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Aachener Friedenspreis 2005 geht an Roy Bourgeois und Hanne Hiob

Einsatz für Menschenrechte und gegen Neofaschismus - Preisverleihung am Antikriegstag - Porträts

Im Folgenden informieren wir über die Verleihung des Aachener Friedenspreises 2005 mit einer Pressemitteilung des "Aachener Friedenspreis e.V." sowie zwei Porträts der Preisträgerin und des Presiträgers.



Der Aachener Friedenspreis 2005 wird an den katholischen Theologen Roy Bourgeois aus den USA und an die Schauspielerin Hanne Hiob aus München verliehen. Die freierliche Preisverleihung findet am 1. September um 19 Uhr in der Aula Carolina in Aachen statt. Der Aachener Friedenspreis ist mit jeweils 1000 Euro dotiert.

Roy BourgeoisRoy Bourgeois setzt sich seit mehr als 25 Jahren aktiv von unten und unter großen persönlichen Opfern für Frieden und Menschenrechte ein. Seit 1980 ist sein persönlicher Schwerpunkt die Organisation von Protestaktionen gegen das Training lateinamerikanischer Soldaten (u.a. für Folterungen) an der Militärschule in Fort Benning (US-Bundesstaat Georgia). Seine Teilnahme an gewaltfreien Protestaktionen gegen diese Militärschule brachte ihm vier Jahre Haft in USA-Gefängnissen ein.

Sein Schwerpunkt-Thema, der Protest gegen die systematische Ausbildung von Folter-Experten ist im vergangenen Jahr zu einem weltweiten, aber auch zu einem innenpolitischen Schwerpunkt-Thema geworden.

Die Auszeichnung mit dem Aachener Friedenspreis würdigt 60 Jahre nach der Befreiung von Krieg und Faschismus in Deutschland und 30 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges einen ehemaligen Berufsoffizier der US-Armee, der nach dem Erlebnis des Vietnamkrieges katholischer Priester wurde, nach Südamerika ging, um den Armen zu helfen und aus seinen konkreten Erfahrungen heraus mit gewaltlosen Aktionen unter persönlichen Opfern gegen Krieg, Gewalt und Folter kämpft.

Wir würdigen mit dem Aachener Friedenspreis an Frau Hanne Hiob das Lebenswerk eines Menschen, der sich seit mehr als 30 Jahren unerschrocken und mit all seiner Kraft gegen Faschismus, Rassismus und Krieg eingesetzt hat. Die Losung: „Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg!“ ist stets ihr Leitmotiv geblieben.

Die Verleihung des Friedenspreises an Hanne Hiob setzt ein Zeichen gegen alle neonazistischen Versuche, den Faschismus wieder salonfähig zu machen. Sie ist ein Signal gegen Rechtsradikalismus und die wachsende Militarisierung in unserem Land.

Der Aachener Friedenspreis ist mit 1.000 Euro dotiert und wird – wie in jedem Jahr – am 1. September feierlich in der Aula Carolina in Aachen verliehen. Es ist seit Gründung des Aachener Friedenspreis e.V. die 18. Preisverleihung.

Erklärung des Komitees "Aachener Friedenspreis e.V."


Roy Bourgeois (USA)

katholischer Priester, Foltergegner, Friedensaktivist

Roy BourgeoisRoy Bourgeois setzt sich seit mehr als 25 Jahren aktiv von unten und unter großen persönlichen Opfern für Frieden und Menschenrechte ein. Seit 1980 ist sein persönlicher Schwerpunkt die Organisation von Protestaktionen gegen das Training lateinamerikanischer Soldaten (u.a. für Folterungen) an der Militärschule in Fort Benning (US-Bundesstaat Georgia). Seine Teilnahme an gewaltfreien Protestaktionen gegen diese Militärschule brachte ihm vier Jahre Haft in USA-Gefängnissen ein.

