Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Zitate der Woche (69 bis 73)

April bis Mai 2004

Zitat Nr. 73, 17. Mai 2004

Alles o.k. in Guantanamo Bay

Von Reinhard Mey

Wir sagen schwarz ist schwarz und weiß ist weiß
Und wenn wir das so sagen, dann genügt das als Beweis.
Man weiß, die Bösen sind böse, die Guten sind wir,
Also stell’n Sie keine Fragen, wir stell’n die Fragen hier!
Gehn Sie hinter die Absperrung, bitte bleiben Sie nicht stehn,
Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehn,
Es ist alles o.k. in Guantanamo Bay.

Wir haben da ein vorbildliches Lager gemacht
Und jeder Vorbildvergleich ist völlig unangebracht.
Ein Lager, in dem es mit rechten Dingen zugeht,
Das Recht ist immer da, wo unsere Fahne weht.
Wir machen hier die Regeln und wir sind das Gesetz,
Also erspar’n Sie uns Ihr weinerliches mitleid’ges Geschwätz!
Es ist alles o.k. in Guantanamo Bay.

Wir sind die guten und die andern sind die schlechten,
So einfach ist das mit den Menschenrechten.
Was kümmert es uns, wenn ihr uns anpinkelt und kläfft,
Kümmert euch um euer eigenes Geschäft.
Es ist alles o.k. in Guantanamo Bay.

Wir haben einen guten Stacheldrahtzaun
Sie sollen nicht drüberschaun, Sie sollen uns nur vertraun.
Auch wenn man nicht sieht, was dahinter geschieht,
Mit dem, der da mit verbundenen Augen niederkniet.
Wir haben ihn gefasst, wir sind das Weltgericht,
Ob es der Weltöffentlichkeit nun mal passt oder nicht,
Denn es ist alles o.k. in Guantanamo Bay.

Wir sind die guten und die andern sind die schlechten,
So einfach ist das mit den Menschenrechten.
Was kümmert es uns, wenn ihr uns anpinkelt und kläfft,
Kümmert euch um euer eigenes Geschäft.
Es ist alles o.k. in Guantanamo Bay.

Im Land der Tapferen und in der Heimat der Frei’n
Warten wir nicht auf Ihren Rat, mischen Sie sich nicht ein!
Keine Diskussion, keine Genfer Konvention,
Dieses hier ist Gottes eigene Nation:
We do it our way in Guantanamo Bay.
Es ist alles o.k. in Guantanamo Bay.

Reinhard Mey auf der neuen CD "Nanga Parbat" – 2004

Reinhard Mey schreibt dazu auf seiner Homepage: Ab sofort als Single-Auskopplung auch bei Ihrer Radiostation. Wenn Sie sie hören wollen, werden Sie Ihren Sender allerdings darum bitten müssen – könnte sein, daß man sich mancherorts ohne Ihre nachdrückliche Aufforderung aus Political Correctness eher nicht rantrauen wird.

"...unterdessen wurde bekannt, dass auch die Gefangenen in dem US-Stützpunkt Guantánamo auf Kuba mit folterartigen Methoden wie Schlafentzug verhört werden dürfen. Die 'Washington Post' berichtet, das amerikanische Pentagon unter Verteidigungminister Donald Rumsfeld habe auch Verhörmethoden wie Kälte, Hitze, laute Musik und grelles Licht gebilligt."
www.reinhard-mey.de


***

Zitat Nr. 72, 5. Mai 2004

Pete Seeger: Where have all the flowers gone?

Aus Anlass des 85. Geburtstags des legendären Folk- und Protestsängers Pete Seeger (geb. 3. Mai 1919) dokumentieren wir eins seiner weltbekannten Lieder.

Where have all the flowers gone?
Long time passing.
Where have all the flowers gone?
Long time ago.
Where have all the flowers gone?
The girls have picked them ev'ry one.
Oh, when will you ever learn?
Oh, when will you ever learn?

Where have all the young girls gone?
Long time passing.
Where have all the young girls gone?
Long time ago.
Where have all the young girls gone?
They've taken husbands, every one.
Oh, when will you ever learn?
Oh, when will you ever learn?

Where have all the young men gone?
Long time passing.
Where have all the young men gone?
Long time ago.
Where have all the young men gone?
They're all in uniform.
Oh, when will you ever learn?
Oh, when will you ever learn?

