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Zitate der Woche (112 bis 119)

April 2009 bis Dezember 2009


Weiter unten finden Sie die "Zitate des Tages"


Zitat Nr. 119, 09. Oktober 2009

Die Dialektik und ich

Von Uwe Steimle

Heute wäre die DDR 60 Jahre alt geworden. Ja und? Die DDR gibt es nicht mehr, wozu sich also Gedanken machen über Vergangenes. Wobei: Vergangenes? War es nicht Guido Westerwelle, der neulich vor einem Erstarken des Sozialismus warnte, der Wiederkehr der DDR in der BRD? Spätestens an dieser Stelle hätte meine Oma gerufen: »Uwe, Äppel und Birnen!« Die DDR war doch noch gar nicht in der BRD, geschweige denn der Sozialismus.

Herrn Westerwelle, diesem Überhangmandat, möchte man da nur zurufen: Im Sozialismus wurden die Betriebe erst verstaatlicht und dann heruntergewirtschaftet. Doch, doch, die FDP begreift das schon, dies Zünglein an der Waage. Vage Demokratie, die nur mit Hilfe von Bankspenden des Großkapitals am Leben erhalten werden kann.

Und dies übrigens mit den Geldern, die die Politik neuerdings den Banken zur Verfügung stellt, von wegen systemrelevant, also überlebenswichtig für das System Kapitalismus. Sind das nicht die Gelder, die das Volk bezahlt? Ja natürlich, der Bankenrettungsfonds speist sich aus dem Volk. Nix da mit »Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen«. CDU und SPD - Angela Steinmeier war's. Danke auch dafür.

Was blieb sonst noch von der DDR? Zum Beispiel die Dialektik. Und ich. Um nur einige zu nennen. Und danke dafür, dass ich in der DDR erzogen und gebildet wurde. In einem Land, wo keine 80 000 Lehrer fehlten. In einem Land, wo Arbeiterkinder, oder wie Frank-Walter-Guido Merkel vielleicht sagen würde, einfache Menschen lernen mussten, Plakate zu interpretieren. Wie das von John Heartfield: »Millionen stehen hinter mir«. Es zeigt Adolf, dem beim Hitlergruß dicke Geldgeschenke des Großkapitals auferlegt werden. Ja ja, wir Ostdeutschen sind nicht nachtragend, aber wir vergessen auch nichts. Ob Guido und all die anderen Überhangmandate dieses Bild auch kennen? Wenn Karl Theodor zu Guttenberg von der Entlastung der Hosen-, äh Leistungsträger faselt, meint er doch nicht die einfachen Menschen. Nein, er meint ThyssenKrupp und Deutsche Bank. Die tragen seiner Meinung nach die Leistung, ja aber wohin?

Um es klarzustellen: Die DDR war ein Unrechtsstaat, in dem es viel Gerechtigkeit gab. Die BRD ist ein Rechtsstaat mit viel Ungerechtigkeit.

Von Friedrich Nietzsche stammt der großartige Satz: »Der Mangel an Ruhe treibt uns in die nächste Barbarei«. Besser hätte ich's auch nicht sagen können. Wir sind doch mittendrin. Der Terror, das sind wir. Lasst uns innehalten - nicht arbeiten, sondern faulenzen, spinnen, nachdenken, fantasieren und zum Geist zurückkehren. Um herauszufinden: Wie wollen wir weiter leben?

Geld war in der DDR nicht der Maßstab aller Dinge. Und wir hatten Zeit, einfach unbezahlbar. Erst wenn wir anfangen, nach Bedarf zu produzieren und nicht nach Gewinn, haben wir gewonnen. Fortschritt könnte doch auch heißen: verzichten. Die DDR war ein Experiment, das gescheitert ist. Punkt. Ich bin nicht traurig, dass sie weg ist. Es ändern sich die Systeme, nicht aber die Menschen. Wenn ich zynisch wäre, könnte ich diesen Satz so stehen lassen - tue ich aber nicht. Es liegt an jedem Einzelnen von uns, dazu beizutragen, etwas zu ändern. Verändern wir uns, verändern wir die Welt. Insofern: Alles auf Hoffnung, und bitte im Stillen, Leisen, nicht marktschreierisch. Vor Stille haben sowieso alle Systeme Angst. Warum? Es könnte doch sein, man fängt an nach- wie vorzudenken. Die großen Ereignisse im Leben sind nicht die lauten, sondern die stillen Stunden. Steimles Spruchbeutel schließt mit der Feststellung: Beziehung war das halbe Leben - in der BRD sind sie das ganze. Ist das nicht furchtbar?

P. S.: Was denkt ein Ossi, wenn er 100 Euro in der Jacke findet? Das ist nicht meine Jacke.
- Das muss sich ändern!

* Aus: Neues Deutschland, 7. Oktober 2009 (Gastkolumne)




Zitat Nr.118, 07. Oktober 2009

Gracias a la vida

Von Violeta Parra *

Gracias a la vida que me ha dado tanto.
Me dio dos luceros que, cuando los abro,
perfecto distingo lo negro del blanco,
y en el alto cielo su fondo estrellado
y en las multitudes el hombre que yo amo.

Gracias a la vida que me ha dado tanto.
Me ha dado el oído que, en todo su ancho,
graba noche y día grillos y canarios;
martillos, turbinas, ladridos, chubascos,
y la voz tan tierna de mi bien amado.

Gracias a la vida que me ha dado tanto.
Me ha dado el sonido y el abecedario,
con él las palabras que pienso y declaro:
madre, amigo, hermano, y luz alumbrando
la ruta del alma del que estoy amando.

Gracias a la vida que me ha dado tanto.
Me ha dado la marcha de mis pies cansados;
con ellos anduve ciudades y charcos,
playas y desiertos, montañas y llanos,
y la casa tuya, tu calle y tu patio.

Gracias a la vida que me ha dado tanto.
Me dio el corazón que agita su marco
cuando miro el fruto del cerebro humano;
cuando miro el bueno tan lejos del malo,
cuando miro el fondo de tus ojos claros.

Gracias a la vida que me ha dado tanto.
Me ha dado la risa y me ha dado el llanto.
Así yo distingo dicha de quebranto,
los dos materiales que forman mi canto,v y el canto de ustedes que es el mismo canto
y el canto de todos, que es mi propio canto.

Gracias a la vida que me ha dado tanto.

Quelle: (Externer Link)

* Dieses Lied wurde so etwas wie eine Hymne Lateinamerikas - Mercedes Sosa interpretierte es mit besonderer Kraft und Innigkeit. Das Lied wurde auch in den USA durch Joan Baez bekannt.
Und hier geht es zu einer Live-Aufnahme mit Mercedes Sosa:
(Externer Link)





Zitat Nr. 117, 27. September 2009

Die Bremer Stadtmusikanten und der Räuberkapitalismus

Von Axel Troost *

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, werte Gäste,

wir Ihr wisst, komme ich aus Bremen, jener Stadt, in der die Bremer Stadtmusikanten im Märchen der Gebrüder Grimm ihr Glück suchten. „Etwas besseres als den Tod, finden wir allemal“, sagten sie sich, als ihre Herren sie nicht mehr brauchten. „Darum lasst uns nach Bremen gehen und Stadtmusikanten werden.“ Sie hatten eine alternative Idee!