Sein Schwerpunkt-Thema, der Protest gegen die systematische Ausbildung von Folter-Experten ist im vergangenen Jahr zu einem weltweiten, aber auch zu einem innenpolitischen Schwerpunkt-Thema geworden.
  • Presseberichte über Pläne des Pentagon, im Irak Todesschwadronen wie in El Salvador einzusetzen
  • Skandal um Folterungen im US-Militärgefängis Abu-Ghreib im Irak
  • Folterungen im US-Gefängnis Guantanamo (Verurteilung durch den Europarat)
  • Strafanzeige der US-Menschenrechtsorganisation Center for Constitutional Rights” (CCR) gegen Verteidigungs minister Rumsfeld, gegen den früheren CIA-Direktor Tenet und amerikanische Militärs wegen des Folterskandals in Abu-Ghreib bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe
  • Skandal um Folteransätze bei der Ausbildung von Bundeswehr-Soldaten
  • Skandal um Folterdrohung bei Polizeiverhör (Daschner-Prozess in Frankfurt)
Die Auszeichnung mit dem Aachener Friedenspreis würdigt 60 Jahre nach der Befreiung von Krieg und Faschismus in Deutschland und 30 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges einen ehemaligen Berufsoffizier der US-Armee, der nach dem Erlebnis des Vietnamkrieges katholischer Priester wurde, nach Südamerika ging, um den Armen zu helfen und aus seinen konkreten Erfahrungen heraus mit gewaltlosen Aktionen unter persönlichen Opfern gegen Krieg, Gewalt und Folter kämpft.

Insgesamt 181 Aktivisten der von ihm gegründeten Organisation „School of the Americas Watch“ (SOAW) haben bisher mehr als 80 Jahre im Gefängnis verbracht. Am 15. März 2005 traten erneut elf Aktivisten, darunter eine 63jährige Nonne des Maryknoll-Ordens und ein 79 jähriger Rentner, Haftstrafen zwischen 3 und 6 Monaten an. Sie waren bei der Protestaktion im vergangenen November friedlich auf das Gelände der Militärschule eingedrungen und wurden dort festgenommen.

Pater Roy Bourgeois ist außerhalb der USA weitgehend unbekannt. Dort erhielt er 1997 von Pax Christi USA den Preis „Teacher of Peace“.

Literaturhinweis:
Disturbing the Peace. The Story of Father Roy Bourgeois and the Movement to Close the School of the Americas, New York 2004

Lebenslauf:

1938 in dem kleinen katholisch geprägten Ort Lutcher (US-Bundesstaat Louisiana) geboren

1963-1967 diente er als Marineoffizier in Vietnam und wurde mit dem Verwundeten-Abzeichen „Purple Heart“ ausgezeichnet. Nach dem Militärdienst trat er dem Maryknoll Missions Orden bei.

1972 wurde Roy Bourgeois als katholischer Priester ordiniert.

Anschließend ging er für fünf Jahre nach Bolivien, um mit den Armen zu arbeiten. Unter der Diktatur von General Hugo Banzer wurde er verhaftet und ausgewiesen.

Als 1980 in El Salvador vier Ordensschwestern des Maryknoll Ordens von Soldaten umgebracht wurden – zwei von ihnen kannte er gut – wurde Roy Bourgeois zum Kritiker der Außenpolitik der USA in Lateinamerika.

Seitdem verbrachte er vier Jahre in US-Gefängnissen wegen der Teilnahme an gewaltfreien Protestaktionen gegen das Training lateinamerikanischer Soldaten (u.a. für Folterungen) an der Militärschule in Fort Benning (US-Bundesstaat Georgia). Das erste Mal wurde er gleich zu 18 Monaten von Richter Robert Elliot verurteilt, dem gleichen Richter, der den berüchtigten Leutnant Calley (verantwortlich für das My-Lai-Massaker in Vietnam mit 300 Toten) freisprach.

1990 gründete Roy Bourgeois die School of the Americas Watch (SOAW), eine Organisation, die die Aktivitäten der„School of the Americas (SOA) in “Fort Benning recherchiert. Diese Militärausbildungsstätte wurde inzwischen in „Western Hemisphere Institute for Security Cooperation“ (WHINSEC) umbenannt. Die „School of the Americas Watch (SOAW)“ definiert sich als Graswurzel-Bewegung und ist der Gewaltlosigkeit verpflichtet.

Roy Bourgeois war an mehreren Dokumentarfilmen beteiligt, so 1983 an „Gods of Metal“ über den nuklearen Rüstungswettlauf und 1995 an „School of Assassins.“

1996 dokumentierte die „Washington Post Handbücher der Militärausbildungsstätte mit Anleitungen zu Folterungen und Exekutionen von Aufständischen. Zahlreiche Zeitungen in den USA forderten die Schließung der Militärschule in Fort Benning. Doch geändert wurde nur der Name. Die Ausbildungsinhalte, einschließlich der Folter, blieben.