Where have all the soldiers gone?
Long time passing.
Where have all the soldiers gone?
Long time ago.
Where have all the soldiers gone?
They've gone to graveyards, every one.
Oh, when will they ever learn?
Oh, when will they ever learn?

Where have all the graveyards gone?
Long time passing.
Where have all the graveyards gone?
Long time ago.
Where have all the graveyards gone?
They're covered with flowers, every one.
Oh, when will they ever learn?
Oh, when will they ever learn?

Where have all the flowers gone?
Long time passing.
Where have all the flowers gone?
Long time ago.
Where have all the flowers gone?
Young girls picked them, every one.
Oh, when will they ever learn?
Oh, when will they ever learn?

Sag mir, wo die Blumen sind

Sag mir, wo die Blumen sind,
wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Blumen sind,
was ist geschehn?
Sag mir, wo die Blumen sind,
Mädchen pflückten sie geschwind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Mädchen sind,
wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Mädchen sind,
was ist geschehn?
Sag mir, wo die Mädchen sind,
Männer nahmen sie geschwind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Männer sind,
wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Männer sind,
was ist geschehn?
Sag mir, wo die Männer sind,
zogen fort, der Krieg beginnt.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag, wo die Soldaten sind,
wo sind sie geblieben?
Sag, wo die Soldaten sind,
was ist geschehn?
Sag, wo die Soldaten sind,
über Gräbern weht der Wind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Gräber sind,
wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Gräber sind,
was ist geschehn?
Sag mir, wo die Gräber sind,
Blumen wehn im Sommerwind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Blumen sind,
wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Blumen sind,
was ist geschehn?
Sag mir, wo die Blumen sind,
Mädchen pflückten sie geschwind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

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Zitat Nr. 71, 28. April 2004

Ich bin euer Spion

Von Mordechai Vanunu

Ich bin der Angestellte, der Techniker, der Mechaniker, der Fahrer,
dem sie sagen: „Tu dies oder tu das!“
Sieh nicht nach rechts und nicht nach links,
und mustere den Botenjungen nicht so genau,
Schaue nicht auf die Maschine im Ganzen!
Du bist nur für diesen einen Bolzen zuständig,
Du bist nur für diesen Stempel zuständig.
Befasse dich nur mit der einen Sache –
Misch dich nicht in Dinge ein, die zu hoch für dich sind.
Denk nicht für uns! Mach weiter, mach einfach weiter!

Der große, weise Gedanke der Futuristen.
Da gibt es nichts, worüber man sich beunruhigen müsste.
Keine Angst. Alles funktioniert, alles klappt.
Unser kleiner Angestellter ist ein fleißiger Arbeiter.
Er ist ein einfacher Techniker. Er ist der kleine Kumpel.
Wie alle kleinen Angestellten, die Ohren haben, aber nichts hören
Und Augen, die nichts sehen.
Wir haben einen Kopf – die kleinen Kumpel aber nicht.

Antworte ihnen, denkt er bei sich selbst und zu sich selbst –
Der kleine Bürger.
Der Mann mit dem Kopf ist aber nicht klein.
Wer ist der Boss hier? Wer weiß, wohin die ganze Sache läuft?
Wo ist ihr Kopf? Ich hab’ nämlich auch einen Kopf.

Warum sehe ich die ganze Maschine? Warum sehe ich tatsächlich den Abgrund?
Hat der Zug denn einen Ingenieur?
Der Angestellte – der Fahrer – der Techniker – der Mechaniker hebt seinen Kopf hoch.
Er geht einen Schritt zurück – und sieht ein Monster vor sich.
Ungläubig reibt er sich die Augen und tatsächlich –
Es ist alles in Ordnung. Ich bin auch in Ordnung.
Trotzdem sehe ich tatsächlich ein Monster.

Ich bin ein Teil des Systems; ich unterzeichnete dieses Formular.
Doch erst jetzt lese ich den Text richtig.
Dieser Bolzen ist ja Teil einer Bombe. Dieser Bolzen bin ich.
Warum sah ich dies vorher nicht? Wie können die anderen mit dem Bolzen weiter arbeiten?
Wer weiß noch darum? Wer hat gesehen, wer gehört?
Der Kaiser ist tatsächlich nackt. Ich sah ihn. Warum ich?
Das passt nicht zu mir – es ist zu groß für mich.
Steh auf , schrei es heraus! Steh auf, sag es anderen!. Du kannst es.
Ich, der Bolzen, der Mechaniker, der Techniker?

