter Punkt. Sie haben gesagt, dass ISAF und OEF ununterscheidbar sind und zusammenwachsen. Das ist eine Sprengung des Mandats von ISAF, also eine schwere Völkerrechtsverletzung.

Dritter Punkt. Die Einbeziehung in OEF, also in den Antiterrorkampf gegen al-Qaida – Sie haben selbst gesagt, dass die Camps gar nicht mehr bestehen –, kann nicht mehr als Verteidigungsauftrag nach Art. 51 Abs. 6 der UNO-Charta begründet werden. Sechs Jahre Selbstverteidigung sind eine Absurdität. Das alles ist auch nicht mit dem Verteidigungsauftrag unserer Verfassung zu begründen.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Herr Kollege Paech, das tue ich gerne. Wir haben die verfassungs- und völkerrechtlichen Bedenken, die von zwei Kollegen meiner Fraktion geäußert wurden, in unserer Fraktion und ebenfalls im Auswärtigen Ausschuss ausführlich erörtert. Ich muss aber gegen diese Mischung von Vorurteilen und üblen Unterstellungen, die Sie gerade in Ihrer Frage, was das Vorgehen der NATO in Afghanistan angeht, geäußert haben, protestieren und möchte meine beiden Kollegen, die diese Bedenken geäußert haben, gegen die Vereinnahmung durch Sie in Schutz nehmen.

Zur verfassungsrechtlichen und zur völkerrechtlichen Situation. OEF ist mandatiert durch denn Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf der Grundlage der Selbstverteidigung. Diese Mission ist bisher nicht abgeschlossen. Wenn Sie sich mit der Situation vor Ort beschäftigen, dann wissen Sie, dass der Aufwand für OEF immer weiter abgeschmolzen wird. Die Zahl der für Afghanistan vorgesehenen Einsatzkräfte ist längst nicht mehr so hoch wie vor einigen Jahren.

Damit korrespondiert die Ausweitung des ISAF-Einsatzes. ISAF steht für die Stabilisierung und Unterstützung der afghanischen Regierung. Dieser Einsatz ist ebenfalls mandatiert durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat ausdrücklich gefordert, dass die Operationen ISAF und OEF in Afghanistan stärker miteinander verschränkt werden. Wir stehen also mit beiden Missionen auf einer klaren völkerrechtlichen Grundlage.

Was die verfassungsrechtlichen Bedenken angeht, so muss man sagen: Die Kollegen beziehen sich auf ein Minderheitenvotum, das vom Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung von 1994 geäußert worden ist. Dieses Minderheitenvotum ist aber in weiteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes aufgegeben worden. Man kann zwar nach wie vor die in diesem Votum dargelegte Rechtsansicht vertreten, aber man kann für sie nicht mit Unterstützung des Bundesverfassungsgerichts – auch nicht in Form eines Minderheitenvotums – rechnen.

Ich war dabei, die Prioritäten zu erläutern, die sich auf ziviler Seite ergeben. Das gilt für den Aufbau und Ausbau der Infrastruktur, insbesondere für den Straßenbau, die Energie- und die Wasserversorgung. Wir brauchen diese Projekte als Katalysator für eine friedliche und erfolgreiche Entwicklung in Afghanistan. Dabei sollten wir uns auch vor Augen führen, dass wir uns in unseren Bildungs- und Frauenförderprojekten stärker darauf konzentrieren – ich weiß, dass das für manchen politisch nicht korrekt klingt –, was die religiösen und kulturellen Traditionen dieses Landes sind, um mit solchen Projekten nicht konservativen oder fundamentalistischen Kräften in die Hände zu spielen.

Ich habe davon gesprochen, dass Afghanistan eine geopolitische Dimension hat. Dazu gehört eben auch, den Blick auf die Nachbarn Afghanistans zu richten: auf den Iran und insbesondere auf die Nuklearmacht Pakistan. Wir wissen, dass Pakistan enorme Schwierigkeiten hat, in seiner Grenzregion, in den sogenannten Tribal Areas, zu Afghanistan die Staatsgewalt auszuüben. Wir wissen, dass es dort Lager für Flüchtlinge aus Afghanistan mit über 3 Millionen Menschen und Koranschulen, sogenannte Madrassas, gibt, in denen der Nachwuchs der Taliban herangezogen wird.

Wir müssen alles tun, um auch die pakistanische Regierung bei der Herstellung der Staatsgewalt zu unterstützen. Wir müssen sie aber auch an dem messen, was sie international versprochen hat. Dazu brauchen wir einen institutionalisierten Dialog zwischen Afghanistan und Pakistan sowie die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, damit es dazu kommen kann, dass gerade in den Grenzregionen eine entsprechende Stabilisierung stattfinden kann.

Ein letzter Blick auf das, was andere leisten. Die Kanadier haben gerade ihren Entwicklungshilfeansatz um 200 Millionen kanadische Dollar erhöht. Die Amerikaner haben ihre Mittel für den zivilen Aufbau um 10,9 Milliarden US-Dollar erhöht. Allein 2 Milliarden US-Dollar sind für die Unterstützung alternativer Anbaumethoden zur Bekämpfung des Drogenanbaus vorgesehen.

Wenn wir glaubwürdig bleiben wollen, dann müssen wir bereit sein, sowohl auf militärischer als auch vor allem auf ziviler Seite deutlich mehr zu tun.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Kurzintervention Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lieber Herr Kollege von Klaeden, als Befürworter von ISAF, die wir beide sind, hätten wir darüber streiten können, ob der Einsatz dieser Tornados für einen Erfolg von ISAF von absoluter Bedeutung ist. Ich kann dies nach dem, was die Bundesregierung vorgetragen hat, nicht nachvollziehen. Wir sollten es aber beide unterlassen, uns in diesem Zusammenhang gegenseitig fehlende Glaubwürdigkeit zu attestieren. Deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet.

Sie selber haben darauf hingewiesen: Es gibt in Afghanistan Notwendigkeiten, die dringend geändert werden müssen; das sage ich als jemand, der zu Afghanistan steht. Sie selber haben darauf hingewiesen: Wir brauchen mehr zivile Hilfe. Nun gibt die Bundesregierung jährlich 20 Millionen Euro mehr. Sie selbst haben die Zahlen zitiert: Kanada gibt 200 Millionen kanadische Dollar mehr. Die USA geben jährlich 1 Milliarde US-Dollar für den zivilen Bereich aus. Das ist das 50-Fache von dem, was Ihre Bundesregierung zur Verfügung zu stellen bereit ist.

Wir sind uns einig, dass wir mehr Polizeihilfe brauchen. In der diesbezüglichen Novelle reden wir aber immer noch von 40 Mitgliedern. Heute besteht die Situation, dass Feldjäger der deutschen Bundeswehr in der Polizeiausbildung in Masar-i-Scharif engagiert sind; ich finde das richtig. Ich sage Danke zu den Feldjägern. Aber ich sage auch: Gibt es nicht dem Innenministerium und dem Außenministerium zu denken, dass das Militär, die Bundeswehr, heute offensichtlich zivile Aufgaben übernimmt? Das ist doch der Punkt, an dem Sie als Mehrheit hier in diesem Hause hätten handeln müssen, anstatt anderen an dieser Stelle die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Ich füge ein Letztes hinzu. Wir haben Zweifel, ob das, was wir, diese Koalition und meine Partei, gemeinsam wollen, nämlich einen Strategiewechsel, tatsächlich am Boden angekommen ist, wenn wir gleichzeitig erleben müssen, dass Einigungsversuche zwischen den Briten und den Stammesältesten mithilfe von Raketenangriffen auf Familienangehörige von vermuteten Talibananhängern sabotiert werden. Das sind die umfassenden Zweifel, die meine Fraktion hat. Ein Teil meiner Fraktion sagt: Wir sagen trotz dieser Bedenken Ja. Andere sagen: Unter diesen Bedingungen können wir zu einem Einsatz von Tornados – nicht zu ISAF – nur Nein sagen. Ich finde, beides sind respektable Positionen, und beides ist kein Grund, irgendjemandem von uns die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Herr Kollege Trittin, ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie nicht einsehen wollen, dass die Verbesserung der Aufklärungsfähigkeiten dem Einsatz von ISAF dient. Gerade der relativ geringe Truppenansatz, den die NATO für Afghanistan gewählt hat – die 40 000 Soldaten sind ins Verhältnis zur Größe des Landes zu setzen –, macht deutlich, dass der Erfolg, die Effizienz und nicht zuletzt der Schutz der afghanischen Zivilbevölkerung und der internationalen Aufbauhelfer eine höhere Zielgenauigkeit der militärischen Einsätze erfordert. Das kann man – das ist eine Binsenweisheit – nur durch verbesserte Aufklärung erreichen. Deswegen ist es unverständlich, dass Sie nicht in der Lage sind, das nachzuvollziehen. Mein zweiter Punkt. Mir kommen Ihre Hinweise, die Entwicklungshilfe sei aus Ihrer Sicht zu gering – das ist sie auch aus meiner Sicht –, wie eine Ausrede vor. Es wäre Ihnen schließlich während Ihrer Regierungszeit möglich gewesen, die Ansätze entsprechend zu erhöhen. Aber vor allem ist es doch so, dass die Sicherheit, die ISAF in Afghanistan schafft und zu der die Tornados einen wesentlichen Beitrag leisten, erst die Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt zivile Hilfe geleistet werden kann.

Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts. Sie müssen immer davon ausgehen, dass Ihr Votum – nicht Ausdruck einer politischen Strömung in Ihrer Wählerschaft – zur allgemeinen Regel für das Regierungshandeln gemacht werden kann. Wenn wir ISAF die nötige Unterstützung verweigern würden und ISAF deswegen nicht erfolgreich sein kann, dann hätte auch der zivile Aufbau keine Chance mehr. Deswegen ist Ihre Argumentation nicht überzeugend und, wie ich finde, auch nicht glaubhaft.

Oskar Lafontaine (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch für meine Fraktion danke ich der Entwicklungshilfeministerin, Frau Wieczorek-Zeul, für die Worte des Bedauerns und der Trauer, die sie hier zum Tod des Entwicklungshelfers gefunden hat. Ich begründe jetzt, warum meine Fraktion den Antrag der Bundesregierung ablehnt. Wir lehnen den Antrag der Bundesregierung ab, weil wir der Auffassung sind, dass die Entscheidung, wenn sie so durchgeführt wird, völkerrechtswidrig ist.

Wir sind manchmal auf unsicherem Terrain, wenn wir das Völkerrecht beurteilen. Da das so selten geschieht, erinnere ich daran, dass auch das Bundesverwaltungsgericht selbst die Zurverfügungstellung von Flugplätzen und militärischen Einrichtungen während des Irakkriegs als völkerrechtswidrig eingestuft hat und nach wie vor der damals amtierenden Regierung Beihilfe zum Bruch des Völkerrechts vorwirft – ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen führt.