1997 erhielt Roy Bourgeois von Pax Christi USA den Preis „Teacher of Peace“. 1998 trat Roy Bourgeois in Madrid vor dem spanischen Richter Baltasar Garzon als Zeuge gegen Chiles Ex-Diktator General Augusto Pinochet auf.

Jedes Jahr im November rufen Roy Bourgeois und die „School of the Americas Watch (SOAW)“ zu Protestaktionen gegen die Militärschule in Fort Benning auf.

Am 21.11. 2004 marschierte Roy Bourgeois wieder mit mehr als 16.000 Menschen vor den Toren von Fort Benning auf, um gegen die Folterausbildung zu protestieren. Es war die bisher größte Protestaktion.


Hanne Hiob (Deutschland)

Hanne Hiob Wir würdigen mit dem Aachener Friedenspreis an Frau Hanne Hiob das Lebenswerk eines Menschen, der sich seit mehr als 30 Jahren unerschrocken und mit all seiner Kraft gegen Faschismus, Rassismus und Krieg eingesetzt hat. Die Losung: „Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg!“ ist stets ihr Leitmotiv geblieben.

Die Verleihung des Friedenspreises an Hanne Hiob setzt ein Zeichen gegen alle neonazistischen Versuche, den Faschismus wieder salonfähig zu machen. Er ist ein Signal gegen Rechtsradikalismus und die wachsende Militarisierung in unserem Land.

Hanne Hiob ist Widerstandskämpferin gegen „Rechts“ und gegen den Krieg. Das Etikett „Radikale“ stand der grimmigen Kassandra bestens, galt ihr als Ehrenzeichen. Mit dem „Anachronistischen Zug“ und der „Legende vom toten Soldaten“ wird immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, dass dieses alte/neue Deutschland erneut den Weg geht, der Deutschland in den Krieg führt. Der ausgegrabene tote Soldat, der immer wieder „kriegsverwendungsfähig“ (k. v.) erklärt wird, symbolisiert, dass die Mächtigen in unserem Lande immer wieder den toten Soldaten aktivieren, also Krieg führen. Und insofern war und ist es geradezu eine - kassandrahafte - Offenbarung, dass Deutschland wieder Krieg führen würde.

Hanne Hiob agitierte und arbeitet auch heute noch in einer Vielzahl von Soloprogrammen („O Deutschland, bleiche Mutter“) sowie theatralische Aktionen für Asylbewerber, gegen Aufrüstung (80-er Jahre), gegen die vermeintlich post- und zugleich präfaschistische westdeutsche „Hai“-Society.

Hanne Hiob wurde als erste Tochter Bertolt Brechts aus der Ehe mit der Wiener Opernsängerin Marianne Zoff am 12. März 1923 in München geboren.

Während der Nazizeit schützte sie die Bekanntheit und Berühmtheit ihres Stiefvaters, Theo Lingen, vor der Verfolgung durch die Nazis.

Ihre Theaterlaufbahn begann sie 1941 als ausgebildete Tänzerin, Soubrette und Schauspielerin. Sie spielte auf allen großen europäischen Bühnen: in München, Wien, Salzburg, Berlin, Zürich, Frankfurt und Hamburg. Sie trat u.a. in Rollen aus Stücken von Gorki, Tolstoi, Strindberg, Sartre, Büchner, Kleist, Max Frisch, Dürrenmatt und Shakespeare, sowie in verschiedenen Erstaufführungen von Brechtstücken in München, Zürich und Frankfurt auf. Besonders erwähnenswert die Aufführung des Theaterstückes: „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ in Hamburg unter der Regie von Gustaf Gründgens. Daneben gab es auch Fernsehauftritte (ab 1969).

1976 beendete Hanne Hiob ihre Theaterlaufbahn und stellte eigene Brechtabende, Lesungen und antifaschistische Veranstaltungen zusammen. In einem Interview äußerte sie sich dazu: “...ich habe den Zufall, die Tochter Bert Brechts zu sein, mir zu Nutze gemacht, mit seinen Worten meine eigene Botschaft mitzuteilen....“. Seit über 30 Jahren kämpft Hanne Hiob gegen Faschismus, Militarisierung und Krieg. „Man muss auch mit schwachen Mitteln das Unrecht bekämpfen“ (Bertolt Brecht). So gestaltete sie Brechtabende unter dem Titel: „Lehnen Sie sich zurück“, „Der Schoß ist fruchtbar noch“, „Brecht gegen Wallmann“ u.v.a.m.