Ja, du! Du bist der Geheimagent dieser Nation.
Du bist das Auge dieses Staates.
Spion – Agent, enthülle, was du gesehen hast!
Enthülle uns, was die Wissenden, die Klugen vor uns verstecken.
Auch wenn es dich nichts angeht – uns erwartet der Abgrund.
Ein Holocaust steht uns bevor.
Du und nur du sitzt am Steuer und siehst den Abgrund.

Mir bleibt keine andere Wahl. .Auch wenn ich nur ein kleiner Kerl, ein einzelner Bürger,
ein ganz gewöhnlicher Kumpel bin - ich werde meine Pflicht tun.
Ich habe die Stimme meines Gewissens gehört.
Es gibt für mich keinen Ausweg.
Es ist eine kleine Welt gegen Big Brother.
Hier steh ich zu deinen Diensten. Hier mache ich meinen Job.
Nimm es von mir! Komm und urteile!
Nimm mir die Last weg! Trag sie mit mir!
Setz meine Arbeit fort! Stopp den Zug!
Steigt aus! Der nächste Halt ist der nukleare Holocaust.
Das nächste Buch – die nächste Maschine? Nein, nichts.
So etwas gibt es dann nicht mehr.

Übersetzung: Ellen Rohlfs
Quelle: ZNet Deutschland 26.04.2004

Mehr über Mordechai Vanunu können Sie hier lesen: Mordechai Vanunu - Ein unbeugsamer Friedenskämpfer.

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Zitat Nr. 70, 15. April 2004

Stellenangebot

Liebe Freundinnnen und Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir freuen und Ihnen mitteilen zu können, dass wir ab sofort wieder MitarbeiterInnen einstellen. Im Anschluss und im Anhang finden Sie unser Stellenangebot, das Sie auch an Freunde und Bekannte weiterleiten können. Vielen Dank.

S t e l l e n a n g e b o t

Alle reden von zunehmender Arbeitslosigkeit. Wir nicht!
Wir sagen: Mit uns in die Zukunft! Wir haben eine gute Marktlücke entdeckt und bieten einen krisensicheren Arbeitsplatz an – garantiert auf Lebenszeit.
Wir sind eine scheinbar erfolglose Bewegung in Düsseldorf und anderswo und suchen zur Verstärkung unserer Gruppe mehrere

F r i e d e n s a k t i v i s t I n n e n

Sie werden eine überwiegend im Freien ausgeführte Tätigkeit verrichten, die bei Sturm, Regen, Schnee, Hunds- und anderer Extremtemperaturen, also Wetter jeder Art, erforderlich ist. Für uns sind eine grundsätzlich flexible Arbeitsgestaltung, meist an Feiertagen und an Wochenenden, sowie keine materielle Entlohnung selbstverständlich. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt seit Menschengedenken in Überwindung von Hass, Unfrieden, Terror, Gewalt und Krieg, aber auch im Kampf gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit.

Ihr Profil: Sie sind jung oder alt, weiblich oder männlich, schwarz oder weiß, arm oder reich, kurz: bei uns kann JedeR mitmachen und ist willkommen.
Was wir erwarten: Sie haben eine oder keine abgeschlossenen Ausbildung, Sie können sprechen, denken und fühlen. Sie sind, ebenso wie wir, nicht belastbar im Umgang mit Kriegs-Terror- und Gewaltopfern und können kein Blut oder abgetrennte Gliedmaßen sehen. Gewaltsamen Tod durch Terror oder Krieg finden Sie unerträglich und möchten dagegen angehen und protestieren.
Was Sie erwartet: Ein monatlich stattfindender Informations- und Gesprächskreis im zakk, Fichtenstr. 40 und Teilnahme an Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen aller Art. Bringen Sie auch Zeit und Geld mit.

Haben wir Sie neugierig gemacht? Dann kontaktieren Sie uns bitte unter:
"Menschen für den Frieden Düsseldorf", menschen-fuer-den-frieden@t-online.de (Erika Bosch)

Dieses "Stellenangebot" schickte uns Erika Bosch. Wir geben es gern weiter.

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Zitat Nr. 69, 1. April 2004

Gabel statt Keule

Die im Folgenden dokumentierte "Pressemitteilung" des Kasseler Friedensforums vom 1. April 2004 ist ein Beispiel dafür, dass lokale Friedensarbeit viele unbekannte Facetten hat und zudem unterhaltsam sein kann. Aus diesem Grund gebührt ihr ein Platz unter den "Zitaten der Woche" - umso mehr als unseres Wissens die lokale Monopolpresse mit dem Angebot des Friedensforums offenbar nichts anzufangen wusste und es schlicht ignorierte.