Beim Völkerrecht – dies ist für unsere Beratung von Bedeutung – beziehen sich die Redner der Koalitionsparteien immer auf die Mandatierung durch die UNO nach Art. 51. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass – unabhängig davon, wie man den Sachverhalt beurteilt; mein Kollege Norman Paech hat das Entscheidende aus der Sicht unserer Fraktion dazu gesagt – nicht allein diese Mandatierung herangezogen werden kann. Genauso entscheidend, wenn nicht noch entscheidender, sind die Genfer Konventionen. Denn sie gehen noch näher heran, sie sagen: Es ist im Krieg verboten, unschuldige Menschen zu töten; eine Kriegführung, die das nicht leistet, ist völkerrechtswidrig.

Dieses Argument meiden die Redner der Koalition. Sie gehen nicht darauf ein, weil es nicht zu entkräften ist; ich werde darauf noch zurückkommen.

Ich halte für Die Linke fest, dass wir in dem Grundgesetzartikel, der die Bundeswehr zur Verteidigungsarmee bestimmt, nach wir vor einen wesentlichen Baustein unserer Verfassung sehen. Die Bundeswehr ist keine Interventionsarmee, sie ist eine Verteidigungsarmee.

Nach unserer Auffassung verstößt die Entsendung von Aufklärungstornados in das Kampfgebiet gegen den NATO-Vertrag. Der NATO-Vertrag hat die Mitgliedstaaten der NATO zu einem Verteidigungsbündnis zusammengeschlossen. Es war eine fundamentale Veränderung, über die im Parlament überhaupt nicht diskutiert worden ist – die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, die dies kritisieren, haben recht –, dass die Führungsmacht der NATO, die Vereinigten Staaten von Amerika, eines Tages darauf gedrängt hat, aus diesem Verteidigungsbündnis ein weltweit agierendes Interventionsbündnis zu machen. Dies halten wir für fatal und lehnen es ab.

Aus Sicht der amerikanischen Politik ist das logisch. Die amerikanische Politik zielt auf die Eroberung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten. Wer Zweifel daran hat, möge die entsprechenden Dokumente des amerikanischen Verteidigungsministeriums, des Pentagon, nachlesen. Es gibt unzählige Fundstellen, die diese These belegen. Ich bin der Auffassung, dass sich zivilisierte Staaten in der modernen Zeit nicht auf eine Außenpolitik oder gar auf eine Kriegsführung einlassen dürfen, die die Eroberung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten zum Ziel hat.

In der Debatte wird immer wieder gesagt, die NATO dürfe nicht scheitern. Meine Damen und Herren, die NATO ist in Afghanistan längst gescheitert.

Damit Sie uns nicht wieder unterstellen, dass wir uns in irgendeiner Form unsachlich mit diesem Thema beschäftigen, möchte ich zum Beleg meiner These die „Süddeutsche Zeitung“ zitieren:

US-Soldaten wurden angegriffen … bei ihrer Gegenwehr richteten sie offenbar jedes Mal ein Blutbad unter Zivilisten an. … Unter den 4 000 Opfern … im vorigen Jahr … sollen Schätzungen zufolge mehr als tausend Zivilisten gewesen sein. Die Zahl … kann nicht mehr sein als ein vager Anhaltspunkt, denn sowohl tot als auch lebendig lassen sich Taliban-Kämpfer oft nur schwer von friedlichen Bauern unterscheiden.

So weit die Worte des Beobachters, des Korrespondenten der „Süddeutschen Zeitung“. An dieser Beobachtung wird deutlich, warum Ihre Entscheidung total falsch und durch nichts zu begründen ist.

Da diesen Sachverhalt niemand bestreiten kann, kann auch niemand behaupten, dort sei eine Kriegsführung möglich, die die Genfer Konventionen beachtet. Aufgrund der Bedingungen vor Ort – weil man friedliche Menschen nicht von Kämpfern unterscheiden kann – ist jede Form der Kriegsführung, die Sie jetzt mittelbar unterstützen wollen, ein Verstoß gegen die Genfer Konventionen. Das ist nicht zu verantworten.

Ich habe so oft gehört, es gehe hier um die Menschenrechte. Ich habe so oft gehört, es gehe hier um die Frauenrechte. Ich habe so oft gehört, es gehe hier um die Freiheit der Menschen. Meine Damen und Herren, ich möchte an eines erinnern: Bevor man Menschen Rechte zuweisen kann, müssen sie erst einmal leben. Das Recht auf Leben steht vor allen anderen Rechten, die hier immer wieder beschworen werden.

Das Recht auf Leben können Sie bei dieser Vorgehensweise nicht gewährleisten. Sie nehmen, wenn Sie dem Einsatz der Tornados in Afghanistan zustimmen, bewusst in Kauf, dass dort eine Kriegsführung stattfindet, bei der Soldaten bei ihrer Gegenwehr nichts anderes tun können, als – so hat es der Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ beschrieben – „jedes Mal ein Blutbad unter Zivilisten“ anzurichten. Sie stimmen zu, dass wir uns durch die Zurverfügungstellung von Bildern mittelbar an dieser Art der Kriegsführung beteiligen. Das ist die Entscheidung, die Sie heute treffen wollen und die Sie vor Ihrem Gewissen moralisch rechtfertigen müssen.

Die NATO ist längst gescheitert. Dennoch wird immer gesagt, die NATO wolle den Kampf um die Herzen und um die Köpfe der Menschen gewinnen. Glauben Sie angesichts der Bedingungen vor Ort, die so aussehen, dass man friedliche Menschen nicht von Kämpfern unterscheiden kann, denn tatsächlich, man könne mit dieser Art der Kriegsführung den Kampf um die Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen? Diese Art der Auseinandersetzung bzw. der Kriegsführung ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Ein Mitglied der SPD-Fraktion sagte, „man müsse aufpassen, dass Afghanistan nicht zum deutschen Vietnam werde“; so wurde es zitiert. Ich möchte dies wie folgt auf den Punkt bringen: Die „Irakisierung“ Afghanistans – dieser Begriff wird von vielen Militärs verwendet – ist längst eingetreten. Mittlerweile haben wir in Afghanistan ähnliche Zustände wie im Irak. Das zeigt wieder einmal: Mit Bomben und mit Krieg ist kein Land zu befrieden, ist niemals Frieden in dieser Welt herzustellen.

Dies sagen im Übrigen auch viele Soldaten, die an dieser Art der Kriegsführung und am Wiederaufbau beteiligt sind. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das oft sehr schwer voneinander zu trennen ist. Wer das einmal nachlesen will, dem empfehle ich das Interview des Chefs des Bundeswehr-Verbandes in einer hier in Berlin erscheinenden Tageszeitung, damit nicht die billige Ausrede kommt, es handle sich nur um die Einrede der Fraktion Die Linke, wenn wir solche Argumente vortragen.

Der Kollege von Klaeden hat noch einmal den Satz aufgegriffen: Deutschland wird am Hindukusch verteidigt. Er hält das nach wie vor für richtig. Methodisch habe ich gelernt, solche argumentativen Zusammenhänge umzudrehen. Wenn dieser Satz tatsächlich richtig ist, dann muss man begründen, warum der Satz „Afghanistan wird an den Alpen verteidigt“ falsch ist.

Dass Sie nicht verstehen, dass dort unschuldige Menschen umgebracht werden! Bei den Paschtunen gilt ein Stammesgesetz, wonach man gehalten ist, Menschen, die unschuldig umgebracht werden, zu rächen. Aber Sie ignorieren das alles. Die Sicherheitskräfte haben recht, die sagen: Mit dieser Vorgehensweise erhöhen Sie die Gefahr eines Terroranschlags in Deutschland. Genau das kann nicht Ihre Absicht sein.

Das ist nicht nur eine Intervention der Fraktion Die Linke. Vielmehr geht das auch aus den Meldungen hervor, die Ihnen die Sicherheitsdienste immer wieder vorlegen. Die Einsichten der Sicherheitsdienste können Sie bei Ihrer Vorgehensweise nicht ignorieren. Ich fasse zusammen: Vor sechs Jahren mögen viele von Ihnen gute Absichten gehabt haben. Ich weiß, wie schwer es ist, einen einmal eingeschlagenen Weg zu verlassen. Aber nach sechs Jahren müssen Sie zu der Einsicht gekommen sein, dass man Terror nicht mit Krieg und Terror bekämpfen kann. Ich bitte Sie im Interesse unseres Landes, diesen Einsatz abzulehnen.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lafontaine, lassen Sie mich einen Satz zu Ihrer Unterstellung sagen, unsere Absicht sei – so haben Sie es sinngemäß formuliert –, den Terrorismus nach Europa und insbesondere nach Deutschland zu holen. Ich weiß nicht, wo Sie leben, aber das findet hier längst statt. Sie müssen sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass der 11. September und die Anschläge auf das World Trade Center von Mohammed Atta und anderen von Deutschland aus geplant und vorbereitet wurden. Sie müssen sich damit auseinandersetzen, dass in Deutschland der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg geplant wurde. Sie müssen sich damit auseinandersetzen, dass in Deutschland der Versuch unternommen wurde, Anschläge auf Züge durchzuführen, und dass dieser Versuch nur gescheitert ist, weil die Attentäter technisch nicht so versiert waren und die Rucksäcke deshalb nicht explodierten. Das ist die Realität, mit der wir uns alle auseinanderzusetzen haben. Die Gefahr ist längst da. Wir wollen dagegen kämpfen, weil wir Sicherheit wollen.

Die Mitglieder der Fraktion der Grünen haben sich die Entscheidung nicht einfach gemacht. Ich behaupte, dass es uns wie manch anderem in diesem Hause und vielen anderen in Deutschland geht, die sich Gedanken darüber machen, was dieser Einsatz in Afghanistan insgesamt bedeutet und was es nun bedeutet, Tornados dorthin zu schicken. Wir haben eine Vielzahl von Gesprächen geführt und Anhörungen durchgeführt. Wir haben militärische und zivile Experten in unsere Fraktion eingeladen und mit ihnen gesprochen. Wir haben zudem ein Gespräch mit dem afghanischen Außenminister geführt. Mitglieder der Fraktion waren zum Beispiel 2006 in Afghanistan und haben sich vor Ort informiert. Angesichts unserer Bemühungen in diesem Zusammenhang muss ich feststellen, Herr von Klaeden, dass Ihre Vorwürfe nicht angemessen sind. Das sage ich, obwohl ich vielleicht zu einem anderen Ergebnis komme als diejenigen aus meiner Fraktion, die direkt angesprochen wurden. Denn alle Mitglieder meiner Fraktion – auch frühere Bundesminister und Menschenrechtsbeauftragte – haben damals nach ihrem Gewissen entschieden und tun dies auch heute wieder.