Als Mitveranstalterin und Akteurin wirkt sie auch in Straßentheaterprojekten mit wie z. B. dem „Anachronistischen Zug oder Freiheit und Democracy“ (1979, 1980 und 1990). Der Anachronistische Zug geht auf ein Gedicht von Bertolt Brecht aus dem Jahr 1947 zurück. Damals waren zwei Entwicklungswege für Deutschland absehbar: ein antifaschistisch-demokratischer Weg oder die Rückkehr der alten Nazis in ihre Ämter. Der zweite Weg ist später in Westdeutschland beschritten worden. Brecht schrieb das Gedicht “Der Anachronistische Zug oder Freiheit und Democracy“ und zeigt, wie die ganzen alten Nazis Freiheit für sich forderten. In 41 Strophen werden die unterschiedlichen Klassen und Schichten der Bevölkerung beschrieben, die vom Faschismus profitierten. Erstmals 1979 wurde das Gedicht mit ihrer maßgeblichen Beteiligung vor der tagenden Bundesversammlung in Bonn am Rhein aufgeführt, als das ehemalige NSDAP-Mitglied Carl Carstens zum Bundespräsidenten gewählt wurde. 1980 fuhr der Zug gegen die Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß während der Bundestagswahl drei Wochen quer durch die Republik. 1990, als die DDR an die BRD angeschlossen wurde, ist der Zug von Bonn 14 Tage durch die DDR gefahren und kam am Wahlabend in Berlin an. Am Silvesterabend 1999 / 2000 kehrte der anachronistische Zug erneut nach Berlin zurück. Von zwölf Uhr bis 18 Uhr fuhr der Zug durch verschiedene Stadtteile von Ostberlin. Während der Zug an der Bahnstation Friedrichstraße Pause machte, gingen einige Darsteller mit der Brechttochter Hanne Hiob mit Transparenten und Losungen in die feiernde Menge und führten die letzte Szene von Brechts Oper »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« auf.

1989 inszenierte Hanne Hiob eine Tournee durch Deutschland unter dem Motto „Am Fleischerhaken hängt er, ach“ (Brecht). Die Abende bestanden aus Berichten von Deserteuren des 2. Weltkrieges - unter ihnen war auch Ludwig Baumann unser Friedenspreisträger aus dem Jahr 1995 - und jungen Bundeswehrgegnern.

„Nun lebet wohl und werdet Kämpfer“, heißt es in ihrer Lesung „Letzte Briefe aus Konzentrationslagern“. Mit diesen inzwischen mehr als 200 Lesungen in Theatern und Schulen, wendet sie sich besonders an die Jugend in unserer Republik. Dabei geht es ihr bei diesen Veranstaltungen nicht nur darum aufzuzeigen, was ein „Drittes Reich“ war. Sondern mit einem ständig aktualisierten Nachwort zeigt sie auch, wie es hier und heute aussieht mit Rassismus, dem Faschismus in unserem Land. – “Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem DAS kroch!“

Zum 60. Mal jährt sich 2005 das Ende des 2. Weltkrieges und die Befreiung vom Naziregime. Zu diesem Anlass ist in Berlin ein Projekt unter Beteiligung von Hanne Hiob geplant: “Das Begräbnis oder die himmlischen Vier“ .Sie erklärte dazu: “.... Die Antikriegsaktion „Das Begräbnis oder DIE HIMMLISCHEN VIER“ nach Brechts Gedicht „Die Legende vom toten Soldaten“ ist von hoher Aktualität. Mehr noch: Sie ist dringend nötig in diesem Land, das sich 60 Jahre nach der großen Barbarei weigert, durch die Umsetzung und Anwendung der Beschlüsse von Potsdam in die Reihe der Völker zurückzukehren, deren Losung zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur sein kann : „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“

Quelle: www.aachener-friedenspreis.de



Vgl. auch unsere Berichte zu den Preisverleihungen 2001, 2002, 2003 und 2004


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