Pressemitteilung

Kassel, 1. April - Nach langen kontroversen Diskussionen, in denen immer wieder die griechische Mythologie bemüht wurde, hat das Kasseler Friedensforum in einer außerordentlichen Sitzung beschlossen, die Aktion zum Erhalt des Herkules im Bergpark Wilhelmshöhe* mit einem eigenen Beitrag zu unterstützen.
Dass das Votum für den Herkules letzten Endes einstimmig ausfiel, ist dem Umstand zuzuschreiben, dass die Friedensaktivisten ihren Einsatz an eine Bedingung knüpfen: Bei den Restaurationsarbeiten an der Skulptur soll die Keule durch eine Mistgabel ersetzt werden.

Wie ein Sprecher des Friedensforums erläuterte, sei es an der Zeit, in der mythologischen Figur des Herkules neben seinen kriegerischen und gewalttätigen Zügen die andere Seite seines Charakters hervorzuheben. Unter den 12 Aufgaben, die Herkules der Sage nach zu bestehen hatte, befanden sich auch durchaus nützliche Tätigkeiten, die er zudem nicht nur mit roher Kraft, sondern auch mit List und Verstand ausführte. Die sprichwörtlich gewordene Säuberung des Augiasstalles gehört zweifellos zu den am meisten bewunderten Tätigkeiten des Göttersohnes. Augias, König von Elis, war gleichermaßen bekannt für seinen außergewöhnlichen Reichtum an Rinderherden wie für seine himmelschreiende Unordnung und Vernachlässigung der Ställe. Sie an einem Tag gründlich zu säubern, war demnach eine wahre "Herkulesaufgabe". Herkules bewältigte die Aufgabe dadurch, dass er Flüsse und Bäche um- und durch die Ställe hindurch-leitete - zweifellos eine visionäre Vorwegnahme rationeller agrarindustrieller Produktionsmethoden. Auch wenn nicht überliefert ist, dass er zur Erledigung seiner Aufgabe auch konventionell selbst Hand anlegte: Eine Mistgabel dürfte er in jedem Fall unterstützend dabei gehabt haben.

Die Konversion der Waffe in ein landwirtschaftliches Gerät könnte sich auch als Pfund erweisen, mit dem die Stadt Kassel bei ihrer Bewerbung um die europäische Kulturhauptstadt** wuchern könnte. Ein Herkules, der sich nicht mehr auf die in den vielen austauschbaren Darstellungen verwendete Keule, sondern - sich von getaner Arbeit ausruhend - auf eine Mistgabel stützt, wäre einzigartig in der europäischen Kulturlandschaft und könnte der kulturwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Herkules-Mythos wichtige neue Impulse verleihen.

Bei Umsetzung dieser Konversionsidee würde sich das Friedensforum verpflichten, den Kostenanteil für die Mistgabel zu übernehmen.

Kasseler Friedensforum

* Für die Restauration des baufälligen Wahrzeichens der Stadt Kassel wurde eine private Spenden-Initiative "Rettet den Herkules" gegründet, die innerhalb weniger Wochen bereits Hunderttausende von Euro eingebracht hat. Millionen sind aber vonnöten.

** Die Stadt Kassel bewirbt sich um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt im Jahr 2010.




In Kürze


Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat ein Referendum über die EU-Verfassung mit der Begründung ausgeschlossen, Volksabstimmungen seien im Grundgesetz nicht vorgesehen.
(Frankfurter Rundschau, 19.07.2004)
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und die Rechtsprechung ausgeübt."
(Artikel 20/2 Grundgesetz)

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Ich möchte Erde, Feuer, Brot, Mehl,
Zucker, Meer, Heimat
für Alle

Pablo Neruda 1904-1973

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"Nun, da ich Irak verlasse ..."
Wenige Stunden nach der offiziellen Machtübergabe in Irak hat US-Zivilverwalter Paul Bremer das Land verlassen. In einer überraschend anberaumten Zeremonie übergab der bisherige Zivilverwalter am Montagvormittag der irakischen Regierung unter Ministerpräsident Ijad Allawi offiziell die Macht über Irak. "Nun, da ich Irak verlasse, bin ich zuversichtlich, was seine Zukunft angeht", sagte Bremer bei der Übergabezeremonie.
Soweit die AFP-Meldung vom 28. Juni. Was wäre, wenn sich die späte Einsicht Bremers auch bei den Besatzungstruppen herumsprechen würde?