Nun ist es der Phantasie einer und eines jeden unter Euch überlassen, mit welchem dieser vier listigen Spielgesellen Ihr mich in Verbindung bringt. Die Bandbreite ist groß:
  • Vom guten, gar gutmütigen Esel, der ruhig und gelassen große Lasten fortschaffen kann, sich kontinuierlich und gewissenhaft um Partei, Parlament und außerparlamentarische Arbeit müht und Diskussionen geduldig gestaltet,
  • über den im Parlament und auch in der Partei manchmal knurrigen Hund, der in wichtigen Fällen – Zukunftsprogramm – durchaus auch laut zu bellen vermag.
  • Da ist die listige Katze, deren Antrag zusammen mit Barbara Höll im Finanzausschuss zum Erhalt der Berliner Sparkasse alle anderen Fraktionen im Bundestag zustimmen mussten.
  • Und schließlich der hell aufschreiende Hahn – nein, nicht der rote Hahn aus dem sächsischen Landtag. Der Bremer Hahn, der von der Frühe bis weit nach Sonnenuntergang sein Lied der wirtschaftspolitischen Alternativen kräht.
So weit hergeholt ist dieser Bezug zur Märchenwelt in der heutigen Zeit nicht. Denn in der Bundesrepublik sind politische und wirtschaftliche Eliten, den Grimmschen Räubern gleich, über Jahre daran gegangen, in moderner und legalisierter Wegelagerei der Gesellschaft massenhaft Geld zu entziehen und es in einem gigantischen Umverteilungsprozess in die Geld- und Unternehmervermögen der Oberschicht zu spülen. Über die Privatisierung von Teilen der Daseinsvorsorge bis hin zu Schwächung der Sozialversicherungssysteme, ihrer Aushöhlung und letztlich ihrer Zuführung zur privatkapitalistischen Verwertung. Dabei verhilft die massive Deregulierung der Finanzmärkte – vergleichbar mit den Räuberwäldern der Grimmschen Märchenwelt – eben ausschließlich dem Recht des Stärkeren zum Durchbruch.

Und wenn einmal etwas richtig schief geht, dann sollen mit dem Staat wieder jene eintreten, die zuvor ausgenommen wurden.

Liebe Genossinnen und Genossen,

es ist unübersehbar, dass der moderne Finanzmarktkapitalismus – um im Bild zu bleiben, der moderne Räuberkapitalismus – mit seinem neoliberalen Konzept gescheitert ist. Dennoch halten die Herrschenden und ihre politischen Parteien an der Grundlinie der Privatisierung und Deregulierung, an Lohndumping und Exportorientierung, an Umverteilung und dem Sozialabbau fest.

Ich stehe dagegen für ein mittelfristiges wirtschaftspolitisches Alternativkonzept, das im Kern aus 8 Komplexen besteht:
  1. Gesetzlicher Mindestlohn und mind. verteilungsneutrale Einkommenspolitik
  2. Gute Arbeit – Gutes Leben: Prekäre Arbeitsverhältnisse abschaffen
  3. Zukunftsprogramm mit einem entschiedenen ökologischen und sozial Umbau einschließlich einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor
  4. Arbeitszeitverkürzung
  5. Armutsfeste Grundsicherung
  6. Re-Regulierung des Banken- und Finanzmarktsystems
  7. Erhalt und Rekommunalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und entschiedene, aber realistische Schritte in Richtung Wirtschaftsdemokratie
  8. Schritte hin zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung
Wenn alles dies umgesetzt ist, haben wir immer noch keinen Sozialismus, aber die Lebensverhältnisse der überwiegenden Mehrheit der Menschen haben sich grundlegend verbessert und die Rahmenbedingungen für eine Systemüberwindung zeigen deutlich klarere Konturen.

Lasst uns in der Partei und in den Fraktionen im Landtag und im Bundestag eines von den Stadtmusikanten lernen: Auch wenn die Räuber scheinbar unbesiegbar sind, sie den Wald und alle Reisenden in Angst und Schrecken versetzen können. Wir sind auch stark – mit guten Ideen, mit koordinierten Analysen und Konzepten und mit noch mehr Mut, auch einmal zum öffentlichkeitswirksamen Angriff überzugehen. Und vor allem – bei aller Unterschiedlichkeit – mit gemeinsamem Handeln können wir die politischen und wirtschaftlichen Eliten das Fürchten lehren und letztlich den reichhaltig gedeckten Tisch allen zur Verfügung stellen.

Der Hahn im Märchen von den Stadtmusikanten kräht: „Bringt mir den Schelm her! Haltet die Diebe!“ Heute würde er bei uns rufen: „Lasst uns die Verteilungsfrage stellen!“

In diesem Sinne, werbe ich um Euer Vertrauen und bitte um möglichst alle Eure Stimmen.

* Anmerkung: Um etwaigen Vorwürfen zuvorzukommen, auf unserer Website würde einseitige (einseitig - pfui!) Wahlwerbung für die LINKE betrieben, veröffentlichen wir diesen Text, der seit langem vorliegt, erst am Tag der Bundestagswahl, wenn die Messe also schon gelesen ist. Bei dem Text selbst handelt es sich um die Bewerbungsrede des Verfassers für den Platz 2 der sächsischen Landesliste zur Bundestagswahl auf der LandesvertreterInnenversammlung am 14.6.09 in Burgstädt (Sachsen).




Zitat Nr. 116, 9. September 2009

Das Trauerspiel von Afghanistan

Theodor Fontane

Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
"Wer da!" - "Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan."

Afghanistan! Er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:

"Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."

Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all',
Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So lasst sie's hören, dass wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter blast in die Nacht hinaus!"

Da huben sie an und sie wurden's nicht müd',
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen - es kam die zweite Nacht,
Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.

"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan."

(1859)




Zitat Nr. 115, 24. Juli 2009

Dinner for one

Sehr geehrte Frau Merkel,

hiermit buche ich anlässlich meines im Frühjahr 2010 anstehenden (fast) runden Geburtstages das Kanzleramt für ein Abendessen mit nicht-privatem Charakter. Wie ich aus der Presse erfahren habe, eignet sich Ihre Location besonders gut für die kostengünstige Austragung spezieller Events.

Damit Sie die Vorbereitungen unverzüglich starten können, noch einige Details: Ich dachte an eine Runde von etwa 30 Freundinnen und Freunden aus Wirtschaft und Gesellschaft (Liste anbei). Sie leiten erfolgreiche kleine Familienunternehmen, sind bekannt aus einschlägigen (Gast-)Wirtschaften, und es geht mit ihnen immer gesellig zu. Da sie ständig knietief im Dispo sind, unterstützen sie großzügig die Krisenbanken, um die Sie sich immer so rührend kümmern.

Um den nicht-privaten Anlass zu unterstreichen, würde ich folgende offizielle Tagesordnung für die Tischgespräche vorschlagen: 1. Allgemeines, 2. Sonstiges. Sollte eine Ansprache Ihrerseits unausweichlich sein, würde ich Sie bitten, diese auf maximal 90 Sekunden zu begrenzen. Die Abendgarderobe sollte eher unauffällig sein.

Des Weiteren wäre es nett, wenn Sie, wie üblich, zusätzliches externes Servicepersonal bereitstellen würden. Dies ließe sich als Mikro-Konjunkturprogramm entsprechend würdigen. Ferner bringe ich einen fertigen Gesetzentwurf mit, den Sie bitte an den gegelten Freiherrn weiterleiten. Sie werden mir doch zu meinem Geburtstag keinen Wunsch ausschlagen!?

Mit freundlichem Gruß,
Ihr Kurt Stenger


Aus: Neues Deutschland, 26. August 2009




Zitat Nr. 114, 24. Juli 2009

Milliardäre einreihen!

