Die Koalition schweigt
Panzerdeal mit Saudi-Arabien scheinbar bereits beschlossen, 44 "Leopard" möglicherweise schon verkauft. Aktuelle Stunde im Bundestag kann daran nichts ändern
Von Sebastian Carlens
Der umstrittene Verkauf hochmoderner »Leopard2«-Panzer an Saudi-Arabien beschäftigte am Mittwoch (6. Juli) selbst den deutschen Bundestag: Auf Antrag der Opposition fand eine aktuelle Stunde statt, in der sich die Koalitionsparteien den Fragen der Parlamentarier stellen mußten. Antworten: keine. Alles andere wäre auch verwunderlich gewesen; Entscheidungen dieser Art trifft der Bundessicherheitsrat, der im geheimen tagt und beschließt, ohne einer parlamentarischen Kontrolle unterworfen zu sein. Dazu sei er gesetzlich verpflichtet, so Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) am Mittwoch, und man könne nur »die Debatte führen, ob man das Verfahren ändert«.
Im konkreten Fall ist das nicht mehr machbar. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel sei der Verkauf der 200 Panzer vom Bundessicherheitsrat bereits »grundsätzlich« gebilligt worden, nun würden nur noch die Details diskutiert. Laut Nachrichtenagentur Reuters seien gar schon 44 Kampfpanzer an Saudi-Arabien verkauft worden. Was zunächst nur nach einem weiteren guten Geschäft für Deutschland, den Drittplazierten unter den internationalen Rüstungsexporteuren, aussah, hat sich längst zum Politikum entwickelt. Auf mindestens 1,7 Milliarden Euro schätzen Experten den Umfang des Deals dem Magazin Focus zufolge: 200 »Leopard«-Panzer der neuesten Baureihe »2A7+«, gefertigt von den deutschen Konzernen Kraus-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall, zum Export vorgesehen in das ölreiche, von einer feudalen Clique regierte Saudi-Arabien. Das Land hat unlängst bei der gewaltsamen Niederschlagung der Unruhen in Bahrein demonstriert, wozu es solches Gerät benötigt. KMW, der Hersteller der »Leopard«-Panzer, hat, was solche Streitkräfte brauchen: »Asymmetrische Bedrohungen, zum Beispiel Terroristen oder Einzelpersonen, stellen die Truppe vor neue Herausforderungen. Mit dem ›Leopard 2A7+‹ gibt KMW darauf die richtige Antwort und den Streitkräften ein Mittel an die Hand, ihren Auftrag bestmöglich zu erfüllen«, heißt es auf der Firmenwebseite. Ein Außenminister Guido Westerwelle, der sich in Kairo von der Menge auf dem Tahrir-Platz feiern läßt, und deutsche Waffenexporte an eben diejenigen, die Protestierende niederschießen lassen: Für die deutsche Regierung ist das kein Widerspruch.
Die Opposition übt scharfe Kritik am Panzergeschäft. Grünen-Vorsitzende Claudia Roth nannte es einen Verstoß gegen die Kriterien der Rüstungsexportrichtlinien. »Das ist schlicht und einfach illegal«, sagte sie gegenüber der Passauer Neuen Presseww (Mittwochausgabe). Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bemängelten den Ablauf. Daß sich unter der Bundesregierung von SPD und Grünen 1998 und 2005 die Exportgenehmigungen für deutsche Rüstung beinahe vervierfachten und in diesem Zeitraum auch Militärgerät im Wert von 260 Millionen Euro nach Saudi-Arabien verkauft wurden, ficht die beiden jetzigen Oppositionskräfte nicht an.
Während der aktuellen Stunde kam es in Berlin zu einer Protestaktion des Netzwerkes »Campact« vor dem Reichstag. »In Tunis und Kairo ließ sich Westerwelle von der Demokratiebewegung feiern. Jetzt will er das repressive Regime in Riad mit deutschen Hightech-Waffen gegen die Freiheitsbewegung hochrüsten. Das ist eine an Zynismus kaum zu überbietende Politik«, so Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz.