Es gibt an keiner Stelle einen Freifahrtschein; wir werden vielmehr immer wieder um den zivilen und militärischen Schutz und um den Wiederaufbau in Afghanistan ringen. Ich glaube, dass Sie heute alle glaubwürdig sein können, wenn Sie mit sich selber ringen und sich Ihrer Verantwortung als Abgeordnete bewusst sind. Insofern meine ich, Ihr Beitrag war nicht hilfreich.

Wir haben uns Gedanken gemacht und kommen zu dem Ergebnis, dass eine kleine Mehrheit in unserer Fraktion mit Ja stimmen wird; eine kleinere Anzahl wird mit Nein stimmen. Hinzu kommen einige Enthaltungen. Die Begründungen unterscheiden sich durchaus.

Ich möchte aber eines betonen: Wir haben in der Fraktion einen klaren Konsens erzielt: Wir stehen zu ISAF. Ich wage die These, dass es bei der heutigen Tornadoentscheidung auch längst darum geht. Wir wollen in Afghanistan eine zentrale politische und zivile Entwicklung ermöglichen. Es gibt keine Alternative, dies ohne militärische Absicherung zu erreichen.

Es gibt in unserer Fraktion niemanden, der einer Exitstrategie anhängen würde. Vielmehr treibt uns alle das Interesse, die Strategie zum Wiederaufbau in Afghanistan weiter zu verbessern. Darum geht es heute.

Es geht nicht um eine Debatte über das Ob, sondern über das Wie bzw. über den Stellenwert des militärischen Einsatzes. Wir brauchen eine zivile Frühjahrsinitiative für einen Strategiewechsel, der nicht nur auf NATO-Papieren geplant und in Sitzungen in Riga oder Sevilla besprochen wird. Notwendig ist vielmehr ein Strategiewechsel auf der zivilen Ebene, der in Afghanistan ankommt und den Menschen dort zeigt: Hier geht es vorwärts.

So bewegen wir uns als Fraktion bei der heutigen Entscheidung – je nachdem, wie abgestimmt wird – in dem Spannungsfeld zwischen dem Gebot der Solidarität, dem Schutz der zivilen Helfer und der Afghaninnen und Afghanen und der Frage, ob der Einsatz nicht kontraproduktiv ist. Zumindest hat diese Bundesregierung herzlich wenig dazu getan, den Tornadoeinsatz in den letzten Wochen und Monaten zu erklären. So wenig Information gab es noch nie.

Der Petersbergprozess hat die Grundlagen für einen politischen Prozess geschaffen. Es gibt ein Parlament, in dem sogar weibliche Abgeordnete vertreten sind. Es gibt eine neue Verfassung, Regierungsinstitutionen und einen Justizapparat. Auch in manchen anderen Bereichen sind Fortschritte erzielt worden. Bei alledem wissen wir aber, dass dies nur der Anfang ist und dass es noch jede Menge Mängel gibt.

Wir wissen, dass es strukturelle Fehlentwicklungen gibt und dass manches Geld, das für Sicherheit, Justiz, Gesundheit und Bildung versprochen wurde, irgendwo – zum Teil auch durch Korruption – versickert ist, statt dazu beizutragen, die afghanische Regierung voll funktionsfähig zu machen. Das ist die Voraussetzung, um ihren staatlichen Aufgaben nachkommen zu können und für ihre Bürgerinnen und Bürger die entsprechenden Dienstleistungen – zum Beispiel Bildung und ein flächendeckendes Gesundheitssystem – zu erbringen. Denn dadurch wird eine Regierung auch innenpolitisch legitimiert. Diesen Mangel werden wir nicht mit rein militärischen Mitteln beheben können. Dabei helfen uns auch die Tornados nicht. Sie dienen dem Zweck, sozusagen Übergriffe abzuwehren. Was die Legitimität der afghanischen Regierung angeht, damit sie auch von den Stämmen als Autorität akzeptiert wird, die deren Strukturen und ihre Zukunft verändert, besteht noch erheblicher Handlungsbedarf.

Wir erwarten von Frau Merkel – Frau Merkel ist heute nicht hier, weil sie in Brüssel ist; das respektieren wir –, dass sie sich jetzt engagiert. Wir erwarten, dass sie als Inhaberin der Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union jetzt vorangeht und dieses Thema in Europa auf die Agenda setzt. Wir brauchen ein Mehr an ziviler Unterstützung.

Mit Verlaub, Frau Wieczorek-Zeul, diese 20 Millionen Euro reichen bei weitem nicht aus.

Wir brauchen mehr finanzielle Unterstützung. Wir brauchen mehr Unterstützung, um beispielsweise den Polizeiapparat aufzubauen. Wir brauchen mehr Unterstützung nicht nur für die Multiplikatoren, sondern auch für die kleinen Polizeibeamten vor Ort. Ich frage mich: Wo ist eigentlich das Engagement der Bundesregierung? Frau Merkel ist meines Erachtens auf der internationalen Ebene noch seltsam still.

Ich will sagen, was wir erwarten. Wir erwarten eine klare Aussage zur Drogenbekämpfung. Es gibt immer noch keine kohärente Strategie. Es wird zugelassen, dass international Sorge darüber verbreitet wird, dass Herbizide per Flugzeug ausgebracht werden. Wir wissen alle, dass selbst dann, wenn das nicht per Flugzeug geschieht, eine reine Herbizidstrategie vor Ort nicht nur den Mohn zerstört, sondern auch die Gesundheit der Menschen. Diese Strategie bietet den Menschen vor Ort keine Möglichkeit, ein anderes Gewerbe aufzubauen oder andere Früchte anzubauen.

Genau dafür brauchen wir eine Strategie, aber keine, in der es um Herbizide und Angstmachen geht.

Wir brauchen einen anderen Umgang mit Pakistan. Ich weiß, dies ist definitiv nicht einfach. Wir erwarten, dass Frau Merkel in Bezug auf den Drogenhandel auch gegenüber Karzai ihre Vorstellungen deutlich zum Ausdruck bringt und darauf dringt, dass er gegen die Korruption kämpft, die in diesem Narco-State ja bis in die Exekutive reicht. Wir erwarten auch, dass diese Bundesregierung ganz klar sagt, welches Ziel sie beispielsweise für den G-8-Gipfel hat. Spätestens dann – eigentlich ist es schon sehr spät – muss dafür Sorge getragen werden, dass Pakistan nicht durch sein zumindest doppelbödiges Verhalten die Lager der Taliban und von al-Qaida auf seinem Territorium unterstützt.

Wir ringen an dieser Stelle um die Zustimmung. Wir wollen ISAF und Afghanistan unterstützen. Wir ringen mit uns selber. Wir wissen, dass das heute eine Gewissensentscheidung ist. Eines weiß ich aber auch: Wir müssen heute mit Blick auf die Entscheidung im Herbst, wenn es wieder um ISAF geht, eines hinkriegen, nämlich den Strategiewechsel mit Leben füllen. Der Strategiewechsel muss bei den Menschen vor Ort ankommen.

Man muss sich mit Pakistan auseinandersetzen, und das Verhalten der Soldaten muss sich ändern. Es bedarf einer Vernetzung des Zivilen mit dem Militärischen. Da dürfen keine Löcher entstehen. Natürlich brauchen wir auch ein Stück militärischen Schutz. Wie gesagt, wir wollen, dass es eine zivile Frühjahrsinitiative gibt und dass diese Bundesregierung wegen der doppelten Präsidentschaft ihrer Aufgabe nachkommt, jetzt in die Offensive zu gehen, damit das Zivile gestärkt wird. Sonst geht von diesem Tag ein falsches Signal aus.

Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Entwicklungsministerin, haben Sie herzlichen Dank dafür, dass Sie daran erinnert haben, dass der Mord an Dieter Rübling auch zeigt, wie risikoreich die Arbeit der zivilen Helferinnen und Helfer und derer ist, die im Auftrag des Entwicklungsministeriums dort arbeiten. Wir sollten allen, die als Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen, im Auftrag des Entwicklungsministeriums oder im Auftrag von vielen anderen, Kirchen beispielsweise, in diesem Land arbeiten und mithelfen, dass sich so etwas wie eine Zivilgesellschaft entwickelt, danken. Das ist ein unglaubliches Engagement. Wir wissen diese Arbeit zu schätzen und sagen Danke schön dafür.

Egon Bahr hat gestern Abend in einer Diskussion noch einmal deutlich gemacht, warum seiner Meinung nach diejenigen in der SPD-Bundestagsfraktion, die sich noch überlegen, mit Nein zu stimmen, anders handeln sollten. Sein zentrales Argument – ich halte es für richtig – ist: Man sollte aus dieser Abstimmung keine Grundsatzentscheidung machen; vielmehr sollte man sich überlegen, was die Folgen wären, wenn man mit Nein stimmt. Wenn Sie eine Sekunde – viele von uns haben Erfahrungen und Begegnungen – –

(Abgeordnete der Fraktion Die Linke halten Buchstabentafeln hoch)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, unterlassen Sie diese Demonstration, oder verlassen Sie den Raum! – Ich bitte die Saaldiener, die Kolleginnen und Kollegen des Saales zu verweisen. Das, was Sie hier machen, geht nicht.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das gibt es doch gar nicht! – Peinlich ohne Ende! – Die sind bis heute nicht in der Demokratie angekommen! – Jörg van Essen [FDP]: So etwas Peinliches! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wenn sie das ernst meinten, dürften sie nicht so grinsen!)

Ich bitte die Saaldienerinnen und Saaldiener, die Demonstration zu beenden.

(Dirk Niebel [FDP]: Raustragen! – Weiterer Zuruf von der FDP: Peinlich ohne Ende! – Zuruf von der CDU/CSU: Die werden doch sonst nicht wahrgenommen!)

Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):

Lieber Kollege Gehrcke, ich sehe, dass Sie sich an dieser Demonstration beteiligt haben. Sie wissen doch so gut wie alle, die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses sind, wie wir darum ringen, einen zivilen Aufbau in Afghanistan voranzutreiben.

Wir ringen um die Chance, dass dieses Land sein Schicksal in die eigene Hand nehmen kann. Ich kann überhaupt nicht verstehen, in welcher demagogischen Form Sie hier auftreten. Das kann ich überhaupt nicht verstehen.

Vielleicht sollten wir uns alle gemeinsam überlegen, was geschehen würde, lieber Kollege Lafontaine, wenn wir den Taliban das militärische Handeln überlassen würden. Haben wir denn vergessen, was zum 11. September 2001 geführt hat? Haben wir vergessen, welche Schrekkensherrschaft die Taliban in Afghanistan ausgeübt haben?

Haben wir vergessen, dass Frauen gesteinigt worden sind? Haben wir vergessen, dass Kinder, insbesondere Mädchen, keine Chance gehabt haben, Schulen zu besuchen? Haben wir vergessen, dass die Fußballstadien von den Taliban zu Hinrichtungsorten gemacht worden sind? Haben wir das alles vergessen?