Die Landesarbeitsgemeinschaft »Hartz IV muß weg!« der Partei Die Linke in Bayern lädt die verarmte Exmilliardärin und Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz zur Teilnahme an der Erwerbslosendemonstration am Samstag in Nürnberg ein:

Sehr geehrte Frau Schickedanz,

wie in den verschiedenen Printmedien zu lesen war, fürchten Sie sich vor Altersarmut - Sie leben bereits jetzt von nur 500/600 Euro monatlich. Und es ist nur noch ein Essen beim Italiener um die Ecke drin, das kostet dann 40 Euro für zwei. Mit 20 Euro muß ein Hartz-IV-Empfänger fünf Tage überleben - und Sie beklagen sich, daß nur noch ab und zu ein Essen beim Italiener drin ist!

Wenn Sie alles verlieren sollten, dann erhalten AUCH Sie eine schöne Grundsicherung, womöglich in Höhe des Hartz-IV-Satzes von sage und schreibe momentan 359 Euro. Ihnen wird dann auch die Miete und die Heizung bezahlt werden - allerdings nur in einer angemessenen Unterkunft, zur Zeit höchstens 50 Quadratmeter pro Person. Von den 359 Euro müssen Sie auch das Telefon, den Strom, den öffentlichen Nahverkehr, Kosmetika usw. usw. bestreiten. Leider ist dann ein Besuch in Ihrer Stammpizzeria nicht mehr möglich - denn dafür sind dann monatlich nur noch 7,18 Euro vorgesehen. (...)

Mit den vorgesehenen ca. 133 Euro monatlich (aus diesem Hartz-IV-Regelsatz von 359 Euro) können Sie sich dann sehr gesund ernähren. Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin kann Ihnen da wunderbare Rezepte zuschicken. Und - sollte es einmal kalt werden in Ihrer Wohnung, dann empfiehlt Sarrazin, daß Sie sich ein paar Pullover mehr anziehen. Es ist ja auch viel gesünder, in der kalten Bude zu hocken. Allerdings dürfen Sie Ihre alten Pullover nicht wegwerfen - denn für Kleidung und Schuhe sind im Monat Euro 35,19 vorgesehen.

Vermeiden Sie alles, was krank machen könnte. Zum Beispiel Streß mit der ARGE Fürth. Von den für im Krankheitsfalle vorgesehenen monatlichen Euro 14,36 müssen Sie natürlich alle Medikamente und Hilfsmittel für die Gesundheit bestreiten. Selbstverständlich ist auch die Praxisgebühr von diesem Betrag zu zahlen. Sie können sich auch noch von den GEZ-Gebühren befreien lassen - als Hartz-Betroffener dürfen Sie sich dann im kalten Wohnzimmer vor Ihrem Breitband-Fernseher die Hetze gegen sich selbst und andere Hartz-IV-Betroffene anschauen und darüber nachdenken, wie man denn aus dieser Falle wieder herauskommt. (...)

Wir empfehlen Ihnen, sich bereits jetzt darüber zu informieren, was es heißt, als Sozialschmarotzer, Faulenzer oder einfach ausgemobbter Mensch sein restliches Dasein zu fristen. Am kommenden Samstag, den 25.Juli 2009, findet in Nürnberg am Weißen Turm eine Veranstaltung der nordbayerischen Erwerbslosen-Initiativen statt. Momentan können Sie sich die Fahrt dorthin sicher noch leisten. In Nürnberg können Sie sich am Samstag zeitnah informieren, wie es ist, wenn man seit Jahren arbeitslos ist, wenn man mit Mitte Vierzig bereits zum alten Eisen gezählt wird, wenn man mit nur 359 Euro monatlich dahin vegetiert.

Wir hoffen auf Ihre Teilnahme, denn viele von uns waren langjährige Quelle-Kunden und haben mit dazu beigetragen, Ihr Unternehmen und Ihr Vermögen zu fördern und zu mehren. (...)

Aus: junge Welt, 23. Juli 2009




Zitat Nr. 113, 12. Juli 2009

Eintopf und Ehrenkreuz

Von Otto Köhler *

Süß und ehrenvoll ist es, wenn die Heimat für die Bundeswehr stirbt. Zynisch? Rudolf Augstein sagte schon vor sechzehn Jahren: »Kein Zyniker zu sein, ist in heutiger Zeit nahezu lebensgefährlich.«

Nahezu war gestern. Heute wird die Freiheit der Bundeswehr am Hindukusch verteidigt. Und wir in der Heimat, ob Mann, ob Frau, ob Kind, sind Geiseln, damit sich die deutsche Wehr-Macht im globalen Einsatz entfalten kann.

Reinhold Robbe (SPD), der Wehrbeauftragte des Parlaments, hat es immer wieder gefordert: alles müsse »zum optimalen Schutz unserer Soldaten« geschehen und alle hätten sich mal hinter, mal vor die Bundeswehr zu stellen. Wolfgang Schäuble (CDU) macht daraus schon lange den Ernstfall. Dass wir mit unserem Leben für die weltweite Freiheit der Bundeswehr einzutreten haben, mutet der Bundesinnenminister uns allen zu.

Schon zwei Jahre vor der Bundestagswahl kündigte Schäuble an, »innerhalb des terroristischen Netzwerkes« werde in unserem Land ein »Anschlag mit nuklearem Material vorbereitet«. Dazu allerdings braucht es längst nicht mehr die Taliban, das besorgt Vattenfall selber. Aber jetzt, seit Beginn des Wahljahres spricht er noch dringlicher aus, dass es in der Heimat zwar lebensgefährlich wird, »Deutschland« sich aber nicht dazu erpressen lasse, mit Rücksicht auf Anschläge vor den Bundestagswahlen die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen. O-Ton Innenminister: »Wir nehmen die Bedrohung ernst, die Sicherheitsbehörden leisten gute Arbeit und es gilt: Wir lassen uns nicht einschüchtern und eine Erpressung Deutschlands wird keinen Erfolg haben.«

Was immer auch nach dieser Einladung für die Terroristen geschieht: Wir dürfen ruhig sterben, damit die Bundeswehr ihre Tätigkeit weiterhin in aller Welt ausführen kann. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien bezeichnen seit 1992 diese Tätigkeit korrekt als »Sicherung unserer Rohstoffe« und nicht als Brunnenbohren oder Mädchenschulenbau.

Damit wir uns frohgemut an die bedrohte Lage der Heimatfront gewöhnen, veranstaltete der dank der Stimme des aus der CDU zur Wählervereinigung »Arbeit-Familie-Vaterland« konvertierten Rechtsxtremisten Henry Nitzsche wiedergewählte Bundespräsident vor dem Brandenburger Tor vorletzten Freitag einen »Tafel der Demokratie« genannten Eintopfsonntag für das Volk – den letzten hat dort Joseph Goebbels in seinem Krieg bereitet. Und Angela Merkel verteilte die ersten Tapferkeitsorden an ihre in Afghanistan kämpfenden Soldaten; sie halfen u.a. verletzten Kindern, die ohne ihre Anwesenheit nicht verletzt worden wären.

Was aber können wir den Taliban entgegenhalten? Sie sagen, wenn sie überhaupt etwas vorher ankündigen, mit der Bombe im KaDeWe verteidigen sie ihr Land gegen »unsere« Bundeswehr. Was immer wir davon halten, in der Katastrophe, die Schäuble beschwört, müssen wir daran glauben. Und wir können die Taliban nur bitten, anstelle eines Kaufhauses doch besser eine Kaserne auszuwählen.

Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Operation Handschar (Schwertstoß) nennen die US-Truppen die neueste Großoffensive gegen die Taliban. Höchste Zeit für deutschen Soldaten, aus Afghanistan zu verschwinden. Heinrich Himmler gründete 1943 die kroatische SS-Division Handschar, die Titos Partisanen ausmerzen sollte.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Juli 2009




Zitat Nr. 112, 13. April 2009

"Das normale Szenario in Palästina"

Predigt von Rev. Dr. Mitri Raheb *

Liebe Schwestern und Brüder, liebe FreundInnen!