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"Go fuck yourself!"
Mit diesem unparlamentarischen Unwort soll nach Aussage eines Kongressbeamten US-Vizepräsident Dick Cheney am 22. Juni 2004 den demokratischen Senator Patrick Leahy (Vermont) beschimpft haben. Ort des Vorfalls: der Flur des amerikanischen Senats. Vorausgegangen war eine hitzige Diskussion, in der es um die Irakpolitik, Geld und die Religion ging, Dinge also, in denen sich der ehemalige Halliburton-Chef bestens auskennt. Cheneys Pressesprecher Kevin Kellems wollte den verbalen Ausrutscher nicht dementieren, sondern entschuldigte ihn mit den Worten: "That doesn't sound like language the vice president would use but there was a frank exchange of views." Geahndet wird die Entgleisung des Vizepräsidenten nicht. Zwar sind Unflätigkeiten im US-Kongress nicht erlaubt, da sich der Vorfall aber in einer Sitzungspause ereignete, sei das im technischen Sinn kein "Foul". (Quelle: Reuters)

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Demokratie
Im Moment scheint mir die Auffassung von Demokratie darin zu bestehen, dass man sie möglichst so einrichtet, dass sie die Interessen des Kapitals verteidigt, und das scheint mir eine gewisse Fehlentwicklung zu sein. Denn sie soll nun mal die Interessen der Mehrheit und das Allgemeinwohl verteidigen und nicht einiger weniger Geldaristokraten, wie Börne es übrigens schon bezeichnet hat.
Die Trägerin des Ludwig-Börne-Preises 2004, Daniela Dahn (hier geht es zu ihrer Dankesrede), in einer Sendung des mdr am 5. Juni 2004.

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Zum Tod von Ray Charles (1930 - 2004)
"Wie dekonstruiert man Genius? Nun, er nahm die Musik des HERRN und die Worte des Teufels und macht aus diesem Gemisch das, was man Soul-Musik nennt."
Jerry Wexler, Produzent vieler Plattenaufnahmen mit Ray Charles bei "Atlantic Records", zit. n. Los Angeles Times, 11. Juni 2004.

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Massenvernichtungswaffen
Ein ziemlich sicheres Mittel, Massenvernichtungswaffen nicht in Terroristenhände gelangen zu lassen, ist, sie ihnen nicht zu verkaufen. Ein sehr sicheres Mittel, Massenvernichtungswaffen nicht in Terroristenhände gelangen zu lassen, wäre, sie weltweit zu vernichten.
Daniela Dahn in ihrer Dankesrede bei der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises am 6. Juni 2004.

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Die Tortur
Man hat in den meisten Ländern des Westens die Folter zum Ende des 18. Jahrhunderts als Institution und Methode abgeschafft. Und dennoch weiß niemand, wie viele Männer und Frauen noch heute, zwei Jahrhunderte danach, von erlittener Tortur zu erzählen haben. Während ich diesen Text schreibe, fällt mir ein Zeitungsblatt in die Hände mit Photos, darauf Angehörige der südvietnamesischen Armee gefangene Vietcong-Rebellen foltern.GrahamGreene schrieb dazu einen Brief an den Londoner Daily Telegraph, in dem es heißt: "Das Neuartige an den von der englischen und der amerikanischen Presse veröffentlichten Photographien ist, daß man sie offenbar mit Einverständnis der Folterknechte aufnahm und daß sie ohne Kommentare publiziert wurden. Das ist ja, als handle es sich umTafeln aus einem zoologischenWerk über das Leben der Insekten!Heißt dies, daß die amerikanischen Behörden die Tortur als eine gesetzliche Form der Einvernahme von Kriegsgefangenen betrachten? Diese Photos sind, wenn man will, ein Zeichen von Ehrlichkeit, denn sie zeigen, daß die Behörden ihre Augen nicht verschließen. Nur frage ichmich, ob einer solchen Art von unbewußter Aufrichtigkeit nicht am Ende die Hypokrisie der Vergangenheit vorzuziehen ist ..."
Graham Greenes Frage wird auch jeder von uns sich stellen. Das Eingeständnis der Tortur, das Wagnis - aber ist es denn noch ein solches? -, mit derartigen Photos vor die Öffentlichkeit hinzutreten, ist erklärlich nur unter der Annahme, daß eine Revolte der Gewissen nicht mehr befürchtet wird. Man möchte meinen, daß diese Gewissen sich an die Praxis der Tortur gewöhnt haben. Die Folter wurde und wird in diesen Jahrzehnten ja auch keineswegs nur in Vietnam angewandt. Ich möchte nicht wissen, wie es zugeht in südafrikanischen, angolesischen, kongolesischen Gefängnissen. Aber ich weiß, wie es getrieben wurde zwischen 1956 und 1962 in den Kerkern der Algérie Française.