Wollen wir vergessen, dass die Taliban jetzt wieder versuchen, im Süden Afghanistans Boden zurückzugewinnen? Der Staudamm, der dort zurzeit gegen die Angriffe der Taliban verteidigt werden muss, ist die Lebensader von mehreren Hunderttausend von Menschen im Süden Afghanistans. Die Taliban haben erklärt, sie wollten diese Lebensader durchschneiden, sie wollten den Staudamm zerbrechen. Können wir das hinnehmen?

Wenn die Regierung Karzai die internationale Staatengemeinschaft darum bittet, militärisch mitzuhelfen, dass dieser Angriff der Taliban abgewehrt wird: Können wir das zurückweisen? Können wir uns der Bereitstellung von sechs Tornados, die dabei mithelfen können, aufzuklären, was dort seitens der Taliban militärisch geschieht, wirklich verweigern? Wir würden uns vielleicht geradezu mitschuldig daran machen, dass Hunderttausende von Menschen im Süden Afghanistans keine Lebensperspektive haben.

Zwischenfrage Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Fotoaufnahmen, die die Tornados machen und an die Militäreinsatzführung weitergeben, auch dazu benutzt werden – ich betone: auch dazu benutzt werden –, Ziele auszumachen, auf die Raketen und Bomben abgeworfen werden, und dass wir dann, wenn in Zukunft Meldungen durch die Presse gehen, nach denen bei der Bombardierung von Gehöften, von Ortschaften, von Orten zahlreiche Menschen, die Hälfte oder ein Viertel davon Zivilisten, Frauen, Kinder, alte Menschen, getötet worden sind, sagen müssen: Das kann auch auf der Grundlage der von unseren Tornados gelieferten Daten und Fotos geschehen sein?

Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):

Lieber Herr Kollege Ströbele, darf ich Ihre Frage mit einer Gegenfrage beantworten?

Sie haben vielleicht gehört, Herr Kollege Ströbele – möglicherweise waren Sie aber auch nicht dabei, als das gesagt wurde –, dass das Parteimitglied der Grünen, der Außenminister Afghanistans, Dr. Rangin Spanta, Folgendes gesagt hat – ich zitiere ihn –:

Diese Tornados machen Aufklärungsarbeit. Sie dienen dem Schutz der afghanischen Zivilbevölkerung, weil die Grenzen ziemlich durchlässig sind: 2 400 km Grenze. Die Terroristen kommen, ziehen sich wieder ins Hinterland zurück. Die Tornado- Aufklärer können dagegen helfen. Ich schließe mich dem Außenminister Afghanistans, dem Mitglied der Grünen, ausdrücklich an.

Zwischenfrage Katrin Kunert (DIE LINKE)

: Herr Kollege Weisskirchen, ich habe eine ganz konkrete Frage. Sie mögen die Aktion meiner Kolleginnen und Kollegen werten, wie Sie wollen; aber Ihnen ist sicherlich bekannt, dass es eine Umfrage in der Bevölkerung gegeben hat, wonach 77 Prozent der Befragten diesen Tornado-Einsatz ablehnen. Ich frage Sie: Wie würden Sie Ihre Entscheidung gegenüber diesen 77 Prozent begründen?

Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):

Sie zu begründen, ist genau das, was ich mit meiner Rede beabsichtige.

Ich will an diesem Punkt Folgendes deutlich machen: Im kanadischen Parlament gab es vor einem Jahr eine Mehrheit von zwei Stimmen dafür, sich an dem militärischen Einsatz im Süden Afghanistans zu beteiligen. Viele Dutzende von kanadischen Soldaten haben bei diesem Einsatz ihr Leben gelassen. Innerhalb der kanadischen Bevölkerung gibt es wie bei uns eine demoskopische Mehrheit gegen diesen Einsatz.

Was würde es im Hinblick auf die Entscheidung des kanadischen Parlaments, die Anfang des nächsten Jahres neu ansteht, bedeuten, wenn wir heute bei der Entscheidung über den Tornado-Einsatz Nein sagen, wenn wir also den Einsatz des recht begrenzten militärischen Instruments von sechs Tornados heute verweigern würden?

Ich bin ganz sicher, dass das kanadische Parlament dann sagen würde: Das ist aber solidarisch von euch; wir werden jetzt unsere Entscheidung gegen euch treffen. Was würde das für Afghanistan und für das gesamte Mandat bedeuten? Wir würden Afghanistan mit einer solchen Entscheidung in den Untergang treiben. Wir müssen Entscheidungen manchmal gegen Stimmungen treffen. Das ist jetzt nötig.

Militärisch können die Köpfe und Herzen der Afghanen nicht gewonnen werden. Da gebe ich allen recht, die das kritisch angemerkt haben; das gilt auch für einige in der SPD-Fraktion.

Es gilt aber eben auch der Satz: Ohne begrenzte militärische Mittel wird es nicht das hinreichende Maß an Sicherheit geben, das Afghanistan braucht, damit es einmal selbst über die eigene Entwicklung entscheiden kann. Dieses Maß an Sicherheit ist aber nötig. Ich stimme dem Kollegen von Klaeden ausdrücklich zu – er hat die Frau Ministerin zitiert –: Es gibt keine Sicherheit ohne Entwicklung. Aber auch der Umkehrsatz gilt: Es gibt keine Entwicklung ohne Sicherheit. Dieses Maß an Sicherheit muss jetzt hergestellt werden.

Frau Künast, vielleicht haben Sie nicht registriert – das möchte ich Ihnen doch sagen, weil Sie vorhin eine entsprechende Bemerkung gemacht haben –, dass Deutschland der viertgrößte – nein – Financier der Welt im Bereich der Entwicklungshilfe ist. Nach den USA, Kanada und Großbritannien kommt Deutschland. Bis zum Jahr 2010 haben wir – nicht zu vergessen – von den 30 Milliarden US-Dollar, die im Afghanistan-Compact im letzten Jahr beschlossen worden sind, ohne Berücksichtigung unserer Zahlungen im Rahmen der Europäischen Union allein für den zivilen Aufbau 1 Milliarde US-Dollar zur Verfügung gestellt. Damit macht Deutschland deutlich: Es ist das Wichtigste, den zivilen Aufbau voranzubringen. Dazu brauchen wir aber auch die militärische Unterstützung. Deswegen sind wir für den Tornadoeinsatz.

Die Behauptung der Linken, der PDS, wir hätten keine sichere völkerrechtliche Grundlage, wird durch häufiges Wiederholen nicht richtiger; sie bleibt falsch.

Ich will aus dem letzten Beschluss des Weltsicherheitsrats, Resolution 1707 vom September des letzten Jahres, zitieren.

Unter Ziffer 4 heißt es: Der Sicherheitsrat fordert nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen die ISAF auf, bei der Durchführung des Mandats der Truppe auch weiterhin in enger Abstimmung mit der Regierung der Islamischen Republik Afghanistan, mit dem Sonderbeauftragten des Generalsekretärs sowie mit der Koalition der Operation „Dauerhafte Freiheit“ zu arbeiten.

Wollen Sie etwa unterstellen, dass sich der Weltsicherheitsrat konträr zum Völkerrecht verhält? Das ist doch eine absurde Unterstellung. Absurder kann es gar nicht sein, lieber Kollege Lafontaine.

Uns ist bewusst, dass es eine schwierige, auch eine Gewissensentscheidung ist – wir wissen, dass es Kollegen gibt, denen das schwerfällt –, dem Tornado-Einsatz zuzustimmen. Klar ist aber erstens, dass der zivile Impuls gegenüber dem militärischen Impuls künftig verstärkt werden muss. Das ist durch den Strategiewechsel, der innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft von Frank-Walter Steinmeier vorangetrieben worden ist, dokumentiert.

Zweitens ist zuzugeben, dass die Aufgabe viel schwieriger ist, als wir uns das zu Beginn vorgestellt haben. Das ist zutreffend.

Drittens gilt, dass das Hilfskonzept umfassender organisiert werden muss. Der Afghanistan-Compact ist der Ausdruck dafür, dass wir unsere Arbeit in Afghanistan ernst nehmen. Wir müssen den Menschen in Afghanistan sagen: Ihr könnt euch auf uns verlassen. Wenn ihr wollt, dass wir euch helfen, dann sind wir bei euch.

Kurzintervention Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Herr Kollege Weisskirchen, Sie haben uns „Vergessen“ vorgeworfen. Vielleicht ist es so, dass man den Splitter im Auge des anderen sieht, aber den Balken vor den eigenen Augen nicht.

Sehen Sie denn nicht, dass Sie mit Ihrer Strategie, mit der Erweiterung des Kriegsszenarios das Gegenteil von dem machen, was Sie eigentlich machen wollen, nämlich Hearts and Minds zu gewinnen, dass Sie die Taliban eigentlich nur unterstützen, dass Sie sie fördern? In dem sechsjährigen Krieg sind die Taliban noch nie so stark gewesen, insbesondere im Süden, wie jetzt. Das ist doch kein Ergebnis Ihres zivilen Impulses, sondern ein Ergebnis der Verstärkung der militärischen Aktivitäten.

Ein Zweites. Einer ihrer größten Erfolge in diesen sechs Jahren ist – das wissen wir alle –, dass der Drogenanbau und der Drogenhandel in dieser Region Dimensionen wie noch nie zuvor angenommen haben. Das ist eine Kriegsökonomie, die die Taliban benutzen, um ihre Stärke weiter auszubauen. Mit der zunehmenden Militarisierung dieses Konfliktes werden also auch die Gegner gestärkt. Daran geht die NATO auf jeden Fall zugrunde.
Danke schön.

Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):

Lieber Kollege Paech, lassen Sie mich nur einen Punkt aufgreifen. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, besteht das dortige Parlament zu über 30 Prozent aus Frauen. Das ist ein Zeichen dafür, dass es in Afghanistan auch eine qualitativ andere Entwicklung gibt.

Zuvor wurden sie gesteinigt, wurden sie unterdrückt und wurden sie in einer Weise bedrängt, dass sie ihr eigenes Leben nicht haben führen können. Allein das macht deutlich, dass wir an der Seite Afghanistans bleiben und mithelfen müssen, damit Afghanistan seinen eigenen, selbstbestimmten Weg gehen kann.

Birgit Homburger (FDP):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahl der Selbstmordanschläge in Afghanistan hat sich im letzten Jahr gegenüber 2005 nahezu verfünffacht. Auch in diesem Jahr gab es bereits rund 20 Anschläge. Wir stehen nicht am Anfang eines Engagements in Afghanistan. Wir stehen am Scheideweg dieses Engagements. Deswegen haben wir im Herbst des letzten Jahres, als wir hier eine Debatte über die Verlängerung der Mandate ISAF und Operation Enduring Freedom geführt haben, auch eine Diskussion darüber begonnen, dass es einen Strategiewechsel hin zu einem besseren Gleichgewicht zwischen zivilen und militärischen Maßnahmen geben muss. Das muss wiederhergestellt werden. Das bedeutet, dass sehr viel stärker als bisher auf zivilmilitärische Zusammenarbeit und den Wiederaufbau in Afghanistan Wert gelegt werden muss.