* Aus: junge Welt, 7. Juli 2011
Terrorstaaten
Panzerlieferung nach Saudi-Arabien
Von Arnold Schölzel **
Ein nachgeschobenes Argument zu den geplanten deutschen Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien lautet: Es geht um die Stabilität in der Region. Behauptet wird, daß die Ölmonarchie ein Gegengewicht zum Iran darstelle, weswegen auch Israel und die USA keine Einwände gegen die Aufrüstung auf der arabischen Halbinsel hätten. Washington vereinbarte mit den Golfstaaten und Riad bereits unter Präsident George W. Bush mit derselben Begründung gigantische Rüstungslieferungen. De facto bedeutet das Kriegsvorbereitung, nicht im Sinn einer Planung mit festen Terminen, wohl aber als konkrete Option. Erinnert sei daran, daß das zuständige Regionalkommando der US-Streitkräfte, eines von sechs weltweit, nicht zufällig die Bezeichnung Centcom – Zentralkommando – trägt. Es geht eben um »zentrale« Ölreserven. Im Centcom-Zuständigkeitsbereich fanden die wichtigsten, von den USA geführten Kriege des letzten Jahrzehnts statt, für die der 11. September 2001 ein offensichtlich willkommener Anlaß war.
Die danach begonnenen, längst vorbereiteten Kriege in Afghanistan und Irak erteilten den Pentagon-Strategen und ihren westeuropäischen Adepten einige Lektionen, die aber offenbar ohne Wirkung geblieben sind. Die afghanischen Mudschahedin, Osama bin Laden und die Taliban waren nicht zuletzt Produkte westlicher Aufrüstung mit den USA an der Spitze. In den letzten zehn Jahren des Krieges, der den Terrorismus angeblich vernichten sollte, so verkünden die deutschen Innenminister regelmäßig, sei die terroristische Gefahr, die von dort Richtung Bundesrepublik ausgeht, enorm gewachsen. Das rechtfertigt erfolgreich Folter, Entführung, Freiheitsberaubung und – Einschränkung, Demokratieabbau und schafft Arbeit für Geheimdienste. Es ist das folgerichtige Resultat einer Politik, die angeblich Terror mit militärischen Mitteln und Krieg besiegen will. Als Gerhard Schröder 2001 die »unbedingte Solidarität« mit diesem Wahn erklärte, sagten nicht wenige Fachleute genau dieses Ende voraus.
Analoges wiederholt sich nun. Am vergangenen Freitag phantasierte der amtierende Bundesinnenminister eine Art Bürgerkrieg herbei, der von »Linksextremisten« getragen werde – nicht zuletzt offenbar von der jungen Welt –, um sich dann ausführlich über islamistischen Terrorismus auszulassen. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung raunte er zwei Tage später etwas von »völliger Umgestaltung des Staates« zu, die von Salafisten angestrebt werde. Im gleichen Artikel wurde ein Verfassungsschützer mit den Worten zitiert: »Saudi-Arabien gibt dafür sehr viel Geld aus.« Einen Tag später war die Beschlußfassung über die Panzerlieferungen bekannt.
Seitdem sind der Salafismus und seine Finanziers aus den deutschen Medien verschwunden. Bleibt die Frage: Wer schürt hier und nun schon seit Jahrzehnten den Terror?
** Aus: junge Welt, 7. Juli 2011
Beiträge zum Panzerdeal mit Saudi-Arabien:
Die Koalition schweigt
Panzerdeal mit Saudi-Arabien bereits beschlossen, 44 "Leopard" bereits verkauft. Aktuelle Stunde im Bundestag kann daran nichts ändern / Arnold Schölzel: Terrorstaaten (8. Juli 2011)
Panzerdeal: LINKE will Aufstand der Anständigen
Jan van Aken fordert Abgeordnete auf, den Beschluss des Bundessicherheitsrates zu blockieren (7. Juli 2011)
Über Leoparden spricht man nicht
Empörung wegen Panzerdeal mit Saudi-Arabien – Bundesregierung schweigt zu Details (6. Juli 2011)
Panzer aus Kassel nach Saudi-Arabien?
Bundesregierung verweigert Stellungnahme zur geplanten "Leopard"-Lieferung / Friedensbewegung: "Rüstungsexporte stoppen - Alternative Produktion diskutieren" (Zwei Erklärungen) (6. Juli 2011)
"Nur U-Boote zu bauen, führt nicht zum Ziel"
Bei ThyssenKrupp stehen 1500, inklusive Zulieferern sogar 4000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Ein Gespräch mit Heino Bade / ThyssenKrupp meldet: U-Boot-Auftrag Türkei (Pressemitteilung im Wortlaut) (6. Juli 2011)
Deutsche Kampfpanzer für Saudi-Arabien
Bundesregierung soll Milliardengeschäft genehmigt haben / LINKE will Verkauf im Bundestag stoppen (5. Juli 2011)
Zu weiteren Beiträgen über Rüstung und Rüstungsexport
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