Salaam aus Bethlehem in der Karwoche!

Die Passionsgeschichte könnte geendet haben mit den drei an ihren Kreuzen gehenkten Männern; der eine war ein Krimineller, der seinen Vorteil in der Instabilität unter römischer Besatzung sah, der andere ein Widerstandskämpfer gegen die Fremdherrschaft, der dritte ein „Unschuldiger“, der das Reich Gottes verkündete. Und Palästina hätte sich wieder erwiesen als nur das Schlachtfeld, auf dem Imperien ihre Kräfte messen konnten, oder als Friedhof voller Märtyrergräber. Und die Jünger hätten wie so viele andere nachgeben und Todeslitaneien singen können, in denen sie die Römer verfluchten, Rache schworen oder im Stillen versuchten, Sympathien für ihren gerechten Kampf zu finden. Das wäre das normale Szenario in Palästina gewesen.

Aber das, was am Ostersonntag geschah, hatte mit Normalität nichts zu tun. Es war etwas ganz besonderes, ein Geschehen, wie es niemand je gehört hatte, ein wirklich revolutionäres Ereignis. Es war nicht die Fortführung der menschlichen Tragödie in Palästina, es war göttliches Einschreiten. Durch dieses Einschreiten wurde das Land, das man früher nur als Schlachtfeld gekannt hatte, zum Heiligen Land, und wo bisher Friedhöfe waren, verwandelten sich diese in Gärten, in denen Engel erschienen; und die bisher ihren Helden beweint hatten, wurden zu Wirkmächten der Verwandlung.

Die Jünger hätten ihr ganzes Leben damit verbringen können, über den Verlust ihrer Sache zu weinen, ihr getötetes Opfer und ihre zerflatternden Hoffnungen zu betrauern. Stattdessen und aufgrund des göttlichen Eingreifens fingen sie eine unglaubliche Vision ein, sie entwickelten atemberaubenden Mut und sie machten sich auf den Weg, den Gekreuzigten als einen Lebenden zu verkünden. Sie waren nicht mehr einfach Opfer , die um Hilfe riefen, sondern sie wurden verwandelt zu Menschen, die eine Botschaft hatten, auf die die Welt dringend wartete. Was sie aus erster Hand erfuhren, war die Antwort auf die weltweite Sehnsucht nach einem Leben in Fülle, das im Kontext mit dem Tod wächst, die wahre Hoffnung, die durch hilflose Situationen durchscheint, und nach Leben, das auch in windigen Zeiten blüht. Was Gott an diesem Ostersonntag mit der Auferstehung Christi von den Toten getan hat, ist auch heute noch zu erfühlen. Das ist der Grund, warum wir hier sind, und diese Kraft zur Verwandlung ist der tiefste Grund für unseren Dienst.

Danke, dass ihr uns mit dem Glauben an die Macht der Auferstehung unterstützt. Er ist auferstanden! Er ist wirklich auferstanden! (Übers.: Gerhilde Merz)

* Seniorpfarrer der Lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem Präsident des Diyar Konsortium

Biblische Grundlage zur Predigt: Johannes 20, 1-18; Markus 16, 1-8





In Kürze ("Zitate des Tages")

666 Milliarden Dollar

Das US-Repräsentantenhaus hat mit großer Mehrheit dem Antrag des US-Präsidenten Barack Obama auf Verteidigungsausgaben in Höhe von 636 Milliarden Dollar im bereits laufenden Haushaltsjahr 2010 zugestimmt (in den USA beginnt das Haushaltsjahr jeweils am 1. Oktober). Die Zustimmung des Senats wird noch vor Weihnachten erwartet. Die US-Regierung hat bereits signalisiert, dass sie für Afghanistan schätzungsweise weitere 30 Milliarden Dollar benötigen wird, nachdem Präsident Barack Obama kürzlich die Entsendung 30 000 zusätzlicher Soldaten beschlossen hat. Diese Summe wird vermutlich im Frühjahr im Kongress nachträglich beantragt.
Somit werden sich die Militär- und Rüstungsausgaben der Vereinigten Staaten im Haushaltsjahr 2009/2010 auf das Rekordniveau von 666 Mrd. Dollar erhöhen.

Agenturmeldungen vom 17. Dezember 2009

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Neue Exportgeschäfte für Rüstungsproduzenten

Die einst unter dem Vorzeichen des „Krieges gegen den Terror“ begonnenen und bis heute andauernden militärischen Auseinandersetzungen ziehen auch für deutsche Rüstungshersteller neue Exportgeschäfte nach sich. Dies dokumentieren Lieferungen nach Afghanistan ebenso wie an Irak, den Sudan oder Libanon. Selbst wenn diese Transfers dazu dienen, staatliche Sicherheitskräfte oder internationale Friedensmissionen auszustatten, sieht die GKKE hier einen Wirkungszusammenhang, der unter der Perspektive von Rüstungslieferungen und Friedensanstrengungen bedenklich ist. Außerdem kann der bestimmungsgemäße Verbleib der gelieferten Waffen und Rüstungsgüter oft nicht gesichert werden. Dies zeigt das Beispiel der auf dem afghanischen und pakistanischen Schwarzmarkt gehandelten Waffen deutscher Herkunft. Bereits im Vorjahr waren in Georgien Waffen deutscher Herstellung identifiziert worden, die das Land der Rechtslage nach nicht hätten erreichen dürfen.
Prälat Dr. Bernhard Felmberg, Vorsitzender der GKKE, auf einer Pressekonferenz am 14. Dezember 2009.
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"Ich muss die Welt sehen, wie sie ist"

Wir müssen die harte Wahrheit akzeptieren, dass wir gewaltsame Konflikte zu unseren Lebzeiten nicht aus der Welt schaffen werden. Es wird Zeiten geben, zu denen Staaten - ob einzeln oder im Verbund mit anderen - die Anwendung von Gewalt nicht nur als notwendig, sondern als moralisch gerechtfertigt betrachten werden.
Ich treffe diese Aussagen im Gedenken, an was Martin Luther King vor einigen Jahren bei derselben Zeremonie gesagt hat: 'Gewalt bringt niemals einen dauerhaften Frieden. Sie löst keine sozialen Probleme, sie schafft nur neue und noch kompliziertere.' Ich stehe hier als unmittelbarer Nutznießer des Lebenswerks von Dr. King und bin damit lebendiges Zeugnis für die moralische Macht der Gewaltfreiheit. Ich weiß, dass es in der Überzeugung und der Lebensweise von Gandhi und King keine Schwachpunkte, keine Passivität und keine Naivität gibt.
Aber als Staatschef, der zum Schutz und zur Verteidigung seines Landes verpflichtet ist, kann ich mich nicht allein von ihrem Beispiel leiten lassen. Ich muss die Welt sehen, wie sie ist, und ich kann angesichts der Bedrohung des amerikanischen Volkes nicht tatenlos bleiben. Machen wir uns nichts vor: Das Böse existiert in der Welt. Eine gewaltfreie Bewegung hätte Hitlers Wehrmacht nicht aufhalten können. Verhandlungen können die Anführer von Al Kaida nicht dazu bringen, ihre Waffen niederzulegen. Die Feststellung, dass Gewalt manchmal notwendig ist, ist kein Aufruf zum Zynismus - sie ergibt sich aus der Beobachtung der Geschichte, der Unzulänglichkeiten des Menschen und der Grenzen der Vernunft.