Wir haben hier auch über den Beitrag Deutschlands diskutiert. Wir leisten einen großen Beitrag. Das ist auch mehrfach gesagt worden. Wir haben jetzt die Chance, in der Nordregion schnell deutlich sichtbare Zeichen zu setzen und damit klarzumachen, dass wir dort sind, um den Menschen in diesem Land zu helfen. Das ist dringend erforderlich. Wir brauchen auch eine Optimierung der Leistungen, die die Bundesressorts erbringen. Diese müssen deutlich besser koordiniert werden.

Genau darüber haben wir in den letzten Wochen gesprochen: über den Polizeiaufbau und den Aufbau des Justizvollzugswesens. Wir haben nicht nur hier im Deutschen Bundestag darüber gesprochen, sondern dadurch ist auch einiges andere in Bewegung geraten. Bis hin zu den NATO-Verteidigungsministern hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass das Ziel der Stabilisierung Afghanistans mit militärischen Mitteln allein nicht erreicht werden kann. Die große Mehrheit unserer Fraktion sieht, dass sich die Dinge hier in die richtige Richtung entwickeln. Deshalb werden wir heute unsere Zustimmung nicht verweigern.

Der Einsatz der deutschen Recce-Tornados kann zu einer Verbesserung der Sicherheitslage beitragen. Das ist hier schon mehrfach gesagt worden. Es kann auch eine Optimierung der militärischen Operationen erreicht werden. Die Bundesregierung trägt eine große Verantwortung. Sie hat mehrfach versichert, dass sie über die Personalstrukturen Einfluss auf die militärische Operationsführung hat. Wir erwarten, dass sie diesen Einfluss auch geltend macht und sich dafür einsetzt, zukünftig nicht nur Einsatzregeln, sondern auch Verhaltensregeln aufzustellen. Das wird für die weitere Entwicklung von Afghanistan entscheidend sein.

Wir haben uns im Rahmen der Diskussion auch über die Frage unterhalten, ob die Tornados überhaupt einsatzfähig sind. Diese Frage kam sowohl aus der Bevölkerung als auch von den Kolleginnen und Kollegen. Ich finde, die Bundesregierung hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Einsatzfähigkeit voll gegeben ist, dass hier auch in Zusammenarbeit mit den anderen Nationen die Einsatzfähigkeit sichergestellt wird.

Wir sagen deutlich: Wir im Deutschen Bundestag legen gemeinsam Wert darauf, dass die bestmögliche Ausstattung der deutschen Soldatinnen und Soldaten sichergestellt wird und damit eben auch die Ausübung des neuen Mandats ermöglicht wird.

Ich möchte an dieser Stelle ein Wort zur Finanzierung sagen. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, im Rahmen der Beratungen kamen auch aus den Koalitionsfraktionen und aus dem Verteidigungsministerium große Bedenken darüber auf, dass dieser Einsatz erneut allein aus dem Haushalt des Verteidigungsministeriums finanziert werden wird. Das wird auf Dauer so nicht gehen können. Wenn Sie das auf Dauer weiter so machen, wird das nicht ohne Einfluss auf die Ausrüstung und Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten bleiben. Deshalb erwarten wir, dass Sie Anstrengungen unternehmen, dass solche zusätzlichen Einsätze zukünftig aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werden.

Wichtig ist die politische Flankierung, nicht nur beim Wiederaufbau, sondern auch bei den Bemühungen um die Stabilisierung der afghanisch-pakistanischen Grenzregion. Und hier braucht es eine Unterstützung der pakistanischen Regierung gegen islamistische, terroristische und kriminelle Kräfte in Pakistan.

Auch hier muss es politische Initiativen der Bundesregierung geben. Wenn wir dieses Problem und das Flüchtlingsproblem in der Grenzregion nicht lösen, wird das eine dauerhafte Quelle der Destabilisierung für Afghanistan sein.

Meine Damen und Herren, deshalb sage ich sehr deutlich: Mit der Zustimmung zum heutigen Mandat gibt es aus der Sicht unserer Fraktion keinen Automatismus hinsichtlich weiterer Abstimmungen über eine Mandatsverlängerung; im Herbst dieses Jahres wird ja wieder eine anstehen.

Wir erwarten, dass nicht nur über den Strategiewechsel gesprochen wird, sondern dass er auch umgesetzt wird. Ich möchte eine letzte Bemerkung machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Diskussion in den letzten Wochen im Deutschen Bundestag war nicht etwa Hemmschuh, nein, sie war in vielen Punkten eine Unterstützung für die Bundesregierung – auch auf NATOEbene –, wenn es darum ging, auf den politischen Wechsel hinzuwirken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb beweist sich an dieser Stelle die Überlegenheit des Konzepts der Parlamentsarmee. Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass das auch weiter so bleibt.

Bernd Siebert (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Soldatinnen und Soldaten erfüllen unter zum Teil gefährlichen Bedingungen ihren Auftrag in verschiedenen Auslandseinsätzen. Nach besten Kräften, unterstützt von ihren Kameraden in der Heimat, tragen sie so zum guten Ansehen unseres Landes in der Welt entscheidend bei. Dafür gebührt – das kann man nicht nur nicht häufig genug wiederholen, sondern man muss es – den Angehörigen unserer Streitkräfte unser aller Dank.

Insbesondere den Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan ist ein Dank auszusprechen, denn sie haben in den letzten Jahren Hervorragendes geleistet.

Heute entscheiden wir in diesem Hohen Haus über den Einsatz der Aufklärungstornados in Afghanistan. Eine wochenlange Diskussion liegt hinter uns. Ich denke, diese Diskussion hat deutlich gemacht, dass die meisten Mitglieder in den Fraktionen verantwortungsvoll mit diesem Thema umgegangen sind. Deshalb werden wir heute bei der Beschlussfassung auch eine so klare Mehrheit zur Kenntnis nehmen.

Diese Diskussion hat auch gezeigt, dass die Bundeswehr zu Recht als Parlamentsarmee dargestellt wird. Wir haben also bei der Entsendung deutscher Soldatinnen und Soldaten ins Ausland die letzte Entscheidung und damit auch eine besondere Verantwortung.

Wichtiger erscheint mir allerdings, dass eine Befassung durch den Bundestag zu einer sicherheitspolitischen Diskussion in der breiten Öffentlichkeit unserer Gesellschaft geführt hat. Wir werden sehen, dass diese Diskussion heute nicht beendet ist, sondern auch in der Zukunft weitergeht. Ich will an dieser Stelle daran erinnern, dass wir vor einem Jahr über den Kongoeinsatz entschieden haben. Wenn wir damals die Umfragen bezüglich eines möglichen Kongoeinsatzes als Grundlage für unsere Entscheidung genommen hätten, hätten wir nicht so einen erfolgreichen Einsatz im Kongo organisiert und umgesetzt.

Natürlich wird eine solche Diskussion kontrovers geführt. Das wesentliche Argument der Gegner eines Einsatzes von Tornados in Afghanistan ist – wir haben das heute gehört –, dass der Einsatz eine völlig neue Dimension der Kriegsbeteiligung bedeuten würde und zugleich zu einer weiteren Militarisierung der deutschen Außenpolitik führen würde. Dem widerspreche ich ganz entschieden. Genau das Gegenteil ist der Fall.

Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass unser Einsatz in Afghanistan nur durch einen ausgewogenen und vernetzten sicherheitspolitischen Ansatz zum Erfolg führen kann. Das bedeutet den Einsatz sowohl ziviler als auch militärischer Mittel in Afghanistan. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar, weiß doch eigentlich jeder, dass ziviler Aufbau und demokratische Strukturen in einem Klima von Krieg, Zerstörung und Existenzkampf der Bevölkerung nicht gedeihen können. Diese notwendige Sicherheit muss notfalls auch gegen Widerstände über längere Zeiträume verteidigt werden, nicht zuletzt, um das bisher Erreichte in Afghanistan abzusichern. Dafür brauchen wir den Einsatz militärischer Fähigkeiten.

Die internationale Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF hat bereits in der Vergangenheit militärische Aufklärung in Afghanistan betrieben. Deutschland hat zum Beispiel Aufklärungsdrohnen des Typs LUNA im Norden Afghanistans im Einsatz. Im Bereich der Luftaufklärung hat es jedoch bisher eine Fähigkeitslücke gegeben, die wir nun schließen können. Unsere Tornados sind hervorragend geeignet – das können sie besser als andere –, am Tage in Höhen von bis zu 8,5 Kilometern auch bei schlechtem Wetter und mit einer Geschwindigkeit von über 1 000 Kilometern pro Stunde exakte Bilder zu liefern und Nachtaufklärung mit Infrarot zu betreiben. Dadurch bieten die deutschen Tornados eine besondere Qualität im Bereich moderner Aufklärung.

Wenn wir unsere Tornados nach Afghanistan senden, dann geht es dabei nicht nur um den Einsatz einer weiteren militärischen Fähigkeit, sondern um unseren Beitrag an jenem abgestimmten und ausgewogenen Konzept, mit dem die langfristige Stabilisierung Afghanistans erreicht werden soll.

Denn die Aufklärung von Räumen und Objekten trägt unmittelbar zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten und zur Absicherung des zivilen Aufbaus bei. Dass dieser Schutz nicht ausschließlich unseren Kräften zur Verfügung stehen sollte, sondern allen Verbündeten, das versteht sich aus meiner Sicht von Bündnissolidarität von selbst.

Deutschland beteiligt sich mit einer breiten Palette ziviler und militärischer Maßnahmen am Aufbau in Afghanistan. Die Bundeswehr schafft Sicherheit als Voraussetzung für eine positive Entwicklung. Die Tornados sind damit ein weiterer Schritt auf dem Weg zu Stabilität und Frieden in der Region.
Herzlichen Dank.

Rainer Arnold (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Taliban sind wieder erstarkt. Vielleicht nimmt Die Linke einmal zur Kenntnis, dass sich deren menschenverachtender Terror nicht in erster Linie gegen die Soldaten aus 37 Ländern richtet, sondern gegen die Menschen in Afghanistan, gegen die zivilen Aufbauhelfer, gegen die Schulen und gegen Lehrer, die Frauen und Mädchen unterrichten.

Die meisten Opfer, die es durch Terrorismus gegeben hat, sind afghanische Zivilisten.

Ich denke, die Taliban wissen auch, dass sie diese militärische Auseinandersetzung nicht gewinnen können.