Jean Améry, Juli 1965; Neuabdruck in: Merkur, 1. Juni 2004


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Ablenkungsmanöver Terrorismus
Die reiche Welt möchte die Frage der ungerechten Verteilung des Reichtums nicht lösen. Daher redet sie lieber über Terrorismus. Und die Manipulation wirkt. Die Menschen fragen heute ständig: "Was passiert im Irak?" Der Irak aber ist ein verhältnismäßig kleines Land. Und der Rest der Welt? Das interessiert momentan überhaupt niemanden. Unser Problem ist, dass 263 Menschen einen Reichtum besitzen, der ungefähr 43 Prozent des gesamten Vermögens der Welt ausmacht. Das sind die Verhältnisse, über die wir eigentlich reden sollten. Der Terrorismus ist hier ein Ablenkungsmanöver.
Ryszard Kapuscinski, Bruno-Kreisky-Preisträger 2004, im Interview mit dem Wiener STANDARD (26. Mai 2004)

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Golfen in Afghanistan
In Afghanistan kann erstmals seit dem Einmarsch der Sowjets vor 25 Jahren wieder Golf gespielt werden. Die Minen auf dem einzigen Golfplatz des Landes in der Hauptstadt Kabul seien geräumt worden, teilten die US-Streitkräfte am 23. Mai mit. Außerdem seien auch drei Sowjet-Panzerwracks von dem in den 60er Jahren angelegten 18-Loch-Platz entfernt worden. Der Golfplatz sei nun wieder bespielbar. Die Platzgebühr beträgt zehn US-Dollar pro Tag.
(dpa, 23. Mai 2004)

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Noam Chomsky erhält Carl-von-Ossietzky-Preis - Wir gratulieren!
Noam Chomsky, geboren 1928 in Pennsylvania als Sohn eines aus Russland eingewanderten Hebräisch-Lehrers und einer Schriftstellerin, hat nicht nur aufgrund seiner bahnbrechenden linguistischen Theorien weltweite Berühmtheit erlangt. Als politischer Publizist analysiert er seit den 60-er Jahren detailliert und kenntnisreich die weltpolitischen Entwicklungen. Sein besonderes Augenmerk richtet er dabei auf die US-Außenpolitik, die Verflechtungen von wirtschaftlicher, sozialer und politischer Macht und die manipulativen Methoden der Medien. Chomsky wird als einer der wichtigsten lebenden Intellektuellen unserer Zeit bezeichnet. - Am 23. Mai 2004 erhält Chomsky den angesehenen Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg.
Mehr über Chomsky und den Carl-von-Ossietzky-Preis: hier!

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Wohin, wenn nicht in die USA?
Im Februar habe ich zum Beispiel die ersten 25 Fulbright-Studenten aus dem neuen freien Irak im Außenministerium willkommen geheißen. Wir haben die ersten 25 Fulbright Stipendien für den Irak ausgestellt, nachdem das Land jetzt wieder der Familie der Nationen angehört. Ich wünschte, Sie hätten diese wundervollen Menschen sehen können. Sie sind nun an einigen unserer besten Universitäten eingeschrieben. Sie studieren Jura, sie studieren BWL, sie bilden sich in den Bereichen öffentliches Gesundheitswesen, Journalismus, öffentliche Verwaltung, Bildung und Umweltwissenschaft und erwerben so die Fähigkeiten, die sie brauchen, wenn sie einmal in einen demokratischen Irak zurückkehren und dort zum Wiederaufbau des Landes beitragen.
Wohin hätte ich mir diese jungen und - wie sich herausstellte - nicht mehr ganz so jungen Menschen sonst wünschen sollen? Wohin, wenn nicht in die Vereinigten Staaten von Amerika? Welche anderen Werte sollten sie lernen, außer den Werten und der Ausbildung, die sie hier in den Vereinigten Staaten vermittelt bekommen?