Barack Obama in seiner Nobelpreis-Rede von Oslo, 10.12.2009.
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75 hier - 27 dort

Verkehrte Welt: Am 4. Dezember stimmte der Bundestag über den Antrag der Bundesregierung ab, den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu verlängern. Dafür stimmten 75 Prozent der "Volksvertreter".
Am selben Tag veröffentlichte die ARD eine repräsentative Umfrage in der Bevölkerung. Danach sind lediglich 27 Prozent der Befragten für einen Verbleib der Bundeswehr in Afghanistan; 69 Prozent wollen den Abzug der Truppen.

Alles über den Afghanistan-Krieg in unserer tagesaktuellen Chronik.

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Effektive Kriegsführung

"What cannot be disputed is that the attacks have been effective. If a third of those killed are civilians then around 700 were militants."
Michael Smith in der in Abu Dhabi erscheinenden Zeitung "The National", 13.11.2009.

Würde man dieser Logik folgen, dann kann man sich gar nicht genug über zivile Opfer freuen. Denn bei einer Anzahl von sagen wir 3.000 zivilen Toten käme man auf die stattliche Zahl von 7.000 getöteten "Kämpfer".

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"Die Deutschen müssen gegen Krieg sein dürfen"

Ich beanspruche keine Moral, die einer anderen Moral überlegen sein will. Ich bin gegen Krieg, weil ich glaube, die Deutschen müssen gegen Krieg sein dürfen, ohne Angabe von Gründen, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Wir haben etwas hinter uns, was uns kriegsuntauglich machen darf. Mögen andere Krieg führen, wir nicht. Nicht mehr.

Martin Walser, Schriftsteller, in Cicero, 12/2009

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Schlafwagen

Sie haben es geschafft - dafür haben Sie mein Kompliment, liebe Frau Merkel -, im Schlafwagen an die Macht zu kommen. - Nun sind Sie im Zug angekommen. Sie haben den Zug gekapert und geben sich zu erkennen: Ihre Lok fährt mit Kohle- und Atomstrom, die hinteren Waggons werden abgekoppelt, in der zweiten Klasse fällt die Heizung aus, im Bistrowaggon steigen die Preise, aber dafür werden in der ersten Klasse Gratiscocktails serviert. Das ist Schwarz-Gelb auf einen Satz gebracht.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in der Debatte über die Regierungserklärung der Kanzlerin, 10. November 2009.

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Bezugspunkte und Hypothesen

Frage:
Herr Minister, der zuständige NATO-General, zufälligerweise ein deutscher General, Ramms in Brunssum, wird heute zitiert mit der Aussage über den Vorgang damals in Kunduz: Die Amerikaner hätten mehrfach angefragt, ob sie „show of force“, also einen Abschreckungsflug, starten sollten. Dies sei untersagt worden. Dies legt den Schluss nahe, dass er, also General Ramms, das Vorgehen von Oberst Klein nicht für angemessen hält. Wie gehen Sie damit um?

Antwort Minister:
Also was die Inhalte dessen anbelangt, was Sie ansprechen, das kann oder mag nicht Teil des Berichtes sein. Und insbesondere, wenn es irgendwelche Bezugspunkte zum Bericht geben sollte, bitte ich um Nachsicht, dass ich daraus nicht zitieren werden. Und ich gehe davon aus, dass sich alle, die mit dem Bericht befasst sind, sich auch entsprechend daran halten. Das ist schon ein notwendiger Aspekt, den man sehen sollte und auch sehen muss. Und zu welcher persönlichen Schlussfolgerung jeder einzelne kommt, der wiederum im Bereich des Hypothetischen sich befinden muss, sei jedem selbst überlassen. Allerdings legt Ihre Aussage auch nahe, dass da die eine oder andere Hypothese bei diesen Äußerungen auch mitspielt.

Auszug aus der Pressekonferenz von Verteidigungsminister zu Guttenberg am 6. November 2009.
Hier geht es zum ganzen Mittschnitt der Pressekonferenz.

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"Wiederwahl"

Sehr geehrter Herr Präsident,
zu Ihrer Wiederwahl zum Präsidenten der Islamischen Republik Afghanistan übermittle ich Ihnen meine besten Glückwünsche. (...)
Für Ihre zweite Amtszeit wünsche ich Ihnen für die vor Ihnen liegenden großen Herausforderungen viel Erfolg und eine glückliche Hand.
Mit freundlichen Grüßen
Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 4. November 2009

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Geheim - transparent

Der Bericht ist von der NATO als Geheim eingestuft. Ich bitte Sie daher um Verständnis, dass ich keine weitergehenden detaillierten Angaben machen kann. Wir werden aber mit dem Gesamtbericht so transparent und auch mit dem Gesamtvorgang so transparent wie vertretbar umgehen.
Generalinspekteur der Bundeswehr General Wolfgang Schneiderhan in seinem Pressestatement zum NATO-Untersuchungsbericht über das Massaker von Kundus.
Hier geht es zur ganzen Erklärung im Wortlaut.

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Sarrazin II: "In der Unterschicht wird das Geld versoffen"

Der Bürgermeister des Berliner Problembezirks Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), ist gegen das von der Regierungskoalition beschlossene "Betreuungsgeld". Union und FDP wollen ab 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich für Eltern einführen, die ihre Kinder zu Hause erziehen. Buschkowsky kritisierte, dass das Leben von sozialen Transferleistungen für die sogenannten bildungsfernen Schichten dadurch komfortabler werde. Kinder würden noch mehr zu einem "Einkommensfaktor". Das Betreuungsgeld werde eben nicht zur Förderung und Bildung der Kinder ausgegeben, so Buschkowsky.
"Im Klartext: In der deutschen Unterschicht wird es versoffen und in der migrantischen Unterschicht kommt die Oma aus der Heimat zum Erziehen, wenn überhaupt",
sagte Buschkowsky. Diese spreche leider in 99 Prozent der Fälle kein Deutsch.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, online, 27. Oktober 2009

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I’m ready to be your president

"It is time for you to waken up and detach yourselves from the English and their terrible politicans.
"Whatever help is needed for Scotland to regain its independence, I will provide it. When you Scots regain your freedom I’m ready to be your president.
"I have lived here [in England] for 40 years, but now the home that I want is Scotland."

Mohamed el Fayed, der ägyptischstämmige 80-jährige Inhaber des Londoner Nobelkaufhauses Harrods, rief in der britischen Zeitung "Sunday Times" vom 25. Oktober 2009 seine "schottischen Landsleute" auf, sich von England loszusagen. Er erklärte sich bereit, Präsident einer unabhängigen Republik Schottland zu werden. Fayed ist der Vater von Dodi el Fayed, der 1997 gemeinsam mit seiner damaligen Freundin Prinzessin Diana bei einem Autounfall in Paris ums Leben kam.

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Westerwelle - Freund der Friedensbewegung?

Die neue schwarz-gelbe Regierung will sich "dafür einsetzen, dass die in Deutschland verbliebenen US-Atomwaffen abgezogen werden". Dieser Satz wird in eine "mit Nachdruck" unterstützte weltweite atomare Abrüstungspolitik eingebettet. Damit hat sich die FDP in den Koalitionsverhandlungen mit einer auch in der Bevölkerung populären Forderung gegen die CDU/CSU durchgesetzt. Noch im März d.J. hatte die Bundeskanzlerin im Bundestag bekräftigt, dass die Regierung an der sogenannten "nuklearen Teilhabe" festhalte. Diese sichere Berlin "Einfluss im Bündnis, auch in diesem höchst sensiblen Bereich". Nur Länder, in denen US-Bomben lagern, könnten in der Nato "ernsthaft mitreden", hieß es auch im Verteidigungsministerium.
(Meldungen vom 22. Oktober 2009)
Müssen friedensbewegte Menschen, die schon seit vielen Jahren gegen die Atomwaffen aufbegehren, nun zu Freunden der wirtschaftliberalen FDP werden, die bisher noch jeden Kriegseinsatz der Bundeswehr befürwortet hat?