Sie setzen aber auf eine andere Strategie, nämlich darauf, dass sie die westlichen Industrieländer, die sich dort engagieren, zermürben können. Deshalb glaube ich schon, dass die Art, wie wir heute diskutieren und wie wir entscheiden, am Ende nicht nur eine nationale Angelegenheit ist, sondern auch Einfluss darauf hat, wie die ser Kampf in Afghanistan weitergeführt werden kann.

Wir dürfen ihnen auch mit unserer Wortwahl nicht entgegenkommen.

In dieser schwierigen Phase in Afghanistan, in der es nicht um das Gelingen oder einen Misserfolg, sondern um eine Weichenstellung hin zu mehr Stabilität geht, hat die NATO – das ist kein anonymes Gremium, wir Deutschen sind Mitglied der NATO – einen Anforderungskatalog für zusätzliche Fähigkeiten aufgestellt. Ein Beitrag dazu sind diese Tornados, mit denen eine einzigartige Fähigkeit verbunden ist. Die Ressourcen dafür hat momentan nur Deutschland frei. Die Aufnahmen dieser Tornados sind nicht die einzigen Auswertungsgrundlagen für Entscheidungen in Afghanistan, sondern ein Teil der Informationen. Klar ist aber, dass damit zwei Dinge geleistet werden können:

Erstens. Anschläge können dadurch in der Tat verhindert werden.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

– Da gibt es doch nichts zu lachen. Ich weiß nicht, was für die Kollegen der Linken daran lustig ist. – Wir haben heute schon über das Staudammprojekt gesprochen. Für diesen Staudamm muss eine dritte Turbine auf dem Landweg transportiert werden. Natürlich können die Tornados diese Route, diese Straßen, bei jedem Wetter Tag und Nacht bestreifen und aufklären, ob dort in der Nacht Sprengfallen vergraben werden. Das ist wichtig für die Menschen in Afghanistan, deren Hoffnungen und deren Lebensbedingungen.

Zweitens. Natürlich können die Tornados auch Ziele aufklären. Wir als Deutsche haben mit allen 36 Partnern ein gemeinsames Interesse daran, dass nicht immer neue Terroristen über die Grenze von Pakistan kommen. Je genauer die Ziele aufgeklärt werden, umso besser ist es möglich, zivile Opfer zu vermeiden.

Ich sage an dieser Stelle eines: Natürlich müssen wir mit den amerikanischen Partnern immer wieder darüber reden, dass wir die Kultur der Afghanen respektieren wollen und wie sorgsam wir vorgehen, um zivile Schäden zu vermeiden. Ein schlauer Rat aus Deutschland alleine ist aber wohlfeil. Die Amerikaner fragen uns dann schon zu Recht, welchen Beitrag wir dazu leisten, damit solche Fehler nicht passieren. Die Tornados sind ein ernsthafter Beitrag dazu. Deshalb ist es richtig, verantwortbar und notwendig, dass wir dies heute so entscheiden.

Ich verstehe die Sorge vieler Kolleginnen und Kollegen auch in diesem Haus, die in erster Linie befürchten, dass es so etwas wie eine Zwanghaftigkeit gibt, die nicht mehr kontrollierbar ist, sodass wir immer weiter in militärische Auseinandersetzungen verwickelt werden. Diese Befürchtung ist aus zwei Gründen falsch:

Der erste Grund ist, dass wir den deutschen Parlamentsvorbehalt haben. Das Parlament hat ja mit dafür gesorgt, dass die Regierung einen Antrag vorgelegt hat, aufgrund dessen wir in dieser Debatte heute über die Tornados diskutieren. Wir selbst haben dies in der Hand. Der deutsche Parlamentsvorbehalt ist allerdings nicht nur ein Recht für uns Parlamentarier, sondern uns wird dadurch natürlich auch eine Verantwortung übertragen.

Ich will schon noch einmal sagen: Die Linke und der Redner der Linken stehlen sich in dieser Frage nicht zum ersten Mal aus der Verantwortung. Das ist ein ernsthaftes Problem.

Es gibt einen zweiten Grund, warum wir nicht in Dinge schlittern, die wir nicht haben wollen. Dieser Grund ist ganz klar: Alle, die heute mit Ja stimmen, wissen doch selbstverständlich, dass man den Krieg gegen Terroristen, die Sprengfallen aufstellen und Selbstmordattentäter in ihren Reihen haben, nicht in erster Linie militärisch gewinnt. Das ist eine Binsenweisheit. Natürlich hat die Bundesregierung wichtige Impulse dafür gegeben – alle Ressorts –, dass die Staatengemeinschaft die militärischen und zivilen Aufbauanstrengungen stärker verzahnt und die Bemühungen erhöht – und das ist richtig so. Ich glaube, alle Parlamentarier werden genau beobachten, wie sich dies bis zum Oktober entwickeln wird, wenn wir erneut darüber diskutieren werden. Wir wissen aber eines: Wir dürfen jetzt nicht zurückweichen. Häufig werden wir gefragt, wie lange das in Afghanistan dauern wird. Die Antwort ist eindeutig:
Es wird so lange gehen müssen, bis man den Terror zwar nicht besiegt, aber so weit zurückgedrängt hat, dass die afghanischen Sicherheitsbehörden – Polizei und Militär –, die noch weiter ausgebaut werden müssen, in ihrem eigenen Land selbst die Verantwortung für Sicherheit übernehmen können. So lange wird sich Deutschland dort engagieren müssen.

Ich sage zum Schluss: Es gibt in der Lehre des Islam einen sehr schönen Satz. Wir werden so lange dort bleiben – das muss auch jeder Taliban wissen –, bis dieser Satz in ganz Afghanistan universelle Gültigkeit hat. Er lautet:

Die Tinte des Schülers ist heiliger als das Blut des Kämpfers.

Darum geht es am Ende.
Herzlichen Dank, Kolleginnen und Kollegen.

Gert Winkelmeier (fraktionslos):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mir gut vorstellen, dass es der Bundesregierung und manch einem hier im Parlament überhaupt nicht in den Kram passt, dass die NATO-geführte ISAF ausgerechnet jetzt mit ihrer sogenannten Frühjahrsoffensive begonnen hat. Nun helfen nämlich alle Versuche nichts mehr, den eigenen Kollegen in der Öffentlichkeit vorzuspiegeln, dass die Einsätze von ISAF und der Operation „Enduring Freedom“ in Zielsetzung und Mitteln etwas völlig Verschiedenes wären. Nein, jetzt ist für jedermann sichtbar, dass ISAF, die sogenannte Stabilisierungstruppe, Krieg führt, und zwar so, wie wir ihn aus dem Irak und aus dem sogenannten Antiterrorkampf in Afghanistan seit 2001 kennen: mit wenig Rücksicht auf Verluste unter der unbeteiligten Zivilbevölkerung.

An diesem Krieg wird sich die Bundeswehr mit den Aufklärungstornados beteiligen, wenn heute in diesem Hause nicht noch ein Wunder geschieht.

Noch einmal: Aufklärung ist integraler Bestandteil der Kriegsführung. Deswegen gilt: Wer Jagdbombern Ziele zuweist, macht sich mitschuldig an der Tötung Unschuldiger.

Wir haben es doch erst vergangenen Montag wieder erlebt: Bei der Bombardierung eines Wohnhauses in der Provinz Kapisa in Nordafghanistan wurden fünf Frauen, drei Kinder und ein alter Mann getötet. Glaubt denn jemand ernsthaft daran, dass so etwas durch die Recce- Tornados verhindert werden kann? Das Gegenteil trifft doch zu: Wenn Stunden nach der Momentaufnahme die Bomben fallen, hat sich die Lage doch längst verändert. Die paschtunischen Taliban warten doch nicht, bis ihnen die Bomben auf den Kopf fallen. Sie treten auch nicht in geschlossenen Formationen auf. Im Übrigen frage ich mich, wie ein Bildauswerter einen waffentragenden Bauern von einem Talibankämpfer unterscheiden soll.

Nein, Kolleginnen und Kollegen, machen Sie sich nichts vor. Die Tornados, deren Einsatzkosten alleine bis Oktober 35 Millionen Euro betragen, sind aktiver Teil der Kriegsmaschinerie und ersetzen die britischen Harrier- Bomber, die vorher die Aufklärungsarbeit geleistet haben. Im Rahmen der Frühjahrsoffensive sollen die Harrier voll in den Luft-Boden-Kampf eingreifen.

An dieser Stelle ein Wort zu Herrn Kuhn. Er ist der Meinung, die Tornados seien nötig, um den Hilfsorganisationen den Weg zu weisen. So entnahm ich es der „Süddeutschen“ von vorgestern. Wissen Sie, Herr Kuhn, für mich ist das eine intellektuelle Zumutung von Ihnen, vom friedenspolitischen Aspekt einmal abgesehen. Haben Sie sich eigentlich einmal überlegt, wie viel CO2 ein solcher Tornado ausstößt? Umweltschutz, meine Damen und Herren von den Grünen, hört nicht an den eigenen Grenzen auf und ist auch nicht teilbar.

In den letzten Jahren habe ich mir oft gewünscht, dass Ihre beiden Kollegen Petra Kelly und General Bastian noch leben würden. Die hätten Ihnen den Zusammenhang von Friedens- und Umweltbewegung sicherlich genau erklären können.

Der Tornadoeinsatz wird nicht mehr Schutz für unsere Soldaten bringen; denn auch die Deutschen werden mit der brutalen Kriegsführung der Alliierten identifiziert. Das wird auch im Norden auf die Bundeswehr zurückschlagen. Die Menschen in Afghanistan leben seit Jahrzehnten unter der Geißel des Krieges bzw. Bürgerkrieges. Seit Jahrzehnten sind sie Spielball fremder Interessen: erst britischer, dann russischer und heute amerikanischer Interessen. Geben wir ihnen endlich die Chance, ihr Schicksal selber zu bestimmen. Machen wir endlich Ernst mit wirklicher Hilfe für den Wiederaufbau in Afghanistan,

das uns noch traditionell freundschaftlich verbunden ist. Das geht aber nur unter Einbeziehung aller Gruppen im Land und nicht gegen sie; und schon gar nicht mit militärischen Mitteln und mit der Überstülpung unserer Vorstellungen von Demokratie.

Der Oberstarzt a. D. der Bundeswehr, Reinhard Erös, weist in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 2. März und gestern Abend in Phoenix zu Recht darauf hin, dass die allein für 2007 für den Tornadoeinsatz benötigten Mittel den Bau von 1 200 Schulen ermöglichen würden. Zurzeit wird noch mehr als zehnmal so viel für den Krieg ausgegeben wie für den Wiederaufbau. Für den Wiederaufbau ist die Entwicklung einer Exit-Strategie nötig. Das heißt, die Aufwendungen für den wirtschaftlichen Aufbau sind um ein Vielfaches zu erhöhen, während die militärischen Kosten auf null gesenkt werden müssen.