Aus der Rede des US-Außenministers Colin Powell zur Jahreskonferenz der Handelskammer der Vereinigten Staaten zum Thema Zukunftssicherung des Reise- und Tourismussektors vom 12. Mai 2004.

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Folter oder Barbarei
Den hybriden Versuch, eine vermeintlich überlegene Moral gegen das Völkerrecht auszuspielen, haben beide mit ihrem Zusammenbruch bezahlt: das Völkerrecht mit der ersten Rakete, die die "Koalition der Willigen" auf Bagdad abgeschossen hat, die Moral unter der Flut von Bildern, die von amerikanischen Bewachern gefolterte irakische Gefangene zeigen. Das erstere hat die US-Regierung nicht nur in Kauf genommen, sondern gezielt herbeigeführt - das Völkerrecht erschien ihr als Vorwand der Weltgemeinschaft, der Supermacht und deren bewehrter Moral in den Arm zu fallen. Der Bankrott dieser Moral aber, der sich nun in den Fotos manifestiert, hat nicht nur den Militäreinsatz restlos delegitimiert, unausgesprochen, aber unüberhörbar verkündet er die Botschaft, die dieser so genannte "war on terror" nurmehr bereit hält: Folter oder Barbarei.
Christian Bommarius in einem Kommentar der "Berliner Zeitung", 13. Mai 2004

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"Kolonialmacht"
Die USA müssen einfach akzeptieren, dass es im Irak politische Kräfte gibt, die von ihnen als unerwünscht betrachtet werden. Sie können den IrakerInnen die irakische Politik nicht vorschreiben. Andernfalls wären sie eine blosse Kolonialmacht, die für Jahrzehnte im Land verstrickt bleiben müsste und gezwungen wäre, Milliarden von Dollars auszugeben und dabei das Leben von tausenden von SoldatInnen zu opfern.
Der Historiker und Islam-Experte Prof. Juan Cole vor dem außenpolitischen Ausschuss des US-Senats (siehe: "Die USA müssen aufhören, 'einen Pressluftbohrer zum Öffnen einer Walnuss' zu verwenden")

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"Wir haben obsiegt"
"Die Kampfhandlungen im Irak sind weitgehend beendet. In der Schlacht im Irak haben die Vereinigten Staaten und ihre Bündnispartner obsiegt. Und nun ist unsere Koalition dabei, dieses Land zu sichern und wieder aufzubauen. (...)
Diese Nation dankt allen Mitgliedern unserer Koalition, die für diese noble Sache gekämpft haben. Wir danken den Streitkräften des Vereinigten Königreichs, Australiens und Polens, die die Härten des Kriegs mit uns teilten. Wir danken allen Bürgern Iraks, die unsere Truppen willkommen hießen und sich an der Befreiung ihres eigenen Lands beteiligten."

US-Präsident Bush erklärte vor einem Jahr den Irakkrieg für beendet. Aus der Rede auf der Abraham Lincoln am 1. Mai 2003.

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Eiapopeia
Die Abstimmung über die Verfassung wäre ein guter Einstieg in ein neues europäisches Bewusstsein. Als EU-Kommissar Günter Verheugen vor vier Jahren anregte, bei epochalen Fragen wie der Osterweiterung künftig das Volk entscheiden zu lassen, erschien das vielen Kritikern als waghalsig, todgefährlich, absurd. Die Reaktionen reichten von "kompletter Unsinn" bis "kranke Idee". Es mag sein, dass die Kritiker glaubten und glauben, sie müssten Europa vor den Europäern schützen, sie müssten das Volk vertrösten, auf später, auf irgendwann: Es ist dies, so hat Heinrich Heine einst gedichtet, "das alte Entsagungslied, das Eiapopeia vom Himmel, womit man einlullt, wenn es greint, das Volk, den großen Lümmel". Europa sei noch zu jung, um es den Stürmen der Demokratie auszusetzen, etwa so argumentiert die Bundesregierung. Man will Europa offenbar noch eine Zeit lang keimfrei unter dem Sauerstoffzelt aufpäppeln. Dann aber kann es passieren, dass das, was darunter heranwächst, von den Bürgern als Fremdkörper abgelehnt wird. Je mehr Brüssel den Menschen misstraut, umso mehr werden diese Europa misstrauen.
Aus dem Leitartikel von Heribert Prantl: "Das Volk, der Lümmel", Süddeutsche Zeitung, 24. April 2004