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Australien zieht auch ab

Australien will seine Truppen so schnell wie möglich aus Afghanistan abziehen. Verteidigungsminister John Faulkner sagte am 21. Oktober dem Radiosender ABC, er lasse prüfen, wie die australische Armee ihren Afghanistan-Einsatz mit derzeit 1.500 Soldaten "wirksam, aber in einem so kurzen Zeitrahmen wie möglich" zum Abschluss bringen könne. Faulkner räumte zugleich ein, dass dieser Vorstoß dem Vorhaben des Oberbefehlshabers der US- und NATO-Truppen in Afghanistan, Stanley McChrystal, zuwiderlaufe, der eine deutliche Truppenverstärkung am Hindukusch fordert.
Nachrichtenagentur AFP, 21.10.2009
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tagesaktuellen Kriegschronik



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Stichwahl in Afghanistan

In Afghanistan kommt es am 7. November zur Stichwahl um die Präsidentschaft. Das sagte der Sprecher der Unabhängigen Wahlkommission (IEC), Noor Mohammed Noor, am 20. Okt. in Kabul. Präsident Hamid Karsai bestätigte, dass er am 7. November gegen den früheren Außenminister Abdullah Abdullah in die Stichwahl gehen werde. Dieser Schritt werde "einen Fortschritt für die Demokratie" in Afghanistan bringen, erklärte er auf einer Pressekonferenz. - Was soll er auch anderes sagen? Lange Zeit hatte er sich als Sieger der "Wahl" empfunden. Zuletzt wurde aber der Druck der Wahlkommission und des Auslands zu groß.
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tagesaktuellen Kriegschronik



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Unterwasserkabinett

Der Präsident der Malediven, Mohammed Nasheed, und seine Minister tagten am 17. Oktober in voller Tauchmontur eine halbe Stunde lang unter Wasser an einem hufeisenförmigen Tisch in sechs Metern Tiefe. Nasheed sprang bei der Aktion als erster vor der Insel Girifushi in das warme, türkis schimmernde Wasser des Indischen Ozeans, gefolgt von seinem Stellvertreter Mohammed Waheed und einem Dutzend Minister. Dort verabschiedeten sie eine Resolution, in der die Weltgemeinschaft aufgefordert wird, den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen. Das Kabinett unterzeichnete, umschwirrt von bunten Tropenfischen, die auf eine weiße Tafel gedruckte Erklärung mit wasserfesten Stiften. Nach dem Auftauchen verlangte der Präsident, dass die UN-Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen ein Abkommen beschließt, das allen Menschen ihr Überleben sichert. Die südwestlich von Sri Lanka gelegenen Malediven sind vom Klimawandel besonders bedroht. Schon ein Anstieg der Meeresspiegel um 18 bis 59 Zentimeter bis 2100 würde die flache Inselgruppe praktisch unbewohnbar machen.
Nachrichtenagenturen am 18. Oktober 2009.

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"Am Vormittag bedankt er sich für den Preis, am Nachmittag trifft er sein Kriegskabinett"

Süddeutsche Zeitung vom 10. Oktober 2009 über Friedensnobelpreisträger Obama ("Superman kann sich bedanken" von Reymer Clüver)

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Bravo! Niederlande gegen Verlängerung des Militäreinsatzes in Afghanistan

Das niederländische Parlament hat sich am 6. Okt. in einem Beschluss gegen eine Verlängerung des Militäreinsatzes in Afghanistan ausgesprochen. Die Abstimmung sei "ein deutliches Signal" an die Regierung, das Mandat für die südliche Provinz Urusgan im kommenden Jahr zu beenden, sagte der Abgeordnete Martijn van Dam.
Nachrichtenagentur AP am 6. Oktober 2009.
Aktuelle Meldungen aus Afghanistan in unserer Kriegschronik

Bravo! Freispruch für Ex-Cap-Anamur-Chef Bierdel

Im Prozess gegen Verantwortliche der Hilfsorganisation Cap Anamur wegen Beihilfe zur illegalen Einreise nach Italien sind alle drei Angeklagten freigesprochen worden. Ein sizilianisches Gericht sprach den früheren Cap-Anamur-Vorsitzenden Elias Bierdel und zwei Mitarbeiter nach einem fast dreijährigen Verfahren frei.
Lesen Sie weiter:
Freispruch

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Runderneuerung oder Flickschusterei?

Die SPD rechnet mit sich selbst ab. Schnell und ohne Gnade. Wir schreiben gerade mal Tag 9 nach der Bundestagswahl und schon billigen Präsidium und Vorstand der SPD eine komplett neue Parteispitze, ausgekungelt in den Hinterzimmern des Willy-Brandt-Hauses. Nicht einmal ihr noch vor der Wahl viel gepriesener Kanzlerkandidat und Außenminister Steinmeier kommt darin vor, obwohl er doch künftig die Fraktion im Bundestag führen soll.
Die BADISCHE ZEITUNG, Freiburg am 6. Oktober.

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Die Limousine

Freund: Travnicek, stellen Sie sich vor, Sie sind Politiker und bekommen 500.000 Stimmen. Was würden Sie denken?
Travnicek: Ich würde mir denken, jetzt kann ich mir endlich eine Luxuslimousine kaufen.
Freund: Aber Travnicek, Sie haben diesen Leuten doch etwas versprochen. Und das müssen Sie jetzt halten.
Travnicek: Warum?
Freund: No, wenn Sie es nicht halten, wird man Sie nicht wieder wählen.
Travnicek: Das macht ja nichts. ich brauch ja nur eine Limousine.


Aus: Helmut Qualtinger, Travnicek und die Wahl, 1959.
Hier können Sie den ganzen Sketch hören:
You Tube (externer Link).

Bei den folgenden Wahlanalysen geht es etwas nüchterner zu:
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Kriegsaussichten in Afghanistan

Völlig unabsichtlich, aber durchaus realistisch und tragisch schlittern wir in eine Lage, die beginnt - und ich betone das Wort "beginnt" - an das zu erinnern, was den Sowjets geschehen ist.
Quite unintentionally, but potentially and tragically, we are sliding into a posture which is beginning—and I emphasize the word “beginning”—to be reminiscent of what happened to the Soviets.
Zbigniew Brzezinski, auf die Frage, ob er über Afghanistan besorgt sei ("Are you concerned about Afghanistan?); in einem Interview in: The Daily Beast, September 18, 2009

Altkanzler Helmut Schmidt hat sich tief besorgt über die Entwicklung in Afghanistan geäußert. "Mit den bisherigen Operationen, die nun schon seit fast einem Jahrzehnt laufen, ist das immer unschärfer gewordene Ziel offenbar nicht erreichbar", sagte Schmidt im "Zeitmagazin" laut einer am 23. Sept. veröffentlichten Vorabmeldung.
Nachrichtenagenturen am 23. September 2009.
Alles über das Geschehen in Afghanistan in unserer
tagesaktuellen Kriegschronik.

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Interesse an Phosphor

Marokko ist der Hauptakteur auf dem internationalen Phosphormarkt. Das Land verfügt über grosse eigene Reserven und kontrolliert seit dem Einmarsch in die benachbarte Republik West-Sahara auch die dortigen Vorkommen. Hauptimporteure von Phosphor sind in erster Linie kaufkräftige Industrieländer - allen voran die USA als weltweite Nummer eins unter den Agrarnationen. Es erstaunt daher kaum, dass die USA der West-Sahara-Politik Marokkos den Rücken decken.
Schweizer Wochenzeitung WOZ, 17.09.2009.
Mehr über Westsahara

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Wer schützt die Verfassung vor dem Verfassungsschutz?