Was Sie, die Mehrheit in diesem Hause, aber heute beschließen wollen, ist das genaue Gegenteil. Ihre Strategie führt unweigerlich in eine von anderen gewollte, immer tiefere Verstrickung in einen Krieg, der deutschen und europäischen Interessen zuwiderläuft. Als der englische Umweltminister Michael Meacher nicht länger der Pudel des US-Präsidenten sein wollte, trat er zurück. Am 6. September 2003 schrieb er im „Guardian“: Dieser Krieg gegen den Terror ist ein Vorwand. Dem ist nichts hinzuzufügen, außer einem Wort an meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Einst hatte Ihre Partei die Kraft zur Abkehr von der (Atomstrompolitik. Haben Sie heute endlich die Kraft, mit der Militarisierung der deutschen Außenpolitik aufzuhören! Wenn Sie das nicht schaffen, dann – das prophezeie ich Ihnen – wird es auf lange Sicht keinen sozialdemokratischen Kanzler in diesem Lande mehr geben.
Danke schön.

Dr. Christian Ruck (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir Entwicklungspolitiker haben uns eindeutig für die Entsendung der Recce-Tornados nach Afghanistan ausgesprochen, weil gerade wir wissen: Sicherheit und Entwicklung sind zwei Seiten der gleichen Medaille; nur beide Elemente zusammen sind der Schlüssel zum Erfolg unserer gemeinsamen Anstrengungen in diesem Land.

Der feige Mord an dem deutschen Entwicklungshelfer gestern zeigt, wie sehr sowohl unsere Bundeswehrsoldaten als auch die deutschen Entwicklungsfachleute jeden Tag in Unsicherheit leben – ebenso wie die afghanische Bevölkerung. Präzisere Aufklärung ist zwar kein Allheilmittel; aber es ist völlig klar, dass sie die Sicherheit für unsere Soldaten, für unsere Entwicklungshelfer und für die afghanische Zivilbevölkerung erhöht, auch weil sie hilft, Kollateralschäden zu vermeiden oder zu minimieren. Das ist wichtig, damit die Afghanen in uns weiterhin Helfer und Freunde und nicht Besatzer sehen. Auf dem Rigaer Gipfel der NATO wurde offiziell bestätigt, was wir schon oft gesagt haben: Der Weg zu einem stabilen, friedlichen Afghanistan ohne Terrorismus ist nicht militärisch zu erzwingen, sondern nur durch einen konzentrierten Aufbau und Wiederaufbau, der aber militärisch abgesichert werden muss, möglich. Wir haben gesagt, dass dieser Einsatz auf zwei Beinen steht. Deswegen ist es auch richtig, dass die Bundesregierung die Mittel für die Entwicklung in Afghanistan um 25 Prozent erhöht.

Ich freue mich – das sage ich ganz ehrlich – über die breite Unterstützung, die der zivile Aufbau, die Entwicklungspolitik, die Entwicklungshilfe in diesem Hause jetzt genießen. Ich freue mich auch, dass die Amerikaner und andere einen substanzielleren Beitrag leisten. Ebenso freue ich mich auf die Unterstützung der Grünen beim nächsten Haushalt, Herr Trittin. Aber ich kann mir natürlich nicht verkneifen, auch Ihnen zu sagen: Erst seitdem die Grünen nicht mehr in der Regierung sind, nimmt das Budget der Entwicklungsministerin substanziell zu.

Wir müssen – das wurde heute völlig zu Recht schon festgestellt – natürlich auch sagen, dass die Entwicklung Afghanistans in letzter Zeit bedenklich ins Stottern geraten ist. Das hat verschiedene Ursachen: die ungelöste Drogenproblematik und auch das Wiedererstarken der Taliban. Die Taliban gehen nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche vor: auf der einen Seite soziale Hilfsleistungen, auf der anderen Seite Gewalt, Erpressung und Zusammenarbeit mit Drogenverbrechern, um die Macht in den Städten und im Land wiederzuerlangen.

Herr Hoyer, Sie haben Recht, wenn Sie sagen, Durchhalteparolen seien zu wenig. Jawohl, Parolen sind zu wenig; aber durchhalten ist wichtig. Wichtig ist auch, dass wir die richtigen Konsequenzen aus dem ziehen, was bisher nicht hundertprozentig geklappt hat. Erstens. Eine Erkenntnis ist, dass den Taliban und al-Qaida nicht allein mit zivilen Mitteln Einhalt geboten werden kann. Der Aufbau kann nicht ohne militärische Absicherung funktionieren.

Zweitens. Unser Erfolg im Norden und im Osten ist nur nachhaltig, wenn die Stabilisierung im Westen und im Süden gelingt. Deshalb muss es eine verstärkte zivile Nachbarschaftshilfe beim Wiederaufbau in anderen Regionen geben.

Drittens. Der Frieden in Afghanistan hängt vor allem von der Entwicklung auf dem Land ab. Wir müssen sie noch mehr in afghanische Hände legen. Das bedingt die raschere Qualifizierung von Lehrern, von Ärzten, von Verwaltungsbeamten – übrigens auch von Politikern – und von Polizisten.

Es ist natürlich kontraproduktiv, dass in diesem Moment die EU-Kommission ihre Entwicklungshilfe für Afghanistan kürzt, dass die UN so hohe Gehälter für Fahrer zahlt, dass jeder Lehrer lieber Fahrer werden will, und dass nach wie vor Teile der UN-Hilfslieferungen wie die Nahrungsmittelhilfe am Bedarf des Landes vorbeigehen. Der Wiederaufbau in Afghanistan kann nur in Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten – auch das ist schon gesagt worden – gelingen. Da verweise ich auf den zentralen Schwachpunkt, der bisher in der Gesamtstrategie aufgetaucht ist. Die 16 Millionen Paschtunen in Afghanistan und die 30 Millionen Paschtunen in Pakistan – zwischen ihnen existiert eine völlig offene Grenze – sind bisher in den letzten Jahren und Jahrzehnten von jeglicher Entwicklung ausgeschlossen worden. Das bildet natürlich einen idealen Nährboden für Ideologien und Fremdenhass der Taliban. Deswegen ist es richtig, dass wir in unserer Gesamtstrategie die Entwicklungspolitik und die Außenpolitik gegenüber Pakistan in unsere Überlegungen mit einbeziehen.

Wir haben keinen Grund, vor der Drogenproblematik zu kapitulieren. Wenn wir die Unterstützung der Mullahs und der Stammesfürsten haben, wenn wir eine durchdachte Wirtschaftspolitik betreiben, die den Bauern zugute kommt, und wenn wir unsere Anstrengungen in der Sicherheitspolitik mit Blick auf die Polizeiausbildung erhöhen, werden wir auch dieses Problem langfristig lösen können.
Vielen Dank.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch mir wäre es lieber, wenn wir nach fünf Jahren Stabilisierungseinsatz in Afghanistan heute so weit wären, die Truppen zu reduzieren, statt sie verstärken zu müssen. So war es auf dem Balkan. Eine ganze Weile haben wir dort starke Truppenkontingente bereithalten müssen. Heute sieht die Situation hinsichtlich der Truppenstärke folgendermaßen aus: Mazedonien null, Bosnien deutlich reduziert. Im Kosovo gibt es noch eine große Truppenstärke; aber perspektivisch gibt es eine Reduzierung. Eine Reduzierung muss das Ziel sein. Allerdings muss die Lage dies auch zulassen. Es muss das Ziel jedes Auslandseinsatzes der Bundeswehr sein, dass es später auch ohne Militär geht.

Der Einsatz der Soldaten ist kein Selbstzweck. Um ein sicheres Umfeld zu schaffen, das den Wiederaufbau des Staates, den Bau von Straßen, Schulen und Krankenhäusern erst ermöglicht, brauchen die Menschen in Afghanistan heute die Unterstützung durch die Soldaten der NATO. Würden wir auf diese militärische Absicherung verzichten, könnten wir auch unsere zivilen Hilfen einstellen. Das darf aber keine Alternative sein. Es bringt nichts, die zivile Hilfe gegen die militärische auszuspielen. Wäre keine internationale Schutztruppe im Land, dann würden sich die militanten Taliban-, Haqqani- und Hezb-e-Islami-Gruppen gewiss nicht in Respekt und Hochachtung vor Mädchenschulen, öffentlichen Rundfunkanstalten und Entwicklungsprojekten verbeugen, sondern sie angreifen, vertreiben und zerstören wie vor 2001.

Alle diejenigen, die jetzt darüber reden, dass es an der Zeit sei, den Einsatz der Bundeswehr und der NATO zu beenden, müssen sich fragen lassen, wie es dann in Afghanistan weitergehen würde. Wer würde die vielen hoffnungsvollen Ansätze, die es trotz der schlechten Nachrichten gibt, dann zu einem Erfolg führen? Wir haben den Menschen in diesem Land unsere Hilfe zugesagt. Wir stehen gegenüber der frei gewählten afghanischen Regierung im Wort. Wir wussten, dass es ein längerer Einsatz wird. Wenn wir den Einsatz der Bundeswehr jetzt beenden würden, statt zu unserer Verantwortung zu stehen, wäre alles umsonst gewesen. Dann hätten wir ein massives Glaubwürdigkeitsproblem.

Jeder – so sagte neulich der afghanische Außenminister Spanta, der auch bei uns im Verteidigungsausschuss zu Gast war –, der gedacht hat: „Fünf Jahre nach dem Fall der Taliban wird das Projekt endgültig ein Erfolgsprojekt“, war sehr naiv. Dr. Spanta sagte dies auf Deutsch. Er hat jahrzehntelang in Deutschland gelebt, nicht freiwillig, sondern im Exil als politisch Verfolgter. Ob er noch Mitglied des Bündnisses 90/Die Grünen ist, weiß ich nicht. Aber er ist ein mutiger Demokrat, der jetzt die Chance hat, um den Aufbau der Demokratie in seiner Heimat zu kämpfen. Dabei kann er sich auf unsere Hilfe verlassen, auch auf die militärische Sicherheit, die heute dazu noch notwendig ist.

Denn für Afghanistan gilt wie für viele andere Krisenregionen: Ohne Sicherheit vor gewalttätigen Fanatikern sind alle anderen Probleme erst recht nicht lösbar. Wir müssen Bedingungen schaffen, die die Arbeit der zivilen Kräfte ohne Bedrohung ermöglichen. Neue Hoffnung wird es nicht geben, solange sich weder die Helfer noch die Bevölkerung einigermaßen sicher fühlen können. Wir haben als Teil der NATO mit unseren Partnern eine gemeinsame Verantwortung für ganz Afghanistan übernommen. Es gibt keine getrennte Sicherheit im Norden und im Süden des Landes. Mit der Bereitstellung der Recce-Tornados leisten wir einen Beitrag zur Stabilisierung der Lage auch in den südlichen Landesteilen.