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Österreichische Neutralitätspolitik
Mein vordringliches politisches Ziel in diesem Bereich ist, dass Österreich wieder eine deutliche, pointierte, glaubwürdige Friedens- und Neutralitätspolitik macht, die natürlich nicht im Gegensatz zur Solidarität steht, sondern die auch Solidarität zu anderen Ländern und Solidarität bei der Lösung von internationalen Krisen einschließt. Das Bundesheer hat dieser Aufgabe zu dienen. Die Zeit, in der ein Konflikt zwischen Nato und Warschauer Pakt an der Grenze Österreichs denkmöglich war und wir dazu entsprechende Bewaffnung und Strategien gebraucht haben, ist glücklicherweise vorbei. Das österreichische Bundesheer muss ein Friedensinstrument sein, ein Instrument für Katastrophenbekämpfung, ein Instrument, um im Auftrag und mit Zustimmung der UNO friedenserhaltend und solidarisch tätig zu sein.
Der am 25. April 2004 gewählte österreichische Bundespräsident Heinz Fischer (wir gratulieren!) in einem Interview mit dem Wiener "Standard" (14.04.2004)

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Kalifornien und Palästina
"Das ist ungefähr so, als würden die Palästinenser entscheiden, Kalifornien an Kanada abzutreten. ... die Amerikaner sollten sich nicht wundern, dass sie im Nahen Osten keinerlei politische Glaubwürdigkeit haben."
PLO-Berater Michael Tarazi zum Treffen Bush-Sharon; zit. n. Hessische Allgemeine, 16. April 2004

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Flüchtlinge chancenlos
"Das Asylrecht ist durch Gesetzgebung und Rechtsprechung so eingeengt worden, dass ein Asylanspruch eigentlich ausgeschlossen ist. Das fängt schon damit an, dass kein politisch Verfolgter die Bundesrepublik erreichen kann, ohne ein "sicheres Drittland" zu berühren. Damit ist er von der Asylgewährung schon ausgeschlossen, weil er anderswo um Asyl hätte nachfragen können. Kommt der Flüchtling legal mit einem Pass, dann heißt es: Wer mit einem Pass legal ausreisen kann, verdeutlicht, dass er nicht verfolgt ist. Umgekehrt wirft man denen, die ohne Papiere kommen, vor, sie versuchten ihre Identität zu verschleiern. Also: Ein Flüchtling kann sich nicht richtig verhalten."
(Ursula Schlung-Muntau, Fachanwältin für Ausländerrecht, in einem Interview in der Frankfurter Rundschau, 7.04.2004)

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Angriff bedeutet Verteidigung
"Gezielte Angriffe gegen die Köpfe des Terrors sind ein Weg, diesen zu bekämpfen. Der Angriff auf Yassin bedeutet einen schweren Schlag gegen den Hamas. Im Kampf gegen den Terror bedeutet Angriff Verteidigung, und unser Kampf basiert darauf, die Initiative selbst zu ergreifen. Wir agieren nicht aus spontanen Entscheidungen heraus, sondern verfolgen eine langfristige Strategie, wählen unsere Ziele sorgfältig aus, während wir gleichzeitig darauf bedacht sind, größeren Schaden zu vermeiden."
Generalstabschef der israelischen Armee Moshe Ya’alon am 23. März bei einer Konferenz ("The Limited Confrontation") in Tel Aviv (zit. nach Ma’ariv).

***

"Genau so!"
Aus dem Bundestagsprotokoll vom 25. März 2004 - Aussprache über die Regierungserklärung des Bundeskanzlers:
Petra Pau ("fraktionslos"; PDS) spricht u.a. über das "Zuwanderungsgesetz" und die EU:
Wer in Verdacht gebracht wird, er könnte Terrorist werden, soll außer Landes entsorgt werden. Deshalb bin ich sehr gespannt, wie sich Bündnis 90/Die Grünen hier verhalten werden.
(Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau so! - Joachim Poß (SPD): Demagogie!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie kennen meine grundsätzliche Kritik an der zunehmenden Militarisierung der Politik. In der künftigen EU-Verfassung wurde sie sogar als Pflicht festgeschrieben.
(Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau so ist es!)
Deshalb lehnt die PDS den Entwurf auch ab.

(Quelle: Plenarprotokoll - Vorab-Veröffentlichung, www.bundestag.de)


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