Ein Verfassungsschutz, der 53 gewählte Abgeordnete observiert, also eine komplette Fraktion, ist selber dafür reif, vom Verfassungsschutz observiert zu werden. Ein solcher Verfassungsschutz lebt offenbar noch im Kalten Krieg, im Jahr 1953. Er ist aus der Zeit gefallen, also untauglich und gefährlich. Vor einem solchen Verfassungsschutz muss man die Verfassung schützen.
Kommentar von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung, 17. September 2009.
Zum Vorfall selber lesen Sie hier weiter:
Volksvertreter (un)heimlich bespitzelt

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"Schuhwerfer von Bagdad" ist wieder frei

Der "Schuhwerfer von Bagdad" ist am 15. September neun Monate nach seiner spektakulären Attacke auf US-Präsident George W. Bush aus dem Gefängnis entlassen worden. Kollegen und Fans empfingen den Journalisten Muntasser al-Saidi in Bagdad mit Musik, Tanz und Glückwünschen. Al-Saidis Unterstützer hatten schon am frühen Morgen ein Festzelt aufgebaut, um den Schuhwerfer zu feiern, der in ihren Augen ein Held ist. Sie schlachteten zu seinen Ehren mehrere Schafe.
(Nachrichtenagenturen, 15.09.2009)
Und weil's so schön war, hier noch einmal der Link auf die Tat:

www.youtube.com



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Töten müssen

In der Umgebung von Kundus herrscht "Krieg". "Unsere Soldaten stehen dort täglich im Gefecht. Der Kampf ist Alltag. Unsere Soldaten fallen. Unsere Soldaten werden verwundet. Unsere Soldaten schießen. Unsere Soldaten müssen töten",
sagte laut Frankfurter Rundschau vom 12. September 2009 Oberst Ulrich Kirsch, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes.

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Kaiser Westerwelle

Hier geht es nicht um Parteien, hier geht es um unser Land; das ist es, worüber wir in dieser Stunde debattieren sollten.
Guido Westerwelle (FDP) in der Afghanistan-Debatte im Bundestag am 8. September 2009

"Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche."
Kaiser Wilhelm II am 4. August 1914 im Reichstag
Hier geht es zur ganzen Debatte.

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Kein Krieg, nein nein, ein "Stabilisierungseinsatz"

Bei einem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff der NATO-Truppe ISAF auf von Taliban entführte Tanklastwagen sind am 4. Sept. in Nordafghanistan viele Menschen getötet worden. "Mehr als 150 Menschen wurden getötet oder verletzt", sagte ein Dorfbewohner namens Nadschibullah der Deutschen Presse-Agentur dpa. "In der Gegend waren auch Taliban, aber mehr Opfer gibt es unter Zivilisten."
Auf die Frage in der Bundespressekonferenz, ob die Bundeswehr an ihrem Sprachgebrauch festhalten wolle, wonach in Afghanistan kein Krieg herrsche, sagte ein Ministeriumssprecher: "Es handelt sich um einen Stabilisierungseinsatz, zugegeben um einen recht robusten Stabilisierungseinsatz, der Kampfhandlungen miteinschließt."

Mehr über den bisher größten Luftangriff im "deutschen" Gebiet lesen Sie in unserer tagesaktuellen Afghanistan-Chronik .

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Ursache und Wirkung

Geradezu widerlich mutet mich der Einfall an, man könne Ursache und Wirkung verkehren und der Überfälle der Deutschen vornehmlich als Vertreibungen der Deutschen gedenken. Im Traum fällt mir nicht ein, den Verlust von Heim und Heimat, den andere erlitten, kleinzureden, aber selbst im Schlaf weiß ich noch, mit welchem Treiben das Vertreiben begann.
Der Schriftsteller Hermann Kant (Jg. 1926) in einem Artikel für das "Neue Deutschland", 30. August 2009. Der ganze Artikel

Mehr zum 70. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 in unserem
Dossier zum "Antikriegstag" ("Weltfriedenstag").

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"The more troops they send, the more targets we have, so it's good."

Ein Taliban-Kommandeur im Gespräch mit einem Journalisten. In: The Guardian, 15.8.2009.

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"Wir rufen den Rest der Welt auf, sich mit uns zusammenzutun, um alle Atomwaffen bis 2020 zu vernichten."

Der Bürgermeister von Hiroshima, Tadatoshi Akiba, bei der Gedenkveranstaltung am 6. August 2009 in Hiroshima.
Hier finden Sie 23 Grußworte und Stellungnahmen zum Hiroshima-Tag 2009.

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3 Milliarden - 33 Milliarden

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) muss seine Hilfe für die Hungernden dieser Welt einschränken, weil die Geberstaaten ihre Finanzzusagen nicht einhalten. Drei Milliarden Dollar fehlen für einen ausgeglichenen Etat, das ist fast die Hälfte des geplanten Budgets. Die Folgen sind todsicher: Viele der 108 Millionen bedürftigen Menschen, die auf der WFP-Liste stehen, werden nach Lage der Dinge leer ausgehen und blicken dem Hungertod entgehen. (...)
Fast 33 Milliarden Dollar haben die neun größten US-Banken gerade für das Katastrophenjahr 2008 an ihre Mitarbeiter an Boni ausgeschüttet – mehr als das Zehnfache des WFP-Zusatzbedarfs!

Martin Ling im "Neuen Deutschland", 1. August 2009 ("Tödliches Politikversagen")
Siehe unsere Dokumentation: "Empörend".

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"Ihr Krieg hat Zukunft - unserer nicht"

31 amerikanische und 20 Isaf-Soldaten, 18 davon britisch, sind in diesem Monat schon getötet worden, viele weitere wurden schwer verwundet. Auch die Taliban haben Männer verloren, aber sie verfügen über einen nicht enden wollenden Nachschub an Rekruten. Und auch wenn sie zurückweichen müssten - es wäre ihnen gleich. Ihr Schlachtfeld ist einfach größer geworden. Die Geschichte erinnert sie daran, geduldig zu sein. Sie sagt ihnen, dass sie in die Gebiete, aus denen sie vertrieben wurden, zurückkehren werden. Die Waffen, die sie brauchen, kaufen sie mit Barem. Ihr Krieg hat Zukunft - unserer nicht.
Aus dem Editorial der britischen Zeitung The Guardian, 23. Juli 2009 ("Afghanistan: Dangerous illusions")

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Bombodrom: Habe fertig

Die Bundesregierung verzichtet nach rund 17 Jahren Bürgerprotest auf den Ausbau der Kyritz-Ruppiner Heide in Brandenburg zum größten Übungsplatz der Luftwaffe in Deutschland. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) teilte am 9. Juli 2009 in Berlin mit, er werde keine Revision gegen das im März verkündete Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg einlegen, das eine Nutzung des Gebiets für Tiefflieger untersagt hatte. Damit ist der Kampf um das 14 000 Hektar große "Bombodrom" zu Ende. Politiker und Bürgerbewegungen bewerteten die Entscheidung angesichts des Widerstands als lange überfällig.
Und wir gratulieren der Bürgerbewegung für eine "Freie Heide"
Weiter lesen: "Den Erfolg feiern nun viele Väter..."