Ausdruck unseres umfassenden Politikansatzes sind dabei die sogenannten regionalen Wiederaufbauteams. Sie setzen sich aus Soldaten der Bundeswehr zusammen, die Seite an Seite mit Vertretern des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie des Innenministeriums arbeiten. Diesen Ansatz hat sich seit dem Rigaer Gipfel die NATO zu eigen gemacht – einschließlich der USA.

Auch wenn unsere amerikanischen Verbündeten in der Presse gelegentlich mit Kritik an Deutschland zitiert werden, wird unser Engagement durchaus auch in Washington akzeptiert. General Eikenberry, bis zum vergangenen Jahr Oberbefehlshaber der US-Truppen in Afghanistan, lobte bei einer Kongressanhörung ausdrücklich unseren Beitrag und bescheinigte den Deutschen – so berichtet es der Korrespondent der Zeitung „Die Welt“ –, dass sie „sehr gute Arbeit“ leisteten. Das ist übrigens der gleiche General, den die „FAZ“ einige Monate zuvor mit den Worten zitierte: Das effektivste Waffensystem, das wir haben, ist der wirtschaftliche Wiederaufbau. – Das ist richtig.

Trotzdem entsteht in unserer Öffentlichkeit manchmal der Eindruck, Deutschland setze hauptsächlich auf das Militär. Das liegt vielleicht auch an unserem Prinzip der Parlamentsarmee. Wir stimmen in diesem Hause ja regelmäßig über die Verlängerung der Einsätze der Bundeswehr ab, nicht jedoch über die zivile Aufbauhilfe. Dank der Beteiligung des Parlaments an den Entsendeentscheidungen steht der militärische Teil unserer Politik immer im Fokus des medialen Interesses. Da entsteht leicht eine etwas verzerrte Wahrnehmung.

(Vorsitz: Präsident Dr. Norbert Lammert)

Vielleicht sollten wir das umfangreiche zivile Engagement Deutschlands in den Krisenregionen gelegentlich stärker in den Vordergrund stellen, um dieses Bild zu korrigieren. Viele Projekte, viele engagierte Helfer finden nie den Weg in die Zeitungen und leisten doch im Verborgenen Großartiges und riskieren ihr Leben.

Dass die Bundesregierung den Bundestag für den Einsatz der Flugzeuge vom Aufklärungsgeschwader 51 aus Schleswig ausdrücklich um ein neues Mandat bittet, ist sehr zu begrüßen. Zu Beginn der Diskussion haben ja einige argumentiert, dass der Einsatz vom bisherigen Bundestagsbeschluss voll gedeckt sei. Das sehe ich nicht so. Wir nehmen heute quantitativ und qualitativ eine Erweiterung des Mandats vor. Unser heutiges Votum ist auch ein Signal an die neue afghanische Demokratie, dass wir zu unserem Wort stehen und die Stabilisierung des Landes so unterstützen, wie dies notwendig ist.
Schönen Dank.

Bernd Schmidbauer (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Wechselbad der Gefühle haben wir in dieser Debatte erlebt: von rhetorischer Abrüstung bis hin zu kindergartengemäßen Protestaktionen derer, die nicht zu verbessern sind und von denen wohl auch im Ausschuss keine wesentlichen Beiträge zu erwarten sein werden.

Ich hatte mit dem Kollegen Meckel heute Morgen ein Gespräch. Er hat angeregt, dass wir das Material, das mit den Entschließungsanträgen vorliegt, in den Ausschüssen debattieren. Ich würde das befürworten. Wir sollten uns das, was im Hinblick auf die Entwicklung Afghanistans aufgezeigt wird, zunutze machen und diese Debatte nicht mit der Auseinandersetzung über die Entsendung von sechs Tornados beenden. Wir sollten über den Strategiewechsel sehr detailliert diskutieren.

Es ist nicht wahr, dass wir hier schwarz-weiß malen würden. Die Konferenzen – von Bonn über Tokio bis London, wo der Afghanistan-Compact veröffentlicht wurde – dienten doch dazu, aufzuzeigen, was wir in der Zukunft anders machen sollten, um dem abzuhelfen, was wir alle beklagen.

Ich fürchte, lieber Herr Fraktionsvorsitzender, dass wir die Haushälter in diese Debatte einbeziehen müssen. Egal ob die Entwicklungspolitiker oder die Außenpolitiker reden oder andere, es wird immer vergessen, dass in der Zukunft einer der Schwerpunkte sein muss, dass wir die Haushaltsmittel aufstocken – nur das bringt den entscheidenden Strategiewechsel, den wir hier brauchen.

So gesehen sind die sechs Tornados ein guter Anlass, zu sagen: Wir verstärken die Sicherheit, wir klären auf, wir schützen diejenigen, die dort helfen, und wir denken darüber nach, wie wir in der Zukunft die zivile Komponente nicht nur verbal, mit Lippenbekenntnissen hier im Plenum, verstärken können, sondern wie wir dazu kommen, dass aus Planungen Realität wird. Frau Ministerin, Sie waren auf meiner Seite, als wir im Ausschuss darüber gesprochen haben. Es nützt uns wenig, wenn wir nur Planungen vorlegen. Denn wir wissen: Nur wer für Stabilität sorgt, kann Planungen auch umsetzen, kann den Menschen in Afghanistan deutlich machen, worauf es uns ankommt. Es genügt nicht, in jeder Debatte verbal zu beteuern, dass man sich engagieren will – man muss es auch umsetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so kann der Einsatz unserer Aufklärungstornados unsere gemeinsame Verantwortung, aber auch unsere Bündnistreue zum Ausdruck bringen. Es geht nicht um die sechs Tornados, es geht letztlich darum, dass dem Bündnis das gegeben wird, was wir brauchen, um Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit auch nach außen darzustellen.

Die Forderung und Realisierung einer besseren internationalen Koordination und die Umsetzung im nationalen Bereich sind, wie ich bereits sagte, wesentlich und dürfen nicht Lippenbekenntnisse sein.


Präsident Dr. Norbert Lammert:

(...) Fraktionen von CDU/CSU und SPD verlangen dazu namentliche Abstimmung.
Ich weise vor Eintritt in die namentliche Abstimmung auf zwei Punkte hin:
Erstens. Mir liegt eine ganze Reihe persönlicher Erklärungen zur Abstimmung vor, die, wie es immer getan wird, dem Protokoll dieser Sitzung beigefügt werden.
Zweitens. Nach dieser namentlichen Abstimmung folgen noch einige strittige Abstimmungen. Ich bitte Sie, im Saal zu bleiben, damit Sie auch an den folgenden Abstimmungen teilnehmen können.
Sind bereits alle Abstimmungsurnen besetzt? – Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung. Gibt es Kolleginnen und Kollegen, die ihre Stimmkarte noch nicht abgegeben haben? – Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird – wie immer – während der Debatte über den nächsten Tagesordnungspunkt bekannt gegeben.


Ergebnis der namentlichen Abstimmung

Abgegebene Stimmen: 573;
davon:
  • ja: 405
  • nein: 157
  • enthalten: 11
Mit NEIN stimmten:

Aus der CDU-CSU-Fraktion:

Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dr. Peter Gauweiler, Norbert Schindler, Willy Wimmer (Neuss)

SPD:

Gregor Amann, Ingrid Arndt-Brauer, Klaus Barthel, Dr. Axel Berg, Lothar Binding (Heidelberg), Clemens Bollen, Willi Brase, Marco Bülow, Ulla Burchardt, Martin Burkert, Christian Carstensen, Dr. Peter Danckert, Elvira Drobinski-Weiß, Dagmar Freitag, Martin Gerster, Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim), Wolfgang Grotthaus, Wolfgang Gunkel, Klaus Hagemann, Reinhold Hemker, Gustav Herzog, Gabriele Hiller-Ohm, Petra Hinz (Essen), Iris Hoffmann (Wismar), Frank Hofmann (Volkach), Christel Humme, Christian Kleiminger, Dr. Bärbel Kofler, Ernst Kranz, Angelika Krüger-Leißner, Jürgen Kucharczyk, Ute Kumpf, Christine Lambrecht, Waltraud Lehn, Dirk Manzewski, Lothar Mark, Caren Marks, Hilde Mattheis, Petra Merkel (Berlin), Dr. Matthias Miersch, Marko Mühlstein, Detlef Müller (Chemnitz), Florian Pronold, Mechthild Rawert, Maik Reichel, Christel Riemann-Hanewinckel, Sönke Rix, René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Ortwin Runde, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Renate Schmidt (Nürnberg), Heinz Schmitt (Landau), Ottmar Schreiner, Swen Schulz (Spandau), Ewald Schurer, Frank Schwabe, Wolfgang Spanier, Dr. Margrit Spielmann, Christoph Strässer, Dr. Rainer Tabillion, Rüdiger Veit, Dr. Marlies Volkmer, Andreas Weigel, Lydia Westrich, Andrea Wicklein, Dr. Wolfgang Wodarg, Waltraud Wolff (Wolmirstedt)

FDP:

Jens Ackermann, Uwe Barth, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Cornelia Pieper

DIE LINKE:

Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge, Roland Claus, Sevim Dag(delen, Diether Dehm, Werner Dreibus, Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Diana Golze, Dr. Gregor Gysi, Heike Hänsel, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Cornelia Hirsch, Inge Höger, Dr. Barbara Höll, Ulla Jelpke, Dr. Hakki Keskin, Katja Kipping, Monika Knoche, Jan Korte, Katrin Kunert, Oskar Lafontaine, Michael Leutert, Ulla Lötzer, Dr. Gesine Lötzsch, Ulrich Maurer, Dorothée Menzner, Kornelia Möller, Kersten Naumann, Wolfgang Neškovic', Dr. Norman Paech, Petra Pau, Bodo Ramelow, Elke Reinke, Paul Schäfer (Köln), Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Herbert Schui, Dr. Ilja Seifert, Dr. Petra Sitte, Frank Spieth, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost, Alexander Ulrich, Sabine Zimmermann

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Volker Beck (Köln), Cornelia Behm, Grietje Bettin, Alexander Bonde, Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, Bärbel Höhn, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Sylvia Kotting-Uhl, Markus Kurth, Monika Lazar, Dr. Reinhard Loske, Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg), Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Gerhard Schick, Hans-Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe, Jürgen Trittin

fraktionslos:

Henry Nitzsche, Gert Winkelmeier

Enthalten

CDU/CSU

Peter Albach, Dr. Peter Jahr, Manfred Kolbe

SPD

Elke Ferner, Dr. Wilhelm Priesmeier

FDP

Dr. Edmund Peter Geisen, Gisela Piltz

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hans Josef Fell, Britta Haßelmann, Ulrike Höfken, Wolfgang Wieland

Quelle: Plenarprotokoll 16/86: Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 86. Sitzung, Berlin, Freitag, den 9. März 2007, S. 8761-8799


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