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"Man muss kein Jude sein"

Wo waren in der vergangenen Woche die Stimmen in Deutschland, die den Anschlag im Gericht verurteilten? Sie waren nicht zu hören. Mit einer ganz bemerkenswerten Ausnahme. "Man muss kein Muslim sein, um sich gegen antimuslimisches Verhalten zu wenden, und man muss kein Jude sein, um gegen Antisemitismus vorzugehen", sagte der Generalsekretär des Zentralrates der Juden. Danke, Stephan Kramer, für diese deutlichen Worte. So selbstverständlich sie eigentlich sind, so selbstherrlich wurden sie in der letzten Woche von der deutschen Politik übergangen.

Aus einem Kommentar von taz-Korresponedent Karim El-Gawhary; taz, 9. Juli 2009
Mehr über den Anschlag: Mord mit rassistischem Hintergrund.

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Afghanen: "Lasst und allein"

The Taliban's influence is so strong in rural areas that much of the local population has accepted their rule and is watching the United States troop buildup with trepidation. Villagers interviewed in late June said that they preferred to be left alone under Taliban rule and complained about artillery fire and airstrikes by foreign forces.
"We Muslims don't like them - they are the source of danger," said a local villager, Hajji Taj Muhammad, of the foreign forces.

CARLOTTA GALL in der New York Times, 3. Juli 2009 ("U.S. Faces Resentment in Afghan Region")

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Militärputsch in Honduras

In Honduras hat das Militär am Sonntag (28. Juni) die Präsidentenresidenz gestürmt und Präsident Manuel Zelaya gefangengenommen. Der Präsident wurde nach Angaben seines Privatsekretärs auf einem Luftwaffenstützpunkt festgesetzt und dann nach Costa Rica ausgeflogen. Von dort sprach Zelaya von einem "ungerechtfertigten Staatsstreich". Venezuelas Präsident Chávez sagte in einer ersten Stellungnahme, das Militär sei "für einen Staatsstreich benutzt worden", gegen "ein Volk und einen Präsidenten, der lediglich eine Volksbefragung organisieren wollte".
(Nachrichtenagenturen am 28. Juni 2009)
Über Hintergründe und Reakionen lesen Sie mehr hier: Honduras-Dossier

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Iranische Sichtweisen

Jede Seite hat ihre eigene Interpretation: Dass mehr als eine Million iranischer Studienanfänger am Donnerstag ordnungsgemäß zu ihren Aufnahmsprüfungen antraten, sehen manche Beobachter als Zeichen, dass der revolutionäre Wille im Iran bei den gebildeten Jugendlichen nicht sehr stark ist und deshalb wieder Ruhe einkehrt. Andere machen den Umkehrschluss: Momentan sind die Energien der Studenten und Studentinnen durch Prüfungen gebunden, danach werden sie sich wieder dem Aufstand widmen.

Gudrun Harrer im Wiener "Standard" vom 27. Juni 2009.
Weitere Informationen in unserem Iran-Dossier.

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Pete Seeger 90

"Some may find them merely diverting melodies. Others may find them incitements to Red revolution. And who will say if either or both is wrong? Not I."
Pete Seeger in Rolling Stone - April 13, 1972
Am 3. Mai 2009 wird die Ikone der politischen Folkmusik 90 Jahre alt. Hier geht es zu einer kurzen Würdigung seines Lebens und Werks.

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Ich nehme deine Liebe
na und
ich gebe dir meine Liebe
na und.
Immer wird die tiefe Lüge fehlen
das Immer.


Idea Vilariño (1920-2009), die große lateinamerikanische Poetin, starb am 28. April in Montevideo. Erich Hackl, der den letzten Gedichtband von Vilariño ins Deutsche übersetzte (An Liebe. Gedichte. Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2005) schrieb einen Nachruf im "Neuen Deutschland".

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Von Pygmäen lernen - heißt siegen lernen

"Wenn Pygmäen im Ituru-Wald schlechte Zeiten erleben, nehmen sie an, dass ihr Unglück darauf beruht, dass der wohltätige Wald, der gewöhnlich ihre Bedürfnisse befriedigt, eingeschlafen sei. Sie graben dann die heiligen Hörner aus ihren Erdlöchern und blasen Tag und Nacht, um den Wald zu wecken. [...] Warum sollte nicht auch bei einem Bundeswehreinsatz zum Zweck der optimistischeren Zukunftssicht musiziert werden? Menschen, die tagtäglich mit dem Themenkomplex 'Bedrohung' konfrontiert sind, können durch Singen Ordnung im Bewußtsein schaffen.
Und können dem Menschen auch mittels der ästhetische Erfahrung bei der Anpassung an seine - gerade im Rahmen der Bundeswehreinsätze oftmals neuen - Umgebung helfen [sic!]. Musik organisiert und energetisiert soziale Beziehungen, der Rhythmus kontrolliert das Individuum und die Aktivitäten von Gruppen."

Aus: Thomas Biegl, Musik als Psychohygienikum. In: Militärmusik im Diskurs. Eine Schriftenreihe des Militärmusikdienstes der Bundeswehr, herausgegeben im Auftrag des Streitkräfteamtes von Michael Schramm, Bd. 2, Bonn 2007

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Für Versammlungsfreiheit ...

Die Wahrung der Versammlungs- und Pressefreiheit, die Einhaltung der Menschen- und der Freiheitsrechte gehoeren zu den grundlegenden demokratischen Prinzipien und zu den grundlegenden Werten der Europaeischen Union. Es gilt, diese zu respektieren.
Aus einer Presserklärung der SPD-Fraktion (15.04.2009) - nicht zu den Demonstrationsverboten und -behinderungen während des NATO-Gipfels in Strasbourg, sondern zu den Ereignissen in Moldawien.

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Was verschweigt die Bundesregierung?

Das Verteidigungsministerium veröffentlicht auf ihrer Website eine NATO-Chronik. Wir haben sie uns angesehen und machen sie unseren Besucherinnen und Besuchern zugänglich. Unsere Preisfrage lautet: Welches einschneidende Ereignis fehlt in der Aufzählung?
Machen Sie bitte mit und schicken Sie Ihre Antwort an das Verteidigungsministerium: >>> H I E R <<<

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Haftstrafe für "Schuhwerfer" reduziert

Ein irakisches Berufungsgericht hat die Freiheitsstrafe für den "Schuhwerfer von Bagdad" von drei Jahren auf ein Jahr verkürzt. Strafmildernd habe sich für den Fernsehjournalisten Muntather al Zaidi ausgewirkt, dass er nicht vorbestraft sei, sagte ein Gerichtssprecher. Al Zaidis Anwalt ergänzte, sein Mandant führe sich im Gefängnis gut. Al Zaidis Bruder Haithem wertete die Verkürzung der Gefängnisstrafe als Zeichen, dass die irakische Justiz an Stärke gewonnen hat.
Agenturmmeldung, 8. April 2009.
Und hier noch einmal der Link zum legendären Schuhwurf:

(Videoclip; externer Link)


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Humanitäre Intervention

Was heißt humanitäre Intervention? Es heißt Dazwischengehen aus Gründen der Menschlichkeit. Diese gesamte Strategie ist total unglaubwürdig, weil beispielsweise jetzt in jedem Jahr 10 Millionen Kinder an Unterernährung sterben, wegen Seuchen und Wasserverschmutzung, weil jedes Jahr 12 Millionen Menschen sterben, die an Krankheiten leiden, die heilbar sind. Wenn wir wirklich humanitär intervenieren wollten, hätten wir hier an dieser Stelle die Möglichkeit, viele Leben zu retten, ohne andere Menschen ermorden und töten zu müssen.

Oskar Lafontaine (Die Linke) in der Bundestagsdebatte über den NATO-Gipfel.
Hier geht es zur ganzen Debatte.

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Hier finden Sie frühere "Zitate der Woche":

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